Beispiel für die Diskriminierung Behinderter



Verweigerung des Versicherungsabschlusses


Der Fall

Ich bin seit 20 Jahren an einem Bein oberschenkelamputiert. Aus beruflichen Gründen musste ich nun in eine private Krankenversicherung (Beamter – bekomme zu 50 % Beihilfe vom Dienstherrn, der Rest ist dann zu versichern). Den Antrag stellte ich im Oktober 2000 bei der HUK und bekam jetzt nach drei Monaten folgende Rückantwort:

"Wir haben Ihren Antrag geprüft. Wie alle privaten Krankenversicherer müssen wir dabei berücksichtigen, welches Kostenrisiko mögliche Vorerkrankungen für uns bedeuten. Stellen wir dabei fest, dass hohe Kosten anfallen können, entscheiden wir, ob der Vertrag mit Sondervereinbarungen, d.h. mit Beitragszuschlägen oder Leistungsausschlüssen zustande kommen kann.

Manchmal sind Sondervereinbarungen nicht mehr vertretbar. Leistungsausschlüsse wären zu umfangreich, Beitragszuschläge nicht kalkulierbar. Uns bleibt keine andere Wahl (!), als den Versicherungsschutz nicht mehr zu übernehmen.

Den Versicherungsschutz für Sie können wir aufgrund der Oberschenkelamputation nicht bieten.

Mit freundlichem Gruß

Koch"

Die persönliche Einschätzung

Ich muss sagen, dass ich mir selten so behindert vorgekommen bin, wie heute. Solche Leute sind es, die uns zu Behinderten machen. Ich war bei der HUK bisher guter Kunde, habe dort drei Kfz-Versicherungen, Hausrat, Gebäude- und Haftpflichtversicherung. Nun werde ich ausnahmslos alle Verträge kündigen. Ich habe trotz Oberschenkelprothese einen Motorradführerschein gemacht und fahre eine 600er Maschine solo ohne Beiwagen. Ferner habe ich 5 Jahre lang mit der Luftpistole in der Bundesliga unter lauter Nichtbehinderten geschossen - und da kommen die und verweisen auf meinen angegriffenen Gesundheitszustand.

Viele Grüße
Wolfgang Nikolaus, Fritz-Reuter-Str.11, 31840 Hessisch Oldendorf,

Tel. 05152/96 23 09
Aktenzeichen HUK: 313/011941-Y vom 03.01.2001

Die juristische Einschätzung
von Alexander Drewes vom Forum behinderter JuristInnen

Problemstellung:
Nach gegenwärtiger Rechtslage ist eine Diskriminierung Behinderter im Versicherungsrecht nicht nur erlaubt, sondern versicherungstechnisch sogar geboten. Dabei sprechen die Versicherungsrechtler bei Behinderten von sog. "schlechten Risiken", d.h., lässt sich eine Versicherung zu den normalen Konditionen auf einen Versicherungsvertrag (insbesondere bei Kranken-, Unfall- und Lebensversicherungen) ein, schadet sie im Grunde genommen nicht nur sich selbst sondern der Versichertengemeinschaft insgesamt, da das Risiko bei behinderten Menschen, die Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen, als weitaus höher eingeschätzt wird als bei nicht behinderten Menschen.

Lösungsansatz:
Die bisherige Regelung wirkt eklatant diskriminierend. Es liegt regelmäßig nicht im Verantwortungsbereich des behinderten Menschen, von einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung betroffen zu sein; selbst in den Fällen, in denen dies dennoch der Fall ist, nimmt die bisherige Gesetzgebung einen Status der Behinderungseigenschaft im allgemeinen unabhängig von ihrer Entstehung an.

Der Entwurf des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes (BehGleichstG) sieht nunmehr vor, dass eine Diskriminierung im Rechtsverkehr grundsätzlich verboten wird. Speziell bei Verträgen, die mit einer großen Anzahl von Personen abgeschlossen wird (hier also auch Versicherungsverträge), ist es nach dem Gesetzentwurf zukünftig untersagt, den Abschluss des Vertrages allein aufgrund der Behinderung zu verweigern (Art. 1 § 5 Abs. 1 Ziff. 1 BehGleichstG) oder in nachteiliger Weise anders gestaltet wird, als dies bei nicht behinderten Menschen der Fall ist (Art. 1 § 5 Abs. 1 Ziff. 4 BehGleichstG). Letzterer Fall ist bis heute der weitaus häufigere im Versicherungsrecht. Zwar wird auch behinderten Menschen der Versicherungsschutz in aller Regel nicht völlig versagt (insofern zeigt sich in obigem Fall ein besonders krasses Beispiel), aber regelmäßig werden die Vertragsbedingungen gegenüber Menschen mit Behinderungen ungünstiger gestaltet. Dies kann einmal darin liegen, dass die Versicherungsprämien teilweise ein Mehrfaches des eigentlichen Satzes betragen, kann aber auf der anderen Seite auch bedeuten, dass der Versicherungsschutz Einschränkungen erfährt. Sofern das BehGleichstG wirklich Gesetz wird, kann sich eine Versicherungsgesellschaft in Zukunft weder darauf berufen, einen behinderten Menschen überhaupt nicht oder nur unter wesentlich verschlechterten Bedingungen als gewöhnlich zu versichern.

Quelle: NETZWERK ARTIKEL 3 – Ottmar Miles-Paul