Entwurf der Staatsregierung:

 

Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze

(Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung und Änderungsgesetze – BayBGG uÄndG)

(Stand 19.07.2002)

 

A)    Problem

 

Gleichstellung und Integration von Menschen mit Behinderung sowie deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind die wichtigsten Ziele Bayerischer Behindertenpolitik. In vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sind hier noch Verbesserungen möglich. Dabei stehen im Vordergrund:

 

·         die Umsetzung des Benachteiligungsverbots des Art. 118a Bayerische Verfassung

·         Bejahung des Lebens jedes Menschen unabhängig von einer Behinderung sowie der Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens

·         die Beseitigung und die Verhinderung der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung

·         die Sicherung einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft

·         die Gewährleistung einer selbstbestimmten Lebensführung

·         die Schaffung und Förderung der Barrierefreiheit in den gestalteten Lebensbereichen

·         die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache

·         die Ergänzung der Regelungen des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes für den Kompetenzbereich des Freistaates Bayern

 

 

B)    Lösung

 

Die oben genannten Ziele lassen sich durch die Schaffung eines Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze erreichen (Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung und Änderungsgesetz – BayBGG uÄndG). Das Gesetz umfasst:

 

·         eine Zusammenfassung der öffentlich-rechtlichen Regelungen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in einem eigenen Gesetz: dem „Bayerischen Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz“ (BayBGG)

·         die Schaffung spezieller Regelungen gegen Benachteiligung für den Bereich der öffentlichen Verwaltung in Bayern

·         die barrierefreie Gestaltung von Intra- und Internetauftritten der öffentlichen Hand

·         die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache für das Verwaltungsverfahren in Bayern

·         die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs sowie öffentlich zugänglicher Neubauten

·         die Einrichtung von Behindertenbeauftragten auf Landes- und kommunaler Ebene

·         die erleichterte Teilnahme von Menschen mit Behinderung an Landtags- und Kommunalwahlen

 

 

C)    Alternativen

 

Keine.

 

 

D)    Kosten

 

Die nachstehenden Aussagen zu den Kosten des Gesetzes sind dem Staat, den Kommunen, der sonstigen mittelbaren Staatsverwaltung, der Wirtschaft und dem Bürger zugeordnet.

 

1.       Kosten für den Staat

 

·         Kostenerstattung für Gebärdensprachdolmetscher und andere Kommunikationshilfen

Im Rahmen der Regelung kommen Kosten auf den Staat zu, deren Höhe von der noch zu erlassenden Rechtsvorschrift abhängt. Die Staatsregierung schätzt die Gesamtkosten für Staat, Kommunen und mittelbare Staatsverwaltung auf ca. 960.000 € im Jahr

·         Barrierefreie Bescheide und Vordrucke

Im Rahmen der Regelung kommen Kosten auf den Staat zu, deren Höhe von der noch zu erlassenden Rechtsvorschrift abhängt. Eine Seite in Braille-Schrift wird mit 0,35 € veranschlagt; das Besprechen einer Hörkassette kostet 5 € je angefangene Kassette.

·         Barrierefreies Internet und Intranet

Die Kosten der barrierefreien Gestaltung eines Internet-/Intranetauftritts liegen zwischen 8.000 € und 20.000 €. Wird Barrierefreiheit von Anfang an berücksichtigt, liegen die Kosten deutlich niedriger.

·         Barrierefreies Bauen

Es fallen meist nur geringe Planungsmehrkosten an.

·         Stimmzettelschablonen bei Landtagswahlen

Die Mehrkosten für die nächsten Landtagswahlen werden auf ca. 114.000 € beziffert.

(1% der Wahlkosten)

 

·         Öffentlicher Personennahverkehr

Mehrkosten sind denkbar, Regelung steht aber unter Maßgabe der wirtschaftlichen Machbarkeit für Neuanschaffung und unter Haushaltsvorbehalt für die Umrüstung.

 

 

2. Kosten der Kommunen

 

·         Gesetzliche Verankerung von kommunalen Behindertenbeauftragten

Die Kosten für die Kommunen hängen von der konkreten Ausgestaltung ab. Ehrenamt ist möglich.

·         Stimmzettelschablone bei Gemeinde- und Landkreiswahlen

Bei Durchführbarkeit: Mehrkosten in Höhe von 1% der Wahlkosten.

·         Die Ausführungen zur Kostentragung für Gebärdensprachdolmetscher, die Gestaltung von Bescheiden, barrierefreies Internet, barrierefreies Bauen und den ÖPNV unter Abschnitt 1 gelten entsprechend.

 

3. Kosten der sonstigen mittelbaren Staatsverwaltung

 

·         Hochschulgesetz

Nur geringe Mehrkosten.

·         Barrierefreie Medien

Es sind nur geringe Mehrkosten denkbar.

·         Die Ausführungen für Gebärdensprachdolmetscher, die Gestaltung von Bescheiden, barrierefreies Internet, und barrierefreies Bauen unter Abschnitt 1 gelten entsprechend

 

4. Kosten für die Wirtschaft

 

·         Barrierefreies Bauen

Nur geringe Planungsmehrkosten.

·         Öffentlicher Personennahverkehr

Mehrkosten sind denkbar, Regelung steht aber unter Maßgabe der wirtschaftlichen Machbarkeit.

 

5. Kosten für den Bürger

 

·         Barrierefreies Bauen

Nur geringe Planungsmehrkosten.

 


805-9-A

Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von

Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze

 

Inhaltsübersicht

 

§ 1

Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz - BayBGG)

 

§ 2

Änderung des Landeswahlgesetzes

 

§ 3

Änderung der Gemeindeordnung

 

§ 4

Änderung der Landkreisordnung

 

§ 5

Änderung der Bezirksordnung

 

§ 6
Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

 

§ 7

Änderung der Bayerischen Bauordnung

 

§ 8

Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes

 

§ 9

Änderung des Denkmalschutzgesetzes

 


§ 10

Änderung des Straßen- und Wegegesetzes

 

§ 11

Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern

 

§ 12

In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten

 


§ 1

 

Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung

(Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz - BayBGG)

 

Inhaltsübersicht

 

Abschnitt 1

Allgemeine Bestimmungen

 

Art. 1 Gesetzesziele

Art. 2 Behinderung

Art. 3 Frauen mit Behinderung

Art. 4 Barrierefreiheit

Art. 5 Benachteiligung

Art. 6 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen

Art. 7 Sicherung der Teilhabe

Art. 8 Selbsthilfe-Organisationen

 

 

Abschnitt 2

Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

 

Art. 9 Benachteiligungsverbot

Art. 10 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

Art. 11 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen

Art. 12 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken

Art. 13 Barrierefreies Internet und Intranet

Art. 14 Barrierefreie Medien

 

Abschnitt 3

Rechtsbehelfe

 

Art. 15 Rechtsschutz durch Verbände

Art. 16 Verbandsklagerecht

 

Abschnitt 4

Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange behinderter Menschen

 

Art. 17 Amt des Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung

Abschnitt 1

 

Allgemeine Bestimmungen

 

Art. 1

Aufgaben und Ziele

 

(1) Aus der Bejahung des Lebens jedes Menschen erwächst die Aufgabe, geborenes und ungeborenes Leben umfassend zu schützen.

 

(2) Gleichstellung und soziale Eingliederung von Menschen mit Behinderung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

 

(3) 1Ziel dieses Gesetzes ist es, das Leben und die Würde von Menschen mit Behinderung zu schützen, ihre Benachteiligung zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. 2Dabei gilt der Grundsatz der ganzheitlichen Betreuung und Förderung. 3Den besonderen Bedürfnissen wird Rechnung getragen.

 

Art. 2

Behinderung

 

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

 

Art. 3

Frauen mit Behinderung

 

1Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind die besonderen Belange behinderter Frauen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. 2Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von behinderten Frauen und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.

 

Art. 4

Barrierefreiheit

 

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

 

Art. 5

Benachteiligung

 

Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderung ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch behinderte Menschen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden.

 

Art. 6

Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen

 

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.

 

(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.

 

(3) 1Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. 2Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden. 3Aufwendungen der in Satz 1 genannten Personen für die Verwendung der Gebärdensprache oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen werden nur nach Maßgabe des Art. 11 erstattet.

 

Art. 7

Sicherung der Teilhabe

 

(1) 1Die zuständigen Staatsministerien entwickeln Fachprogramme mit dem Ziel der Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft und am gesellschaftlichen Leben sowie der Verbesserung des Qualitätsmanagements bei Beratung und Versorgung von Menschen mit Behinderung, von Menschen die von einer Behinderung bedroht sind und von psychisch kranken Menschen. 2Fachprogramme im Sinn von Satz 1 sind insbesondere der Bayerische Behindertenplan, der Bayerische Psychiatrieplan, einschließlich des Suchtprogramms, und die Leistungsbeschreibung von Frühförderstellen Bayerns.

 

(2) Dabei soll insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung, Menschen mit schweren Verhaltensstörungen und Menschen mit psychischer Erkrankung, die sowohl im ambulanten als auch im teil- und vollstationären Bereich großen Hilfebedarf haben, eine Teilhabe an der Gesellschaft und am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.

 

Art. 8

Selbsthilfe-Organisationen

 

Die Selbsthilfe-Organisationen von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit und von deren Angehörigen nehmen für die Sicherung der Teilhabe wichtige Aufgaben im Bereich der Behindertenhilfe wahr.

 

Abschnitt 2

 

Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

 

Art. 9

Benachteiligungsverbot

 

(1) 1Die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Bayern mit Ausnahme der Staatsanwaltschaften, die Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Träger öffentlicher Gewalt) sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in Art. 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten. 2Ferner ist darauf hinzuwirken, dass auch Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden, diese Ziele berücksichtigen.3In Bereichen bestehender Benachteiligungen behinderter Menschen gegenüber nicht behinderten Menschen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. 4Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen behinderter Frauen Rechnung zu tragen.

 

(2) Ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Abs. 1 Satz 1 darf Menschen mit Behinderung nicht benachteiligen.

 

(3) Besondere Benachteiligungsverbote zu Gunsten von behinderten Menschen in anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

 

Art. 10

Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

 

(1) 1Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Bayern sowie entsprechende Bauten der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. 2Gleiches gilt für Tageseinrichtungen für Kinder, die von einem Träger öffentlicher Gewalt nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 getragen werden. 3Von den Anforderungen nach den Sätzen 1 und 2 kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. 4Die Regelungen der Bayerischen Bauordnung bleiben unberührt.

 

(2) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.

 

Art. 11

Recht auf Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen

 

(1) 1Hör- oder sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. 2Die Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 haben dafür auf Antrag der Berechtigten nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2, die notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

 

(2) Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung,

 

1.         Voraussetzungen und Umfang des Anspruch nach Abs. 1 Satz 1, wobei eine Regelung dahingehend getroffen werden kann, dass ein Anspruch nur dann besteht, wenn der hör- oder sprachbehinderte Mensch einen Gebärdensprachdolmetscher, einen Gebärdensprachkursleiter oder eine sonstige gem. Nummer 4 anerkannte Kommunikationshilfe selbst zur Verfügung stellt,

2.         Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs nach Abs. 1 Satz 2,

3.         Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen für die Dolmetscherdienste oder den Einsatz anderer geeigneter Kommunikationshilfen und

4.         Kommunikationsformen, die als andere geeignete Kommunikationshilfen im Sinn des Absatzes 1 anzusehen sind.

 

(3) Für die Anerkennung von Prüfungen für Gebärdensprachkursleiter erlässt die Staatsregierung eine Rechtsverordnung, in der zu regeln ist:

 

1.       die Prüfungsart,

2.       das Prüfungsverfahren,

3.       die Übertragbarkeit der Zuständigkeit zur Abhaltung der Prüfung auf geeignete Institute und die Regelung der Vergütung in diesen Fällen und

4.       die Voraussetzungen der Anerkennung von bereits tätigen Gebärdensprachkursleitern ohne Ablegung der Prüfung.


 

Art. 12

Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken

 

(1) 1Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 haben bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung von Menschen zu berücksichtigen. 2Blinde, erblindete und sehbehinderte Menschen können nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. 3Vorschriften über Form, Bekanntmachung und Zustellung von Verwaltungsakten bleiben unberührt.

 

(2) Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, unter Berücksichtigung der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten , unter welchen Voraussetzung und in welcher Art und Weise die in Absatz 1 genannten Dokumente blinden, erblindeten und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden.

 

Art. 13

Barrierefreies Internet und Intranet

 

1Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Intranet- und Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenden Verordnung schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. 2Die Staatsregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, nach Maßgabe der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten:

 

1.    die in den Geltungsbereich der Verordnung einzubeziehenden Gruppen behinderter Menschen,

2.    die anzustrebenden technischen Standards sowie den Zeitpunkt ihrer verbindlichen Anwendung,

3.       die zu gestaltenden Bereiche und Arten amtlicher Informationen,

4.       Übergangsfristen zur Anpassung bereits bestehender Angebote.

 

Art. 14

Barrierefreie Medien

 

Diejenigen Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1, denen kommunikationspolitische Angelegenheiten übertragen sind, sollen darauf hinwirken, dass auch der von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 nicht unmittelbar erfasste öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten die in Art. 1 genannten Ziele aktiv fördert und bei der Planung von Maßnahmen beachten soll.

 

Abschnitt 3

 

Rechtsbehelfe

 

Art. 15

Rechtsschutz durch Verbände

 

1Werden behinderte Menschen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs.1 Satz 2 oder Art. 13 Satz 1 verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis die nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) anerkannten Verbände sowie deren bayerische Landesverbände, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. 2Gleiches gilt bei Verstößen gegen Vorschriften des Landesrechts, die einen Anspruch auf Herstellung von Barrierefreiheit im Sinn des Art. 4 oder auf Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen im Sinn des Art. 6 Abs. 3 vorsehen. 3In all diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderung selbst vorliegen.

 

Art. 16

Verbandsklagerecht

 

1Ein nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) anerkannter Verband oder dessen bayerischer Landesverband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben auf Feststellung eines Verstoßes durch Träger der öffentlichen Gewalt nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 gegen

1.       das Benachteiligungsverbot des Art. 9 Abs. 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit in Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Satz 1,

2.       die Vorschriften zur Herstellung der Barrierefreiheit in Art. 9 Abs. 1 Satz 5 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes, Art. 4 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern.

2Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist.

(2) 1Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. 2Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. 3Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt. 4Vor Erhebung der Klage nach Abs. 1 Satz 1 sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des gerügten Verstoßes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. 5§ 72 VwGO gilt entsprechend.

 

Abschnitt 4

 

Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die

Belange behinderter Menschen

 

Art. 17

Amt des Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung

 

(1) 1Der Ministerpräsident beruft für die Dauer einer Legislaturperiode eine Persönlichkeit zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik (Behindertenbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung). ²Wiederberufung ist zulässig. 3Der Behindertenbeauftragte ist unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend tätig. 4Er kann von seinem Amt vor Ablauf seiner Amtszeit nur abberufen werden, wenn eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Amtsenthebung von Richtern auf Lebenszeit dies rechtfertigt.

 

(2) Der Behindertenbeauftragte berät die Staatsregierung bei der Fortentwicklung und Umsetzung der Behindertenpolitik. Er

-          arbeitet hierzu mit dem Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen insbesondere bei behindertenspezifischen Anliegen zur beruflichen und gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderung zusammen,

-          bearbeitet die Anregungen von einzelnen Betroffenen, von Selbsthilfegruppen, von Behindertenverbänden und von kommunalen Behindertenbeauftragten und

-          regt Maßnahmen zur verbesserten Integration von Menschen mit Behinderung an.

 

(3) Zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 beteiligen die Staatsministerien den Behindertenbeauftragten bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit sie Fragen der Integration von Behinderten Menschen behandeln oder berühren.

 

(4) Der Behindertenbeauftragte unterrichtet den Ministerrat zweimal pro Legislaturperiode über die Ergebnisse seiner Beratungstätigkeit.

 

(5) 1Der Behindertenbeauftragte ist dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen zugeordnet. 2Die für die Erfüllung seiner Aufgabe notwendigen Ausgaben trägt das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen nach Maßgabe des Staatshaushalts. 3Er ist ehrenamtlich tätig. 4Er erhält eine Aufwandsentschädigung, deren Höhe im Haushaltsplan festgelegt wird.“

 

(6) Der Behindertenbeauftragte bindet die Verbände, welche die Belange behinderter Menschen fördern, in geeigneter Weise in seine Arbeit ein.

 

 


§ 2

 

Änderung des Landeswahlgesetzes

 

Dem Art. 17 des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid (Landeswahlgesetz – LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 05. Juli 2002 (GVBl S. 277, BayRS 111-1-I ) wird folgender Absatz 3 angefügt:

 

„(3) Blindenvereinen, die ihre Bereitschaft zur Herstellung von Stimmzettelschablonen erklärt haben, werden die durch die Herstellung und Verteilung der Stimmzettelschablonen veranlassten notwendigen Ausgaben erstattet.“


§ 3

 

Änderung der Gemeindeordnung

 

Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) wird wie folgt geändert:

 

1.       In die Inhaltsübersicht wird im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, folgender Buchstabe e eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter Art. 44 a

Art. 44 a Behindertenbeauftragter“

 

2.       Im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, wird folgender Buchstabe e (Art. 44 a) eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter

 

Art. 44 a

Behindertenbeauftragter

 

1Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sollen die kreisfreien Gemeinden eine Persönlichkeit zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik (Behindertenbeauftragter) bestellen. 2Näheres wird durch Satzung bestimmt.“


§ 4

 

Änderung der Landkreisordnung

 

Die Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung – LKrO) vom 22. August 1998 (GVBl S. 826, BayRS 2020-3-1-I)), zuletzt geändert durch § 3 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S.140), wird wie folgt geändert:

 

1.       In die amtliche Inhaltsübersicht wird im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, folgender Buchstabe e eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter Art. 39 a

Art. 39 a Behindertenbeauftragter“

 

2.       Im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, wird folgender Buchstabe e (Art. 39 a) eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter

 

„Art. 39 a

Behindertenbeauftragter

 

1Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sollen die Landkreise eine Persönlichkeit zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik (Behindertenbeauftragter) bestellen. 2Näheres wird durch Satzung bestimmt.“


§ 5

 

Änderung der Bezirksordnung

 

Die Bezirksordnung für den Freistaat Bayern (Bezirksordnung – BezO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl S.850, BayRS 2020-4-2-I), zuletzt geändert durch § 14 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S.140), wird wie folgt geändert:

 

1.       In die Inhaltsübersicht wird im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, folgender Buchstabe e eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter Art. 34 a

Art. 34 a Behindertenbeauftragter“

 

2.       Im Zweiten Teil, 1. Abschnitt, wird folgender Buchstabe e (Art. 34 a) eingefügt:

 

„e) Behindertenbeauftragter

 

Art. 34 a

Behindertenbeauftragter

 

1Zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sollen die Bezirke eine Persönlichkeit zur Beratung in Fragen der Behindertenpolitik (Behindertenbeauftragter) bestellen. 2Näheres wird durch Satzung bestimmt.“


§ 6

 

Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

 

Art. 58 Satz 2 Nr. 7 des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) in der Fassung vom 5. April 2000 (GVBl S. 198, BayRS 2021-1/2-I), geändert durch § 15 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S.140), wird folgender Halbsatz angefügt:

 

     „wobei auch barrierefreie Regelungen für blinde, erblindete und stark sehbehinderte Wähler und zur Einbeziehung von Blindenvereinigungen in Herstellung und Verteilung von Stimmzettelschablonen samt Kostenerstattung getroffen werden können,“


§ 7

 

Änderung der Bayerischen Bauordnung

 

Die Bayerische Bauordnung (BayBO) wird wie folgt geändert:

 

1.       Art. 46 wird wie folgt geändert:

 

a)       Es wird folgender neuer Absatz 2 eingefügt:

 

„(2) 1In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. 2In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische mit dem Rollstuhl zugänglich sein. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Anforderungen, insbesondere wegen schwieriger Geländeverhältnisse, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs oder wegen ungünstiger vorhandener Bebauung, nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erfüllt werden können.“

 

b)       Die bisherigen Absätze 2 bis 5 werden Absätze 3 bis 6.

 

2.       Art. 51 wird wie folgt geändert:

 

a)       Die Überschrift erhält folgende Fassung:

 

„Barrierefreies Bauen“

 

b)       Absatz 1 erhält folgende Fassung:

 

„(1) 1Bauliche Anlagen und andere Anlagen und Einrichtungen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen so errichtet und instand gehalten werden, dass sie von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. 2Diese Anforderungen gelten insbesondere für

1.       Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,

2.       Tageseinrichtungen für Kinder

3.       Sport- und Freizeitstätten,

4.       Einrichtungen des Gesundheitswesens,

5.       Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,

6.       Verkaufsstätten,

7.       Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.

3Sie gelten nicht bei Nutzungsänderungen, wenn die Anforderungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erfüllt werden können. 4Die Anforderungen an Gaststätten sind im Rahmen der gaststättenrechtlichen Erlaubnis zu beachten.

 

c)       Absatz 2 wird wie folgt geändert:

 

aa)   In Satz 1 wird „Behinderten“ durch „Menschen mit Behinderung“ ersetzt.

 

bb)   In Satz 1 wird „3. Tageseinrichtungen für Kinder“ gestrichen.

 

d)         Absatz 4 erhält folgende Fassung:

 

„(4) 1Bauliche Anlagen und andere Anlagen nach Abs. 1 und 2 müssen durch einen Eingang mit einer lichten Durchgangsbreite von mindestens 0,90 m stufenlos erreichbar sein. 2Vor Türen muss eine ausreichende Bewegungsfläche vorhanden sein. 3Rampen dürfen nicht mehr als 6 v.H. geneigt sein; sie müssen mindestens 1,20 m breit sein und beidseitig einen festen und griffsicheren Handlauf haben. 4Am Anfang und am Ende jeder Rampe ist ein Podest, alle 6 m ein Zwischenpodest anzuordnen. 5Die Podeste müssen eine Länge von mindestens 1,50 m haben. 6Treppen müssen an beiden Seiten Handläufe erhalten, die über Treppenabsätze und Fensteröffnungen sowie über die letzte Stufe zu führen sind. 7Die Treppen müssen Setzstufen haben. 8Flure müssen mindestens 1,50 m breit sein. 9Ein Toilettenraum muss auch für Benutzer von Rollstühlen geeignet und erreichbar sein; er ist zu kennzeichnen. 10Art. 39 Abs. 6 gilt auch für Gebäude mit weniger als sechs Vollgeschossen, soweit Geschosse für Menschen mit Rollstühlen stufenlos erreichbar sein müssen.“

 

e)         Es wird folgender Absatz 5 angefügt:

 

„(5) Die Absätze 1, 2 und 4 gelten nicht, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnisse, ungünstiger vorhandener Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit von Menschen mit Behinderung oder alten Menschen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.“


§ 8

 

Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes

 

Das Bayerische Hochschulgesetz (BayHSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Oktober 1998 (GVBl S.740, BayRS 2210-1-1-WFK), zuletzt geändert durch § 36 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S.140), wird wie folgt geändert:

 

1.       Art. 2 Abs. 4 wird wie folgt geändert:

 

a)       Es wird folgender neuer Satz 3 eingefügt:

 

3Die Hochschulen tragen dafür Sorge, dass Studierende mit Behinderung in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können.“

 

b)       Der bisherige Satz 3 wird Satz 4.

 

2.       Art. 71 Abs. 1 wird folgend geändert:

 

a)       Der bisherige Wortlaut wird Satz 1

 

b)       Es wird folgender Satz 2 angefügt:

 

2Dabei sollen die besonderen Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.“

 

3.       Art. 81 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

 

a)       Es wird folgender neuer Satz 3 eingefügt:

 

3„Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange der Studierenden mit Behinderung zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen.“

 

b)    Der bisherige Satz 3 wird Satz 4.

 

 


§ 9

 

Änderung des Denkmalschutzgesetzes

 

Dem Art. 6 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Denkmalschutzgesetz – DSchG) vom 25. Juni 1973 (BayRS 2242-1-WFK), zuletzt geändert durch § 43 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S.140), wird folgender Absatz 4 angefügt:

 

„(4) Bei Entscheidungen nach den Abs. 1 bis 3 sind auch die Belange von Menschen mit Behinderung und von Menschen mit sonstigen Mobilitätsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen.“


§ 10

 

Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes

 

Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes - BayStrWG - (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch § 3 des Gesetzes vom 27. Dezember 1999 (GVBl S. 532), wird wie folgt geändert:

 

1.       In Satz 4 werden die Worte „die Belange der Behinderten, älteren Menschen“ durch die Worte „die Belange der älteren Menschen“ ersetzt

 

2.       Es wird folgender Satz 5 angefügt:

 

5„Die Belange von Menschen mit Behinderung und von Menschen mit sonstigen Mobilitätsbeeinträchtigungen werden berücksichtigt mit dem Ziel, Barrierefreiheit ohne besondere Erschwernis zu ermöglichen, soweit nicht andere überwiegende öffentliche Belange, insbesondere solche der Verkehrssicherheit, entgegenstehen.“

 

 


§ 11

 

Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern

 

Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (BayÖPNVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juli 1996 (GVBl S.336, BayRS 922-1-W), geändert durch § 68 des Gesetzes vom 24. April 2001 (GVBl S. 140), wird wie folgt geändert:

 

1.       Es werden folgende Sätze 3 und 4 angefügt:

 

3„Fahrzeuge sind bei Neubeschaffung und Neuherstellung, bauliche Anlagen bei Neubauten sowie großen Um- oder Erweiterungsbauten im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten barrierefrei zu gestalten. 4Bestehende Fahrzeuge und Anlagen sind im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Machbaren und der verfügbaren Stellen und Mittel umzurüsten.“

 

2.       Der bisherige Satz 3 wird Satz 5.

 


§ 12

 

In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten

 

1Dieses Gesetz tritt am 01.    2003 in Kraft. 2Art. 1 tritt mit Ablauf des 31.    (Ablauf von 10 Jahren) außer Kraft.


Begründung:

 

Allgemeiner Teil

 

Notwendigkeit und Ziele des Gesetzes

 

1.    Politik für Menschen mit Behinderung ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen. Von Behinderung und ihren Auswirkungen auf Art und Weise sowie Umfang der gesellschaftlichen Teilhabe sind alle Altersgruppen betroffen. Dabei sind Menschen mit Behinderung vor allem auf eine positive Akzeptanz durch die gesamte Bevölkerung angewiesen.

 

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll dem Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik, hin zu mehr Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung, Rechnung getragen werden. Menschen mit Behinderung sollen möglichst uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben im Freistaat Bayern teilhaben können, und zwar möglichst ohne stets auf die Fürsorge der Gesellschaft oder die Hilfe Dritter angewiesen zu sein.

 

Mit der Einführung von Art. 118 a in die Bayerische Verfassung im März 1998 ist diese veränderte Sichtweise auch in die Verfassung des Freistaates eingeflossen. Dabei besteht neben dem Benachteiligungsverbot des Art. 118a Abs. 1 Satz 1 Bayerische Verfassung, in dem es heißt: „Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden.“, noch der Verfassungsauftrag an den Staat im folgenden Satz 2: „Der Staat setzt sich für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung ein.“

 

2.    Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf kommt die Bayerische Staatsregierung einem lange gehegten Anliegen vieler Behinderten- und Wohlfahrtsverbände ebenso nach wie dem der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Der Gesetzesentwurf steht dabei in einer Reihe von gesetzlichen Verbesserungen für Menschen mit Behinderung wie beispielsweise der Schaffung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung des Bundes.

 

Die Bayerische Staatsregierung hat am 25. September 2001 fünfzehn Eckpunkte bayerischer Behindertenpolitik beschlossen, welche die Leitschnur für diesen Gesetzesentwurf bilden.

 

Ferner orientiert sich das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in seinen Grundaussagen und Definitionen, beispielsweise dem Behindertenbegriff oder dem Benachteiligungsverbot, am Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen des Bundes. Dadurch soll vor allem eine Vereinfachung in der Handhabung für die Verwaltung, aber auch eine einheitliche, klare und rechtssichere Handhabung für Bürgerinnen und Bürger sowie Rechtsanwender erreicht werden. So wäre es beispielsweise wenig sinnvoll, wenn der Begriff der Barrierefreiheit von Gaststätten für die bauliche Anordnung in der Bayerischen Bauordnung ein anderer wäre als im Gaststättengesetz des Bundes.

 

Dabei sind auch die Erkenntnisse und Erfahrungen der mit Beschluss des Ministerrates vom 22.12.1998 gegründeten interministeriellen Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Art. 118 a der Bayerischen Verfassung samt deren Tätigkeitsbericht berücksichtigt und eingearbeitet worden.

 

3.    Die Bayerische Staatsregierung war bei Erstellung des Gesetzesentwurfs stets an den Wünschen, Anregungen und Sorgen vor allem der betroffenen Menschen interessiert. Aus diesem Grunde wurden in vielen relevanten Fragen frühzeitig die Verbände der Menschen mit Behinderung, sei es bei „Runden Tischen“, sei es bei formlosen Abstimmungen, mit einbezogen. Gleiches gilt für die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, welche ebenfalls eng in den Entstehungsprozess dieses Entwurfes mit einbezogen wurde und stets konstruktiv zum Gelingen des Gesetzesentwurfs beigetragen hat.

 

4.    Oberstes Ziel des Gesetzesentwurfs ist die Bejahung jedweden Lebens unabhängig von Art und Schwere einer Behinderung. Dabei sollte die gesellschaftliche Akzeptanz und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Vordergrund stehen und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen und in Angriff genommen werden.

Diese Akzeptanz  und Teilhabe zu fördern, ist seit langem ein besonderes Anliegen der Bayerischen Staatsregierung, da trotz besserer Information und umfangreicher Kenntnisse über Art und Ursachen von Behinderungen und über die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung nach wie vor Vorurteile gegenüber dieser Gruppe unserer Mitmenschen bestehen. Eine offensive und systematische Aufklärung ist deshalb notwendig. Um Vorurteile abzubauen und Diskriminierungen vorzubeugen, ist die Bevölkerung für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zu sensibilisieren. Dabei kommt neben der Öffentlichkeitsarbeit des Staates auch den Selbsthilfe-Organisationen von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit eine wichtige Rolle zu, denn durch die Begegnung mit Betroffenen können Berührungsängste und damit auch Vorurteile und Missverständnisse wirksam abgebaut werden. Doch auch die Wohlfahrtsverbände, die Kommunen sowie Privatwirtschaft, Wissenschaft, Medien, Politik und Verwaltung sollen ihren Teil zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Menschen mit Behinderung beitragen.

 

5.    Auf die Änderung bestehender Verordnungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde bewusst verzichtet. Vielmehr sollen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, deren konkrete Ausgestaltung im Rahmen des Verordnungserlasses bei den zuständigen Ressorts verbleibt. Vor diesem Hintergrund wurde auch auf eine Novellierung der Gaststättenbauverordnung (vgl. Landtagsbeschluss vom 21.02.2002, Drs. 14/8849), der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung sowie der Landeswahlordnung verzichtet.

 


 

Inhaltliche Schwerpunkte des Gesetzes

 

1.    Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung

 

Das in § 1des Gesetzesentwurfs formulierte „Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung – (Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz - BayBGG)“ sieht für den öffentlich-rechtlichen Bereich allgemeine Vorschriften vor, mit denen das Ziel von Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung beschrieben wird. Es bestimmt darüber hinaus auch Instrumente zu deren Verwirklichung und Durchsetzung.

Neben einer Verbesserung für Menschen mit Körperbehinderung wird dabei auch ein Augenmerk auf Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung gelegt, da deren Behinderung aufgrund der erschwerten Wahrnehmbarkeit bislang häufig nicht hinreichend beachtet wird.

Kernpunkte des BayBGG sind, neben Begriffsbestimmungen und Definitionen, das Benachteiligungsverbot, die Verpflichtung zur Gleichstellung, Teilhabe und Barrierefreiheit sowie Verbesserungen für Menschen mit Behinderung bei der Verfolgung ihrer bestehenden Rechte.

 

2.    Benachteiligungsverbot und Verpflichtung zur Gleichstellung

 

Das Verbot, Menschen mit und ohne Behinderung ohne zwingenden Grund unterschiedlich zu behandeln, ist die Grundvoraussetzung für Gleichstellung. Mit dem Verbot werden bereits im Ansatz Benachteiligungen verhindert. Korrespondierend hierzu sind die Regelungen zu sehen, die einen aktiven Ausgleich von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung zulassen oder gar fordern.

 

3.    Belange von Frauen mit Behinderung

 

Die Berücksichtigung der besonderen Belange von Frauen mit Behinderung ist sowohl in einer eigenständigen, zentralen Vorschrift des BayBGG als auch in weiteren Einzelvorschriften erfolgt. Daneben wird die Zulässigkeit besonderer Maßnahmen zur Förderung von Frauen mit Behinderung explizit geregelt.

 

4.    Gesellschaftliche Akzeptanz

 

Ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik hin zu Teilhabe und selbstständiger Lebensweise von Menschen mit Behinderung kann auf Dauer nur gelingen, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit Behinderung gestärkt wird. Dabei ist die Bevölkerung dahingehend zu sensibilisieren, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger sind. Der dazu notwendige Abbau von Vorurteilen gegenüber Menschen mit Behinderung lässt sich am besten durch Begegnung erreichen. Begegnung schafft Integration. Sich Begegnen kann von und miteinander lernen bedeuten.

Diesem übergeordneten Ziel tragen sämtliche Regelungen zur Barrierefreiheit Rechnung. Begegnung und das Auseinandersetzen miteinander ist nämlich nur dann möglich, wenn sich der Einzelne auch möglichst barrierefrei und damit selbstständig in seiner Umwelt und der Gesellschaft bewegen kann. Barrierefreiheit ist somit eine der elementaren Grundvoraussetzungen für die Akzeptanz und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

 

5.    Integration und Sicherung der Teilhabe

 

Neben der medizinischen, schulischen und beruflichen Rehabilitation bedeuten die bereits bestehenden Hilfeangebote der sozialen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung einen besonderen Beitrag zur Integration. Zu diesen Angeboten zählen Freizeit- und Begegnungsveranstaltungen, Bildungsmaßnahmen, Sport, Angebote der Blindenhörbücherei oder der Videothek für Hörgeschädigte, Hilfen zur Erleichterung der Mobilität und Kommunikation und nicht zuletzt 195 Dienste der offenen Behindertenarbeit, die entsprechend dem Dritten Bayerischen Landesplan für Menschen mit Behinderung weiter ausgebaut werden. Dieser Bereich soll auch in Zukunft weiter verstärkt werden, wozu eine übergreifende Koordinierung und die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Fachprogramme notwendig sind.

 

Entscheidende Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderung ihren Platz in der Gemeinschaft finden, ist die Akzeptanz derer, die nicht von Behinderung betroffen sind. In diesem Zusammenhang ist es wünschenswert, dass sich bereits Kinder im Kindergarten und in der Grundschule mit Behinderung auseinander setzen und dass auch die Behinderung von Eltern nicht zu einer Ausgrenzung führt.

 

Die Regelung in den Bereichen Erziehung und Schule bleiben jedoch den Fachgesetzen vorbehalten.

 

6.    Barrierefreiheit

 

Barrierefreiheit wird nicht nur als Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer und gehbehinderte Menschen oder die kontrastreiche Gestaltung der Lebensumwelt für sehbehinderte Menschen verstanden. Eine barrierefreie Kommunikation für blinde oder sehbehinderte Menschen in den elektronischen Medien ist hierbei genauso gemeint, wie die Kommunikation hör- und sprachbehinderter Menschen mittels Gebärdensprachdolmetscher oder über andere Kommunikationshilfen. Für Menschen mit geistiger Behinderung kann Barrierefreiheit beispielsweise durch das vermehrte Anbringen von technischen Hilfsmitteln wie Piktogrammen erreicht werden.

 

Ausgehend von diesem Verständnis werden die bayerischen Vorschriften des öffentlichen Nahverkehrs, des Straßen- und Wegegesetzes und der Bauordnung geändert. Damit fordert der Gesetzentwurf in allen wichtigen Teilen des Alttags, in denen Menschen mit Behinderung benachteiligt oder gar ausgeschlossen sind, eine möglichst barriere- und diskriminierungsfreie Teilhabe.

Ferner wurden oder werden auch andere Landesgesetze, beispielsweise das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, geändert.

 

Die konkreten Regelungen zur Barrierefreiheit führen auf Dauer auch zu einer Verbesserung der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung. Wenn beispielsweise ein Gebäude von Anfang an barrierefrei gestaltet wird, so ist der Schritt zur Barrierefreiheit der Arbeitsstätte nicht mehr weit. Mit der beruflichen Integration erweitert sich auch die soziale Integration, so dass sich der Kreis von Gleichstellung, Teilhabe und Integration schließt.

 

7.    Kommunikation

 

Kommunikation und soziale Integration gehen Hand in Hand. Aus diesem Grunde ist die barrierefreie Kommunikation von entscheidender Bedeutung für Gleichberechtigung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Wichtige Schritte hierfür sind die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als eigenständige Sprache und die barrierefreie Gestaltung des Intra- und Internetauftritts der öffentlichen Hand. Gerade in der heutigen multimedialen Gesellschaft sollte sichergestellt sein, dass alle Mitmenschen gleichermaßen Zugriff auf die modernen Kommunikationsformen haben. Dabei bieten gerade das Internet und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten der Barrierefreiheit ungeahnte Möglichkeiten auch und gerade für Menschen mit Behinderung. So erschließen sich beispielsweise dem blinden Menschen unabhängig von einer speziellen und aufwendigen Aufbereitung in Brailleschrift und ohne auf einen Vorleser angewiesen zu sein, höchst aktuelle Informationsmöglichkeiten, vorausgesetzt die Internetseite wurde im Sinn von Barrierefreiheit gestaltet.

 

8.    Rechtliche Durchsetzung

 

Mit der Vertretungsbefugnis und dem öffentlich-rechtlichen Verbandsklagerecht erhalten Vereine und Verbände der Behinderten(selbst)hilfe das Recht, im Rahmen einer Prozessstandschaft zusammen mit dem Betroffenen oder unter bestimmten Voraussetzungen auch selbstständig, Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot geltend zu machen.

 

9.    Behindertenbeauftragter

 

Der Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung hat sich in der Vergangenheit als verlässlicher und konstruktiv arbeitender Partner sowohl der Betroffenen als auch der Träger der öffentlichen Hand gezeigt. Daher erscheint eine gesetzliche Verankerung dieses Amtes nur konsequent.

Zur Erreichung einer flächendeckenden und gesamtgesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderung ist auch die gesetzliche Fixierung des Instruments von Behindertenbeauftragen auf kommunalen Ebenen notwendig. Denn nur durch ein Wachsen der Strukturen von unten nach oben sind die Gesamtziele Gleichstellung, Integration und Teilhabe nachhaltig und umfassend verwirklichbar.

 


Einzelbegründung

 

 

§ 1 Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung

 

Das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (BayBGG) lehnt sich im Aufbau, in den Begrifflichkeiten, in seinen Definitionen und auch in den Regelungsbereichen am Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG, BGBl. I S. 1467) des Bundes vom 27. April 2002 an.

Zur Vermeidung unterschiedlicher Interpretationen und Auslegungen von BayBGG und BGG liegt auch der folgenden Begründung die Begründung zum BGG zugrunde.

 

Da das Instrument der Zielvereinbarungen des § 5 BGG auch für den Bereich des Freistaates gilt und in seinen Regelungen abschließend ist, besteht hier kein weiterer Regelungsbedarf für den Bayerischen Gesetzgeber.

 

Zu Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen

 

Abschnitt 1 enthält die Festlegungen der Gesetzesziele und grundlegende Begriffsbestimmungen.

 

Zu Art. 1 Gesetzesziele

 

Art. 1 füllt das Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderung nach Art. 118a Satz 1 Bayerische Verfassung aus. Dabei werden folgende 4 zentrale Ziele formuliert:

1.       der Schutz jedes Lebens,

2.       die Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung zu beseitigen und zu verhindern,

3.       ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und

4.        ihre selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

Damit sollen nicht nur erkannte Benachteiligungen abgewehrt, sondern auch positive Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen ergriffen werden, um Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung auch tatsächlich zu verwirklichen.

 

Gerade vor dem Hintergrund der Debatten über Präimplantationsdiagnostik scheint es wichtig, das ethisch zentrale Anliegen, dass jedes Leben umfassend zu schützen ist, festzuschreiben. In einer von Leistungs- und Anspruchsdenken geprägten Gesellschaft darf dies niemals in den Hintergrund treten.

 

Trotz des Verfassungsauftrags des Art. 118a Satz 2 Bayerische Verfassung an den Staat, sollte nicht übersehen werden, dass dieser nicht alleine in der Lage ist, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Er bedarf dafür vielmehr der Mithilfe und der Unterstützung der gesamten Bevölkerung. Nur so kann er dem Verfassungsauftrag entsprechen. Es handelt sich bei Gleichstellung und sozialer Eingliederung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung.

 

Im Vordergrund der neuen Behindertenpolitik steht dabei nicht die bloße Korrektur von Nachteilen für Menschen mit Behinderung, sondern die Schaffung von echter und gleichberechtigter Teilhabe. Dabei sind selbstverständlich die Kompensation bestehender Nachteile und die Vermeidung jeder zukünftigen Benachteiligung Grundvoraussetzung. Das Ziel der Vermeidung von Benachteiligungen soll vorbildhaft dort umgesetzt werden, wo der Freistaat Bayern dies unmittelbar gewährleisten kann. Nur so kann der Staat einen glaubhaften Anstoß für die Gesellschaft geben. Als Beispiele sind die Anerkennung der Gebärdensprache ebenso zu nennen wie die Barrierefreiheit sämtlicher öffentlicher Neubauten oder die barrierefreie Gestaltung des Internetauftritts der öffentlichen Hand.

 

Viele bisherigen Hilfestrukturen für Menschen mit Behinderung betonen noch zu stark den Geist der Sonderbehandlung und erinnern stark an eine Bevormundung. Daher ist es ein zentrales Anliegen, die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu unterstützen und ihnen eine eigene, selbstbestimmte Lebensgestaltung zu ermöglichen. Zu dem Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit gehören auch gerade die Freiräume, die Menschen mit Behinderung häufig strukturell verwehrt werden. Eine tatsächliche Gleichstellung wird aber erst durch die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten erreicht, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

 

Die Förderung und Betreuung von Menschen mit Behinderung hat dem Prinzip der Ganzheitlichkeit zu entsprechen. Der Mensch ist eine komplexe Einheit von Körper, Geist und Psyche. Er steht in seinen Lebensvollzügen in steter Wechselbeziehung zu seiner materiellen Umwelt und zu seiner gesellschaftlichen Mitwelt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, fächerübergreifenden Konzeption in der Behindertenhilfe.

 

Zu Art. 2 Behinderung

 

Die Definition von Behinderung übernimmt die im Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch festgelegte Bestimmung und folgt damit dem BGG. Dieses Vorgehen wurde vor allem mit dem Ziel gewählt, den unterschiedlichen Rechtsmaterien einen einheitlichen Behindertenbegriff zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung der Diskussion um die Weiterentwicklung der „Internationalen Klassifikation der Schädigung, Fähigkeitsstörung und Beeinträchtigung“ (ICIDH) zur „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird dabei auf die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Partizipation) und nicht mehr auf vermeintliche oder tatsächliche Defizite abgestellt. Dabei wird eine Beeinträchtigung erst dann als Behinderung gefasst, wenn sie voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird, um Menschen mit nur vorübergehenden Einschränkungen nicht in diesen Personenkreis einzubeziehen.

Der von Seiten der Betroffenen gegen diesen Begriff häufig erhobenen Kritik, dieser Behindertenbegriff sei defizitär, kann momentan nicht gefolgt werden, da im Hinblick auf eine einheitliche Handhabbarkeit ein Abweichen von der bestehenden Definition wenig sinnvoll erscheint.

Jedoch ist es notwendig, die zum Behindertenbegriff im Gange befindliche Diskussion weiter zu verfolgen und zu gegebener Zeit auch die hier getroffene Definition zu überprüfen. Konkreter Anlass hierzu wird der Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe der Bundesregierung sein, die anlässlich der Verabschiedung des BGG eingesetzt wurde (vgl. Ausschussdrucksache 14/2096).

 

Auf das Gesetz gestützte Leistungsansprüche sind hinsichtlich der Behinderteneigenschaft an einen Nachweis gebunden.

 

Zu Art. 3 Frauen mit Behinderung

 

Frauen mit Behinderung erleiden oft in doppelter Hinsicht Benachteiligungen: Sie gehören gleichzeitig sowohl der benachteiligten Gruppe der Frauen als auch der benachteiligten Gruppe der Menschen mit Behinderung an. Zugunsten beider Gruppen existieren zwar spezielle Schutzmechanismen; allerdings können diese die Kumulation von „Frau“ und „Behinderung“ nicht hinreichend abdecken.

Vorschriften über Frauenförderung können einer Frau mit Behinderung zwar in einer Konkurrenzsituation mit einem Mann helfen, nicht jedoch eine Entscheidung zugunsten einer anderen, nicht behinderten Frau verhindern. Umgekehrt können Vorschriften über die Förderung von schwerbehinderten Menschen eine behinderte Frau zwar in der Konkurrenzsituation mit einem nicht Behinderten schützen, eine Entscheidung zugunsten eines ebenfalls behinderten Mannes und damit zum Nachteil der behinderten Frau bleibt in diesem Schutzmechanismus bislang ungeregelt.

 

Vor diesem Hintergrund gibt zunächst Art. 3 Satz 1 vor, dass bei der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen die besonderen Belange von behinderten Frauen zu berücksichtigen sind.

Zusätzlich stellt Art. 3 Satz 2 klar, dass besondere Maßnahmen zur Förderung behinderter Frauen zulässig sind. Verfassungsrechtliche Grundlage hierfür sind Art. 118, 118a Bayerische Verfassung und Art. 3 Grundgesetz. Die Tatsache, dass Regelungen für Menschen mit Behinderung nicht in Art. 118 Bayerische Verfassung eingefügt wurden, sondern in einem eigenen Art. 118 a geschaffen wurden, sowie die Formulierung von Art. 118 a als ausdrückliches Benachteiligungsverbot haben zur Folge, dass hier nicht nur eine unterschiedliche Behandlung von Menschen mit Behinderung im Verhältnis zu Menschen ohne Behinderung untersagt wird. Vielmehr eröffnet dieses Konzept im Zusammenspiel mit Art. 118 Abs. 2 Satz 2 Bayerische Verfassung auch die Möglichkeit, zugunsten behinderter Frauen Maßnahmen zum Abbau bestehender Benachteiligungen zu ergreifen.

Entsprechendes gilt auch für das Grundgesetz und das Gemeinschaftsrecht.

 

Zu Art. 4 Barrierefreiheit

 

Mit dieser Definition soll deutlich werden, dass nicht nur die physischen Barrieren wie Treppen, schmale Gänge und Türen oder hohe Bordsteinkanten gemeint sind, sondern auch die kommunikativen Schranken, denen beispielsweise gehörlose Menschen ausgesetzt sind, wenn zur Verständigung mit Hörenden Gebärdensprachdolmetscher fehlen, wenn Hörgeräteträger keine entsprechenden technischen Anlagen vorfinden oder Einschränkungen mit denen blinde Menschen konfrontiert werden, wenn sie in Sitzungen Schwarzschriftdokumente nicht lesen können und keine Vorlesekräfte zur Verfügung stehen. Dabei ist aber auch den besonderen Belangen seelischer und geistiger sowie lernbehinderter Menschen Rechnung zu tragen, z. B. durch die Anbringung von technischen Hilfsmitteln wie Piktogrammen.

 

Die Definition löst die Begriffe „behindertengerecht“ und „behindertenfreundlich“ ab, die in der Kombination von „behindert“ und „gerecht“ oder „freundlich“ falsche Assoziationen hinsichtlich der besonderen Zuwendung zu Menschen mit Behinderung auslösen können. Vielmehr geht es darum, das Lebensumfeld allgemein für alle Menschen so zu gestalten, dass möglichst niemand ausgeschlossen wird und dass es von allen gleichermaßen genutzt werden kann. Dieser Gedanke einer wenn immer möglichen Vermeidung von Sonderlösungen zugunsten einer die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung selbstverständlich einbeziehenden gesellschaftlichen Gestaltung entspricht nicht nur einer zeitgemäßen Auffassung von Architektur und Design, sondern auch dem Grundgedanken der Partizipation. Während Sonderlösungen häufig mindere Standards bieten, kostenintensiv zu verwirklichen sind und nur begrenzte Spielräume eröffnen, ermöglichen allgemeine Lösungen eher die uneingeschränkte Teilhabe ohne oder mit nur geringen zusätzlichen Kosten. Dieser Ansatz berücksichtigt auch die internationale behindertenpolitische Diskussion, die auf „Einbeziehung“ in die allgemeine soziale Umgebung statt auf spezielle Rehabilitation- und Integrationsbemühungen setzt, die bereits begrifflich die vorherige Ausgliederung und Besonderung voraussetzen.

 

Die in der Vorschrift beispielhaft und nicht abschließend aufgezählten Lebensbereiche sollen deutlich machen, dass vollständige Barrierefreiheit grundsätzlich einen umfassenden Zugang und eine uneingeschränkte Nutzung aller Lebensbereiche voraussetzt. Welche Anforderungen in den jeweiligen speziellen Bereichen an die Barrierefreiheit im Einzelnen gestellt werden, wird in den speziellen Rechtsvorschriften geregelt und ausgeführt. Dabei ist auf eine grundsätzlich selbstständige Teilhabe / Nutzungsmöglichkeit von Menschen mit Behinderung ohne fremde Hilfe abzustellen. Das schließt aber nicht aus, dass behinderte Menschen dennoch wegen ihrer Beeinträchtigung auch bei optimaler Gestaltung der Lebensbereiche auf Hilfe angewiesen sein können. Vorrang soll jedoch die selbstständige Nutzungsmöglichkeit haben.

 

Auch soll die Gestaltung nicht auf die spezielle Ausprägung nur einer Behinderung, sondern auf eine möglichst allgemeine Nutzbarkeit abgestimmt werden. Spezielle Lösungen, die eine Zugänglichkeit nur über Hinter- oder Nebeneingänge zulassen oder längere Umwege erfordern, ermöglichen die Nutzung nicht in der allgemein üblichen Weise, stellen besondere Erschwernisse dar und lösen häufig weiteren Hilfebedarf aus. Solche Gestaltungen sind zu vermeiden.

 

Die Anforderungen der Barrierefreiheit beziehen sich nur auf die gestalteten Lebensbereiche, die von den natürlichen abzugrenzen sind. Dabei ist aber die durch Wege erschlossene Landschaft grundsätzlich ein gestalteter Lebensbereich. Barrierefreiheit ist daher eine Zielvorgabe für die Gestaltung der Lebensbereiche, die häufig nur in einem begrenzten Umfang erreicht und verlangt werden kann. Die einzufordernden Standards der Barrierefreiheit sind zudem einem ständigen Wandel unterworfen und werden spezifisch für einzelne Regelungsbereiche teils durch DIN-Normen, teils durch allgemeine technische Standards und teils über Programme oder Pläne festgelegt.

 

Zu Art. 5 Benachteiligung

 

Art. 5 enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Benachteiligung. Eine unterschiedliche Behandlung von Menschen mit und ohne Behinderung ist danach verboten, soweit hierfür nicht ein zwingender Grund vorliegt. Mit diesem Erfordernis wird zugleich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, das eine rechtliche Schlechterstellung von Menschen mit Behinderung nur dann für zulässig erachtet, „wenn zwingende Gründe dafür vorliegen“ (BverfGE 99, 341, 357). Die nachteiligen Auswirkungen müssen „unerlässlich“ sein, um behinderungsbezogenen Besonderheiten Rechnung zu tragen (BverfG aaO). Entsprechend des konzeptionellen Hintergrundes des verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbotes wird hierdurch nur eine solche unterschiedliche Behandlung verboten, die einen Menschen mit Behinderung in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt, d.h. seine rechtliche oder tatsächliche Position verschlechtert. Verzichtet wird in dieser Definition auf das Erfordernis, dass die unterschiedliche Behandlung gerade „wegen der Behinderung“ erfolgte.

 

Zu Art. 6 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen

 

Art. 6, welcher wortgleich mit § 8 BGG ist, soll die Anerkennung der genannten Kommunikationsformen auch durch den Landesgesetzgeber klarstellen und damit unmissverständlich einen harmonischen Abschluss der bundesgesetzlichen Regelung sowie eine einheitliche Rechtsanwendung ermöglichen.

 

Abs. 1 erkennt die Deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache an. Die von hörbehinderten Menschen verwandte Deutsche Gebärdensprache wird als eine der deutschen Lautsprache ebenbürtige Form der Verständigung respektiert.

 

Abs. 2 erkennt lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsform der deutschen Sprache an.

 

Abs. 3 bestimmt, dass allen Untergruppen der hörbehinderten Menschen (Gehörlosen, Ertaubten und Schwerhörigen) sowie auch sprachbehinderten Menschen das Recht zusteht, nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften die Deutsche Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationsformen zu verwenden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der betroffene Personenkreis die Amtssprache nicht erlernen oder nicht (mehr) uneingeschränkt verwenden kann und ihm deshalb andere Kommunikationsmöglichkeiten mit Trägern öffentlicher Gewalt zur Verfügung gestellt werden sollen. Zur Gruppe der hörbehinderten Menschen zählen auch taubblinde Menschen; ihre besondere Kommunikationsform, das Lormen, ist ebenfalls von Abs. 3 erfasst.

Zu den sprachbehinderten Personen gehören beispielsweise auch Menschen, die wegen einer autistischen Störung in ihrer Kommunikation beeinträchtigt sind.

 

Mit dem Verweis auf die einschlägigen Gesetze wird klargestellt, dass der konkrete Anspruch des Betroffenen auf Verwendung einer dieser Kommunikationsformen im Einzelfall noch nicht in Art. 6 eingeräumt wird. Die konkrete Ausprägung des Anspruchs nach Voraussetzung, Umfang und Kostentragung richtet sich vielmehr nach den für den betroffenen Lebensbereich jeweils einschlägigen Gesetzen. Aufgrund der weitreichenden Regelungen durch Bundesgesetze und der eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz der Länder wird der nähere Anspruch für den Bereich der öffentlichen Verwaltung in Art. 11 geregelt.

 

Zu Art. 7 Sicherung der Teilhabe

 

Sicherung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist eines der zentralen Anliegen des BayBGG.

 

Aufgrund der Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit der Behinderungen und deren Variationen und Kombinationen erscheint eine Koordination der verschiedenartigen Beratungs- und Hilfeangebote notwendig. Voraussetzungen dafür sind jedoch eine flächendeckende Erfassung der vorhandenen, und eine strukturelle Planung der zukünftigen Unterstützungs- und Fördermaßnahmen. Dies geschieht im Rahmen der Fachprogramme, wobei die Aufzählung in Abs. 1 Satz 2 von Bayerischem Behindertenplan, Bayerischem Psychiatrieplan und dem Suchtprogramm nicht abschließend ist. Vielmehr soll auch in Zukunft dort, wo ein Bedarf sichtbar wird, ein spezielles Fachprogramm erarbeitet oder weiter entwickelt werden. Anlass für eine Weiterentwicklung können Änderungen der tatsächlichen oder der rechtlichen Rahmenbedingungen sein. So stammt bspw. der Dritte Bayerische Landesplan für Menschen mit Behinderung aus dem Jahre 1994. Er wurde damit vor Inkrafttreten des SGB IX, des BGG und des BayBGG ausgearbeitet, so dass eine Anpassung einzelner Schwerpunkte und Vorhaben an Inhalte und Ziele dieser Gesetze notwendig ist.

 

Bei der Weiterentwicklung des Bayerischen Behindertenplans ist ein besonderes Augenmerk auf die frühe Förderung von behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern zu legen. Dies geschieht in den Frühförderstellen der Lebenshilfe und der freien Wohlfahrtspflege. Deren Angebote werden durch die Sozialpädiatrischen Zentren unterstützt, die unter ärztlicher Leitung stehen und für Kinder, Jugendliche und deren Eltern offen stehen, die von den niedergelassenen Ärzten und / oder den Frühförderstellen nicht ausreichend diagnostisch und therapeutisch betreut werden können.

 

Während für sinnes- und körperbehinderte Menschen die Sicherung der Teilhabe vor allem durch eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt erreicht werden kann, bedürfen Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung sowie Menschen mit schweren Verhaltensstörungen und mit psychischer Erkrankung (einschließlich einer Suchterkrankung) oft darüber hinaus gehende Hilfen. Dieser Aspekt ist bei der Entwicklung der Fachprogramme nach Abs. 1 sowie bei der Mittelverteilung ebenfalls zu beachten. Ein individueller Anspruch des Einzelnen auf Hilfestellung oder deren Finanzierung besteht nur im Rahmen der einschlägigen Gesetze.

 

Auf eine spezielle Regelung zur Mitnahmemöglichkeit von Blindenführhunden im Zusammenhang mit der Teilhabe wurde verzichtet, da in diesem Bereich für den Freistaat Bayern bereits jetzt eine umfassende Teilhabe möglich ist. In sämtlichen Staatstheatern und in Konzertsälen sind Blindenhunde zugelassen, ebenso in den staatlichen Museen und Sammlungen und in den Objekten, die der Schlösser- und Seenverwaltung unterstehen. Die kommunalen Spitzenverbände haben für die in kommunaler Verwaltung stehenden Kultureinrichtungen entsprechende Empfehlungen herausgegeben. Dem Rundschreiben Nr. 198197 der Deutschen Krankenhausgesellschaft, das unter bestimmten Voraussetzungen die Mitnahme von Führhunden in Krankenhäuser für hygienisch unbedenklich erklärt, hat sich auch die Bayerische Krankenhausgesellschaft angeschlossen.

Weitere Ausnahmetatbestände, z.B. die Mitnahme von Führhunden in Lebensmittelgeschäfte, sind bundesweit geregelt. So wird in der Begründung zur Lebensmittelhygiene-Verordnung (Bundesratsdrucksache 332/97) klargestellt, dass grundsätzlich beim Mitführen von Blindenführhunden durch blinde Menschen in Lebensmittelgeschäften eine nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel nicht vorliegt. Sollten dennoch bspw. Einzelhandelsketten die Mitnahme von Blindenführhunden nicht ermöglichen, so ist die Zielvereinbarung gem. § 5 BGG das richtige Instrument.

 

Zu Art. 8 Selbsthilfe-Organisationen

 

Die Bereitschaft des Einzelnen, sich in einer Lebenskrise, in Not, bei Krankheit oder Behinderung zunächst selbst zu helfen, ist ein grundlegendes Prinzip der menschlichen Solidargemeinschaft und des Sozialstaates. Aus diesem Grund kommt den Selbsthilfebemühungen von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit seit Jahrzehnten innerhalb des entsprechenden Hilfesystems eine besondere und bedeutende Rolle zu. Diesem Engagement Betroffener verdanken die Behindertenverbände in Bayern und die Selbsthilfegruppen vor Ort ihr Entstehen, die erfolgreiche Arbeit und ihren unverzichtbaren Beitrag bei der Verbesserung der Lebensbedingungen. Der Freistaat Bayern hat deshalb bereits vor Jahren begonnen, die Selbsthilfeaktivitäten behinderter oder chronisch kranker Menschen zu fördern und wird dies auch in Zukunft im Rahmen der Notwendigkeit und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel weiter tun.

 

Die Selbsthilfe-Organisationen von Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit wirken auch an der politischen Willensbildung mit.


 

Zu Abschnitt 2 Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

 

In Abschnitt 2 werden für den Bereich der Behörden des Freistaates Bayern, für die Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen unter der Aufsicht des Freistaates Bayern stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts konkrete Pflichten zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und zur Schaffung von Barrierefreiheit und Teilhabe begründet.

 

Zu Art. 9 Benachteiligungsverbot

 

Abs. 1 Satz 1 konkretisiert die Zielsetzung des Art. 1 speziell für den Bereich der öffentlichen Verwaltung im Freistaat Bayern und umschreibt mit der Aufzählung der Normadressaten den Anwendungsbereich der Vorschrift.

Gegenüber Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung kann die Förderpflicht Erleichterung im Umgang mit Behörden bedeuten. Denn geistig oder psychisch behinderte Menschen bedürfen mitunter einer besonderen Hilfestellung, zum Teil aber lediglich eines zeitintensiven Eingehens auf ihre Anliegen, da sie z.B. aufgrund von zeitweisen Beeinträchtigungen des Gedächtnisses oder mangelnder Konzentrationsfähigkeit mit dem üblichen Verlauf der Verwaltung überfordert sind. Hierauf ist bereits bei der Organisation der Verwaltung, aber auch im jeweiligen Einzelfall Rücksicht zu nehmen.

Gem. Abs. 1 Satz 2 besteht für Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden, zumindest eine Hinwirkungspflicht auf die in Satz 1 genannten Ziele.

 

Mit Abs. 1 Satz 3 wird, ebenso wie im BGG, von der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Gebrauch gemacht. Dies stellt es den Mitgliedstaaten ausdrücklich frei, für die in dieser Richtlinie genannten besonderen Personengruppen, d.h. auch für Menschen mit Behinderung, spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen unter anderem wegen der Behinderung ausgeglichen werden. Satz 3 kommt damit unter anderem auch bei dem Vergleich eines behinderten Mannes mit einer nicht behinderten Frau zur Anwendung. Einer sorgfältigen Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles ist jedoch weiterhin Rechnung zu tragen. Satz 4 schreibt für die in Art. 9 geregelten Bereiche ausdrücklich die Berücksichtigung der besonderen Belange von Frauen mit Behinderung vor.

 

Abs. 2 schreibt das in Art. 5 definierte Benachteiligungsverbot für die in Abs. 1 Satz 1 genannten Träger der öffentlichen Verwaltung ausdrücklich fest.

 

Eine Ausdehnung auf die in Abs. 1 Satz 2 genannten Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen erfolgt nicht, da es sich hierbei um juristische Personen des Privatrechts handelt. Ein Benachteiligungsverbot ist aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz dem vom Bund geplanten zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz vorbehalten. Darüber hinaus bietet das Instrument der Zielvereinbarung nach § 5 BGG die Möglichkeit, direkt mit den betroffenen Unternehmen speziell auf die jeweiligen Verhältnisse abgestimmte Lösungen zu finden. Bei den Verhandlungen über den Abschluss der Zielvereinbarungen gelten dann gem. Abs. 1 Satz 2 auf Seiten der von Abs. 1 Satz 2 erfassten Unternehmen und Betriebe die Ziele des Art. 1.

 

Abs. 3 grenzt den Geltungsbereich des Abs. 2 zu anderen Benachteiligungsverboten ab und stellt insoweit den Vorrang speziellerer Gesetze klar.

 

Zu Art. 10 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

 

Diese Vorschrift trifft Bestimmungen zu der in Art. 4 definierten Barrierefreiheit in dem Bereich des Bauens.

 

Barrierefreiheit bedeutet dabei im Bereich des Bauens nicht nur die Beachtung der Belange von Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen. Auch die Belange von Menschen mit Sinnesbehinderungen oder geistiger Behinderung sind zu berücksichtigen. So sind beispielsweise in baulichen Anlagen, welche mit einer fest installierten Lautsprecheranlage ausgestattet sind, Induktionsschleifen für Hörbehinderte einzubauen. Für Menschen mit Sehbehinderung ist auf eine kontrastreiche Gestaltung, z. B. im Bereich von Absätzen und Treppen, zu achten. Für Menschen mit geistiger Behinderung kann Barrierefreiheit durch das Anbringen von Piktogrammen, welche eine bessere Orientierung ermöglichen, erreicht werden.

 

Nach Abs. 1 übernehmen die dort genannten Träger öffentlicher Gewalt eine Verpflichtung zum barrierefreien Bauen. Unter den Behördenbegriff fallen auch Schulen. Dies gilt für sämtliche Neubauten und für große Um- oder Erweiterungsbauten. Bauunterhaltungsmaßnahmen werden nicht erfasst. Zur Auslegung des Begriffs „groß“ wird auf die Auslegung zu § 8 BGG verwiesen. Demnach gilt eine bauliche Maßnahme ab Kosten von über 1 Million Euro als groß.

Zur barrierefreien Gestaltung sollen die allgemein anerkannten Regeln der Technik berücksichtigt werden, wozu auch die einschlägigen DIN-Normen gehören.

 

Die Beschränkung in Abs. 1 Satz 2 auf Tageseinrichtungen für Kinder (§ 22 SGB VIII), welche von einem Träger öffentlicher Gewalt nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 getragen werden, erfolgt aus kompetenzrechtlichen Gründen. Für die von Abs. 1 Satz 2 nicht erfassten Einrichtungen steht das Instrument der Zielvereinbarung nach § 5 BGG zur Verfügung.

 

Die Ausgestaltung des Abs. 1 als Sollvorschrift unterstreicht, dass im Regelfall die allgemein anerkannten Regeln der Technik anzuwenden sind, in besonderen Situationen aber Abweichungen zulässig sind, etwa wenn die Herstellung der Barrierefreiheit nur durch einen unzumutbaren hohen Aufwand möglich wäre. Durch die Sollvorschrift ist auch klargestellt, dass Sonderbereiche nicht barrierefrei ausgestaltet werden müssen, wenn derartige Maßnahmen hinsichtlich der Art der Anlage, der Nutzung der Anlage oder der Kosteneffizienz zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen. Art. 1 Satz 3 lässt – klarstellend – auch Abweichungen zu, wenn beispielsweise beim konkreten Bauvorhaben durch eine von der Regel der Technik abweichende Gestaltung das Ziel der Barrierefreiheit in gleicher Weise oder besser erreicht werden kann. Somit ist auch ein Abweichen von DIN-Normen zulässig.

 

Abs. 2 verweist für sonstige bauliche und andere Anlagen, wozu auch Verkehrsanlagen gehören, auf andere landesrechtliche Vorschriften. Dazu zählen beispielsweise die mit diesem Gesetz ebenfalls geänderte Bayerische Bauordnung, das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern oder das Bayerische Straßen- und Wegegesetz.

 

 

Zu Art. 11 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache oder

anderen Kommunikationshilfen

 

Art. 11 stellt in Anlehnung an § 9 BGG für den Bereich der Träger öffentlicher Gewalt im Freistaat Bayern im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 eine Vorschrift zur Regelung der Anwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen im Sinn von Art. 6 dar.

 

Träger öffentlicher Gewalt im Freistaat Bayern im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 werden danach nach Maßgabe der Rechtsverordnung des Abs. 2 verpflichtet, einem hörbehinderten (ertaubten, gehörlosen oder schwerhörigen) oder sprachbehinderten Menschen die Verwendung Deutscher Gebärdensprache, lautsprachbegleitender Gebärden bzw. anderer geeigneter Kommunikationshilfen zu gestatten und dafür auch die notwendigen Kosten zu übernehmen. Der Anspruch ist auf die Bereiche beschränkt, in denen es um die Wahrnehmung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren geht.

Bei den im Bereich der Schulen entstehenden Kosten handelt es sich per se weder um Personal- noch um Sachaufwand.

 

Für die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 kann eine entsprechende Verpflichtung durch eine Zielvereinbarung gem. § 5 BGG getroffen werden.

 

Mit der Vorschrift erfolgt keine Einschränkung der Rechte von Menschen mit Hörbehinderung, die nicht auf eine der in Art. 11 genannten Arten kommunizieren. Art. 11 stellt nur eine zusätzliche Möglichkeit der Kommunikation mit den genannten staatlichen Stellen dar, wovon jedoch die Wahlfreiheit des Betroffenen nicht tangiert wird.

 

Die Verordnungsermächtigung des Abs. 2 verpflichtet die Bayerische Staatsregierung, Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs auf Verwendung und der Kostenerstattung für Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen flexibel und pragmatisch zu regeln und dabei sowohl dem grundsätzlichen Anspruch des Menschen mit Behinderung auf Verwendung der Gebärdensprache oder anderer Kommunikationshilfen als auch den Erfordernissen eines geordneten Verwaltungsablaufs Rechnung zu tragen. Dabei sind als erforderliche Voraussetzungen im Sinn der Nummer 2 insbesondere die Stellung von Anträgen und das Einlegen von Rechtsbehelfen zu berücksichtigen. Als andere geeignete Kommunikationshilfen im Sinn der Nummer 4 kommen z.B. Tageslichtschreiber oder Schriftdolmetscher in Betracht; nicht erfasst sind demgegenüber die im SGB IX geregelten persönlichen Hilfsmittel wie zum Beispiel Hörgeräte.

 

In Bayern existiert bereits seit dem 24. Oktober 1991 eine Prüfungsordnung für Gehörlosendolmetscher bei Gerichten und Behörden, welche auf Art. 15 Dolmetschergesetz beruht. Der Begriff "Gehörlosendolmetscher" wird jedoch nahezu nicht mehr verwendet sondern wurde mittlerweile von "Gebärdensprachdolmetscher" abgelöst. Inhaltliche Unterscheidungen bestehen jedoch nicht.

 

Eine Prüfungsordnung für Gebärdensprachkursleiter gibt es hingegen noch nicht. In Ergänzung zu Art. 15 Dolmetschergesetz, welcher nur den Erlass einer Prüfungsordnung für Gebärdensprachdolmetscher ermöglicht, schafft Abs. 3 daher den rechtlichen Rahmen für den Erlass einer Prüfungsordnung auch für Gebärdensprachkursleiter.

Voraussetzung für die Ausbildung und letzten Endes auch die Prüfung zum Gebärdendolmetscher ist das Erlernen der deutschen Gebärdensprache. Dies erfolgt durch Unterrichtung durch den Kursleiter, dessen anerkannte Prüfung nicht zuletzt zum Entstehen eines neuen Berufsbildes führt.

 

Zu Art. 12 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken

 

Bei dem Anspruch aus Art. 12 geht es um die barrierefreie Wahrnehmbarkeit von Schriftstücken durch blinde, erblindete und sehbehinderte Menschen, die den Adressaten normalerweise in Schwarzschrift zugänglich gemacht werden. Die moderne elektronische Informationsverarbeitung macht es möglich, diesem Personenkreis die Informationen als elektronische Mail zuzusenden, sofern sie einen Internetzugang einschließlich Computer mit Braille-Zeile oder Sprachausgabe besitzen. Ferner können sie auf Diskette, als Braille-Druck oder gegebenenfalls in Großdruck zugänglich gemacht werden. Für diejenigen blinden, erblindeten und sehbehinderten Menschen, die weder über die technische Ausstattung, noch über Kenntnisse der Braille-Schrift verfügen, können die Informationen auch über Hörkassetten übermittelt werden.

 

In Abs. 1 Satz 1 werden die Träger der öffentlichen Gewalt im Sinn von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 verpflichtet, bei allen wesentlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung zu berücksichtigen. Dieses gilt nicht nur für sehbehinderte Menschen, sondern stellt auch entsprechende Anforderungen an die Verständlichkeit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Dass Verwaltungshandeln für die Betroffenen verständlich und nachvollziehbar sein soll, bekommt hier zusätzlich eine behindertenspezifische Ausprägung. Die Behörden sollen den individuellen Wahrnehmungsfähigkeiten von Menschen mit Behinderung nach Möglichkeit Rechnung tragen. Mit der generellen Verpflichtung soll die Verwaltung ferner angeregt werden, bereits bei der Gestaltung solcher Schriftstücke spezifische Einschränkungen von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen.

Für die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 kann eine entsprechende Verpflichtung durch eine Zielvereinbarung gem. § 5 BGG getroffen werden.

 

Abs. 1 Satz 2 konstruiert einen Anspruch für blinde, erblindete und sehbehinderte Menschen. Auf Anforderung sind Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke zusätzlich auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zu erstellen, sofern dies zur Wahrung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Der Umfang des Anspruchs bestimmt sich dabei nach der individuellen Fähigkeit zur Wahrnehmung. Wenn die in Rede stehenden Dokumente nach den einschlägigen Vorschriften kosten- bzw. gebührenpflichtig sind, gilt dies auch für Menschen mit Behinderung. Es dürfen aber keine zusätzlichen Gebühren und Kostenerstattungen erhoben werden, die nicht auch bei nichtbehinderten Menschen anfallen. Vorschriften über die Form, die Bekanntgabe und die Zustellung von Verwaltungsakten - insbesondere auch die entsprechenden Vorschriften des Ordnungswidrigkeitsrechts -, bleiben unberührt.

 

In Abs. 2 wird die Staatsregierung verpflichtet, Näheres zur Übermittlung dieser Dokumente an blinde, erblindete und sehbehinderte Menschen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Dabei werden sowohl die Anlässe konkretisiert als auch das Verfahren und die Art und Weise der zur Verfügungstellung geregelt.

 

 

Zu Art. 13 Barrierefreies Internet und Intranet

 

Abs. 1 findet Anwendung auf das Rechtsverhältnis der Verwaltung zu Bürgerinnen und Bürgern als Nutzer des dort beschriebenen IT-Angebots und setzt einen Beschluss des Bayerischen Landtags (Drucksache 14/8526) um.

Zwar ist das Rechtsverhältnis der Verwaltung zu ihren Mitarbeitern bereits in § 81 Abs. 4 SGB IX geregelt, welcher einen Rechtsanspruch des schwerbehinderten Mitarbeiters auf eine seiner Behinderung entsprechende Ausstattung des Arbeitsplatzes vorschreibt. Dennoch erscheint als Ergänzung hierzu auch die Barrierefreiheit des Intranets von Nöten.

 

Die technische Gestaltung von Intranet-/Internetseiten sowie von graphischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, erlauben insbesondere blinden, erblindeten und sehbehinderten Menschen häufig nicht eine Nutzung in vollem Umfang; hierzu bereits entwickelte Standards finden bislang nicht hinreichend Beachtung. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene bestehen daher zahlreiche Aktivitäten, um den Zugang blinder und sehbehinderter Menschen zu IT zu fördern (Erarbeitung und Verbreitung entsprechender technischer Standards, Forschungsvorhaben, Selbstverpflichtungen etc).

 

Der Anspruch von Menschen mit Behinderung auf barrierefreie Internetangebote im Bereich der Verwaltung entsteht dabei nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung. Dies hat zur Folge, dass der Umfang des Anspruchs schrittweise in Abhängigkeit von den technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten der in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 genannten Träger öffentlicher Gewalt festgeschrieben und danach bis zur Erreichung des Ziels der kompletten Barrierefreiheit fortgeschrieben wird. Dabei soll auf eine rasche Umsetzung hingewirkt und insbesondere bei der Einführung eines „Content-management-systems“ (=Softwaresystem für das Administrieren von Webinhalten mit Unterstützung des Erstellungsprozesses basierend auf der Trennung von Inhalten und Struktur) im Freistaat Bayern auf dessen Barrierefreiheit geachtet werden.

Für die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 kann eine entsprechende Verpflichtung durch eine Zielvereinbarung gem. § 5 BGG getroffen werden.

 

Zu den in der Rechtsverordnung zu regelnden Aspekten des Anspruchs zählen nach dem Katalog des Satzes 2 der Kreis der in den Geltungsbereich einzubeziehenden Gruppen von Menschen mit Behinderung (z.B. blinde oder sehbehinderte Menschen, lernbehinderte Menschen), die technischen Standards (wie z.B. die Leitlinien der WAI = Web Accessibility Initiative), der maßgebliche Zeitpunkt ihrer Anwendung (einschließlich Übergangsregelungen) sowie Arten und Bereiche amtlicher Informationen (z.B. Broschürentexte oder auch Ausschluss bestimmter technisch problematischer Statistikreihen). Es wird dabei vorausgesetzt, dass die Nutzerinnen und Nutzer über eine für ihre Behinderung geeignete technische Ausstattung (z.B. Braille-Tastatur und -Drucker) verfügen. Die Rechtsverordnung wird im Einvernehmen mit den übrigen Ressorts erlassen.

 

Die Rechtsverordnung bedarf in angemessenen Abständen der Fortschreibung durch Anpassungsverordnungen, bis das Ziel der Barrierefreiheit erreicht ist. Die Bayerische Staatsregierung wird hierzu unter Berücksichtigung der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten regelmäßig prüfen, ob die Rechtsverordnung weiter angepasst werden kann.

 

Für den Bereich außerhalb der öffentlichen Hand ist die Barrierefreiheit durch den Abschluss von Zielvereinbarungen gemäß § 5 BGG zu regeln.

 

Zu Art. 14 Barrierefreie Medien

 

Auch und gerade für Menschen mit Behinderung spielt der Rundfunk (vor allem Hörfunk und Fernsehen) bei der Gewinnung von Informationen und bei der Unterhaltung im Alltag eine bedeutende Rolle. Umso wichtiger ist es, dass auch diese Medien für Menschen mit Behinderung nutzbar sind.

 

Da von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 nur Teilbereiche des Rundfunks, bspw. der Bayerische Rundfunk, das Zweite Deutsche Fernsehen und das Deutschlandradio erfasst werden, erfolgt die Ausweitung durch Art. 14. Dies geschieht unter Beachtung der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten sowie der Kunst- und Pressefreiheit.

 

Träger öffentlicher Gewalt mit Aufgaben in kommunikationspolitischen Angelegenheiten sind unter anderem die Staatskanzlei und das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

 

Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel eine verstärkte Förderung von Tele- und Videotext, von Radioprogrammen zur Information von Menschen mit Sehschwäche, oder auch von Fernsehprogrammen mit Untertiteln oder die Begleitung von Nachrichtensendungen mit Gebärdensprachdolmetschern.

 

Die Programmhoheit der Rundfunkanstalten nach Art. 5 Grundgesetz wird durch die Regelung nicht eingeschränkt.

 

Zu Abschnitt 3 Rechtsbehelfe

 

Die materiellen Regelungen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und zur Herstellung von Barrierefreiheit sollen durch besondere prozessuale Instrumente in ihrer Durchsetzbarkeit gefördert werden.

 

Zu Art. 15 Rechtsschutz durch Verbände

 

Art. 15 regelt die Prozessstandschaft von Verbänden, die nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind, für die Durchsetzung der Rechtsansprüche einzelner Menschen mit Behinderung. Ferner steht die Prozessstandschaft auch denjenigen bayerischen Landesverbänden zu, deren Bundesverbände nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind. Er gilt für Ansprüche aus Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs.1 Satz 2 oder Art. 13 Satz 1 sowie für Ansprüche auf Herstellung der Barrierefreiheit im Sinn des Art. 4 oder auf Verwendung von Gebärden bzw. anderer Kommunikationshilfen im Sinns des Art. 6 Abs. 3.

 

Die Vorschrift orientiert sich am Vorbild des § 12 BGG und greift aus Gründen der Praktikabilität und Einheitlichkeit auch auf das Anerkenntnisverfahren des § 13 Abs. 3 BGG zurück.

 

Da der Verband im Falle einer Klage nach Art. 15 lediglich das Recht einer anderen Person geltend machen kann (Prozessstandschaft), können seine Klagebefugnisse auch nicht über deren eigene Möglichkeiten hinausreichen. Deshalb müssen die gleichen Verfahrensvoraussetzungen (zum Beispiel Einhaltung von Fristen, Klagebefugnis) erfüllt sein wie bei einer Klage durch die vertretene Person selbst.

 

Die Regelung trägt dem besonderen Interesse von Menschen mit Behinderung an einer sachnahen Prozessführung Rechnung. Sie berücksichtigt das gerade bei Verbänden behinderter Menschen im Vordergrund stehende Prinzip der Selbsthilfe, wonach Betroffene anderen Betroffenen, die sich in einer vergleichbaren Lebenssituation befinden, Unterstützung gewähren. Die Vertreter dieser Gruppen verfügen über spezielle Kenntnisse der Sach- und Rechtslage. Zudem können sie sich als persönlich Betroffene leichter als andere in die von ihnen vertretenen Menschen mit Behinderung einfühlen und ein besonderes Vertrauensverhältnis aufbauen.


 

Zu Art. 16 Verbandsklagerecht

 

Die Vorschrift führt für den Geltungsbereich dieses Gesetzes eine öffentlich-rechtliche Verbandsklage zugunsten von nach § 13 Abs. 3 BGG zugelassenen Verbänden und von den bayerischen Landesverbänden, deren Bundesverbände nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind, ein.

Die Regelung stellt eine zulässige Ausnahme von § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung dar, welche auch durch Landesgesetz erfolgen kann.

 

Dabei wird das Verbandsklagerecht jedoch nicht allumfassend zugestanden, sondern nur unter folgenden Einschränkungen: Zum einen können nur Verstöße gegen die enumerativ und abschließend aufgezählten landesrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden. Zum anderen ist die Verbandsklage in den Fällen, in denen ein Einzelner in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, nur dann möglich, wenn es sich um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Handeln der Behörde durch eine Verwaltungsvorschrift gebunden ist. Dadurch soll eine stärkere Abgrenzung zur Prozessstandschaft des Art. 15 erreicht werden und nicht zuletzt eine sonst drohende Bevormundung der Menschen mit Behinderung verhindert werden.

 

Mit der Einführung der Verbandsklage werden die Rechtswegzuständigkeiten nicht berührt.

 

 

Zu Abschnitt 4 Beauftragte oder Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für

die Belange behinderter Menschen

 

Zu Art. 17 Amt des Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung

 

Der Behindertenbeauftragte der Staatsregierung ist eine Persönlichkeit, welche die Staatsregierung bei der Fortentwicklung und Umsetzung der Behindertenpolitik berät.

 

Die inhaltliche Ausgestaltung des Amtes des Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung lehnt sich an die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 22. Dezember 1998 Nr. B III 2 – 2729-246-4 (AllMBl. 1991, S. 19), geändert durch Bekanntmachung vom 06. November 2001 (StAnz Nr. 50) an. Die dort getroffenen Regelungen haben sich in der Vergangenheit bewährt.

Die Ausgestaltung als Ehrenamt wurde, auch im Hinblick auf den ebenfalls ehrenamtlich tätigen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, beibehalten.

 

Zur Einbindung der Verbände im Sinn des Abs. 6 hat sich in der Vergangenheit die Einberufung von „Runden Tischen“ als probates Mittel erwiesen. Ein solches Gremium kann flexibel und bedarfsorientiert eingesetzt werden. Eine gesetzliche Regelung über ein Gremium zur Einbindung von Betroffenenvertretern auf Landesebene würde hingegen einen erheblich größeren Verwaltungsaufwand hervorrufen und insoweit nicht den Bemühungen um eine möglichst schlanke Verwaltung genügen.

 


§ 2 Änderung des Landeswahlgesetzes

 

Die Regelung entspricht § 50 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes. Die für das Landeswahlgesetz vorgesehene Bestimmung soll auch für die Bezirkswahlen gelten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 BezWG); die Kosten werden wie bei den den Gemeinden zu erstattenden Kosten anteilmäßig zwischen dem Freistaat und den Bezirken aufgeteilt.

 

Die Verwendung von nicht-amtlichen, also insbesondere von Blindenvereinen hergestellten und von den Wählern mitgebrachten Wahlschablonen zur Kennzeichnung der Stimmzettel ist auch ohne ausdrückliche Regelung in den Wahlgesetzen oder Wahlordnungen zulässig.

 

Die näheren Einzelheiten über die Zusendung von Stimmzettelmuster an die Blindenvereine durch die Wahlkreisleiter und die ausdrückliche Erwähnung der Möglichkeit einer Verwendung von Stimmzettelschablonen bei der Kennzeichnung der Stimmzettel können entsprechend der Bundesregelung in der Landeswahlordnung getroffen werden; einer ausdrücklichen Ermächtigung im Landeswahlgesetz hierzu bedarf es nicht. Entsprechendes gilt für die Regelung zur barrierefreien Gestaltung der Abstimmungsräume, für die eine Anpassung des § 37 Abs. 2 der Landeswahlordnung an die Bundesregelung vorgesehen ist.

 

Die Regelung umfasst auch den Volksentscheid.

 


§§ 3 bis 5 Änderung der Gemeinde-, Landkreis- und Bezirksordnung

 

In den kreisfreien Gemeinden, den Landkreisen sowie den Bezirken Behindertenbeauftragte bestellt werden. Dadurch wird ein flächendeckendes Netz an kommunalen Behindertenbeauftragten geschaffen und die Akzeptanz von Menschen mit Behinderung auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt.

 

Die kommunalen Behindertenbeauftragten wirken an der politischen Willensbildung mit.

 

Um auf der einen Seite die in vielen Gemeinden bereits bestehenden Strukturen von Behindertenbeauftragten nicht zu zerstören und auf der anderen Seite das Recht der Kommunen auf kommunale Selbstverwaltung zu wahren, wird die konkrete Ausgestaltung des Amtes des Behindertenbeauftragten den Kommunen selbst überlassen.

 

Die Regelungen der kommunalen Behindertenbeauftragten sind nicht abschließend. So können auch kreisangehörige Gemeinden als Ausfluss ihres Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung Behindertenbeauftragte installieren.

 

Gleiches gilt für die freiwillige Schaffung von Behindertenbeiräten, welche auf allen kommunalen Ebenen zulässig bleibt.

 


§ 6 Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

 

Da bei den Gemeinde- und Landkreiswahlen das Kumulieren und Panaschieren zulässig ist und die Wähler so viele Stimmen haben, wie Sitze zu vergeben sind, mithin ein sehr kompliziertes Wahlverfahren gegeben ist, ist noch zu klären, ob sinnvollerweise mit Wahlschablonen gearbeitet werden kann. Dies soll vor dem allgemeinen Wahltermin der Gemeine- und Landkreiswahlen mit den Blindenverbänden erfolgen.

 

Eine Regelung der Barrierefreiheit von Bürgerentscheiden (Art. 18 a GO) ist nicht möglich, da deren konkrete Ausgestaltung den Gemeinden per Satzung obliegt.

 


§ 7 Änderung der Bayerischen Bauordnung

 

Zu Nr. 1

 

Die Bayerische Bauordnung hat bisher die barrierefreie Ausgestaltung von Wohnungen nicht vorgeschrieben, weil eine derartige Regelung im Widerspruch zu den von den Bauordnungsnovellen verfolgten Zielen der Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung steht.

 

Die Verfügbarkeit von barrierefreiem Wohnraum für Menschen mit Behinderung ist jedoch zur Verwirklichung einer selbstbestimmten Lebensweise von sehr großer Bedeutung. Da auf die Marktmechanismen allein nicht vertraut werden kann, ist nun eine entsprechende Regelung in die Bayerische Bauordnung aufzunehmen.

Die Regelung beruht auf einer entsprechenden Vorschrift der Musterbauordnung, welche übernommen wird und trägt den Belangen der Menschen mit Behinderung Rechnung.

 

Etwaige Härten können über Satz 3 ausgeglichen werden. Daneben bleibt auch die Möglichkeit, Abweichungen nach Art. 70 BayBO zuzulassen, unberührt.

 

Zu Nr. 2 b)

 

Öffentlich zugängliche Gebäude sollen in Zukunft in noch größerem Maße als bislang, zumindest was den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teil angeht, barrierefrei errichtet und instand gehalten werden.

Damit soll eine Teilhabe von Menschen mit Behinderung, aber auch von alten Menschen und von Personen mit Kleinkindern, am gesellschaftlichen, aber auch am Arbeitsleben, erreicht werden.

Auf eine abschließende Aufzählung von betroffenen Gebäuden wird im Hinblick auf die bisherige, in sich nicht konsequente und nicht sachgerechte Lösung bewusst zugunsten einer offenen und flexiblen Lösung verzichtet.

Bei dem neuen Satz 2 handelt es sich daher auch lediglich um eine beispielhafte und erläuternde Aufzählung. Unter die Einrichtungen des Gesundheitswesens fallen zum Beispiel neben den Praxen von Ärzten und Krankengymnasten auch Apotheken.

Unter die Einrichtungen des Bildungswesens im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 fallen auch die Schulen. Dabei gelten auch Schüler als Besucher im Sinn des Abs. 1 Satz 1, selbiges gilt für Kindergartenkinder in Tageseinrichtungen für Kinder.

 

Zu Nr. 2 c)

 

Die Streichung der Nummer 3 in Satz 1 erfolgt aus redaktionellen Gründen .

 

 

 

Zu Nr. 2 d)

 

Der neue Abs. 4 konkretisiert in den Sätzen 1 bis 10 die Anforderungen einer barrierefreien Gestaltung für Rollstuhlfahrer näher.

 

Zu Nr. 2 e)

 

Durch diese Ausnahmeregelung werden unverhältnismäßige Aufwendungen im Einzelfall vermieden. Die Möglichkeit einer Abweichung gemäß Art. 70 BayBO bleibt unberührt.


§ 8 Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes

 

Durch die Änderungen des Bayerischen Hochschulgesetzes kommt der Freistaat Bayern seiner Umsetzungspflicht, welche im Zuge der Änderung des Hochschulrahmengesetzes im Zusammenhang mit dem Erlass des BGG entstanden ist, nach.

 

Zu Nr. 1

 

Das Benachteiligungsverbot des Art. 118a Bayerische Verfassung wird durch die Verankerung im Bayerischen Hochschulgesetz für den Bereich der bayerischen Hochschulen umgesetzt und näher ausgeführt. Dabei ist es zur Sicherung von Teilhabe und Integration der Studierenden mit Behinderung wichtig, dass diese nicht aufgrund von speziellen Sonderlösungen separiert werden, sondern vielmehr als vollwertige Mitglieder der Hochschulgemeinschaft möglichst alle Angebote ohne fremde Hilfe, und damit wie ihre nichtbehinderten Mitstudierenden, wahrnehmen können. Nur dort, wo dies nicht möglich ist, soll auf spezielle Sonderlösungen ausgewichen werden.

 

Zu Nr. 2

 

Art. 71 des Bayerischen Hochschulgesetzes regelt die Studienziele. Mit der Verankerung der „besonderen Belange von Menschen mit Behinderung“ wird eine fachliche Auseinandersetzung der Studierenden mit eben diesen Belangen erreicht. So sollen beispielsweise Studenten der Architektur im Entwerfen von barrierefreien Gebäuden ebenso zu unterrichten wie angehende Lehrer im Umgang mit Kindern mit Behinderung.

 

Die konkrete Ausgestaltung dieses Grundsatzes hat in den Studienordnungen zu erfolgen.

 

Zu Nr. 3

 

Insbesondere ist den verschiedenen Formen der Behinderung durch adäquate Berücksichtigung bei Leistungsnachweisen und Prüfungen Rechnung zu tragen. Hier geht es nicht um die Einführung eines Bonussystems, sondern um die Gewährung der Chancengleichheit zwischen behinderten und nichtbehinderten Studierenden als allgemeine Forderung. So ist beispielsweise gedacht an die Zulassung der Nutzung eines Bildschirmlesegerätes zur Vergrößerung des Prüfungstextes für sehbehinderte Studierende oder an eine Verlängerung der Bearbeitungsdauer im Einzelfall, etwa wenn die Benutzung technischer Hilfsmittel einen zusätzlichen Zeitaufwand für die Bearbeitung verursacht.


§ 9 Änderung des Denkmalschutzgesetzes

 

Baudenkmäler sind in der Regel ältere bzw. alte Gebäude, die häufig für mobilitätsbehinderte Menschen nicht zugänglich sind. Aber auch mobilitätsbehinderte Menschen sollen die Möglichkeit erhalten, Denkmäler zu erleben. Art. 6 Abs. 4 sieht daher vor, dass die Belange von Menschen mit Behinderung oder mit Mobilitätseinschränkungen bei der Erteilung einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 oder bei einer diese ersetzenden baurechtlichen Genehmigung berücksichtigt werden. Durch diese Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Genehmigung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass auch Barrierefreiheit erreicht wird. Jedoch kann das Erreichen von Barrierefreiheit die Veränderung eines Denkmals ermöglichen.


§ 10 Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetz

 

Mit der Einfügung des neuen Satzes 5 in Abs. 1 soll den besonderen Belangen behinderter oder mobilitätseingeschränkter Straßenverkehrsteilnehmer in der Weise Rechnung getragen werden, dass sie möglichst wenig beeinträchtigt werden. Beispiele hierfür sind abgesenkte Gehsteige, welche jedoch trotzdem über Orientierungshilfen für Blinde, Erblindete und Sehbehinderte verfügen sollten, oder akustische Signale an Lichtzeichenanlagen.

Dabei kann nicht außer Acht bleiben, dass bei Planung, Bau und Unterhaltung von Straßen auch andere Belange abzuwägen sind, insbesondere die der Verkehrssicherheit.


§ 11 Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern

 

Zu Nr. 1a

 

Einen wichtigen Aspekt bei der Mobilität von Menschen mit Behinderung spielt der öffentliche Personennahverkehr. So stellen erhöhte Einstiegsbereiche bei Bussen für Rollstuhlfahrer oft ein ebenso unüberwindbares Hindernis dar wie fehlende Lautsprecherhinweise für blinde Menschen. Dabei ist Mobilität eine der Grundvoraussetzungen von Teilhabe und Integration.

 

Für das Merkmal „groß“ bei Um- und Erweiterungsbauten wird auf Art. 10 BayBGG verwiesen.

 

Die Umrüstung bestehender Fahrzeuge und Anlagen steht unter dem Haushaltsvorbehalt.

 

Zu Nr. 1b

 

Redaktionelle Folgeänderung zu Nr. 1.

 


§ 12 In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten

 

Durch dieses Regelung wird institutionell gesichert, dass die neue Gesetzgebungsmaterie einer nochmaligen Kontrolle durch das Parlament zugeführt wird.

 


Kosten

 

Die nachstehenden Aussagen zu den Kosten des Gesetzes sind dem Staat, den Kommunen, der sonstigen mittelbaren Staatsverwaltung, der Wirtschaft und dem Bürger zugeordnet.

 

1.       Kosten für den Staat

 

a.       Zu § 1 Art. 4 (Definition von Barrierefreiheit)

 

Durch die Definition entstehen keine Kosten; diese entstehen erst durch konkrete Regelungen der Barrierefreiheit.

 

b.       Zu § 1 Art. 9 Abs. 2 (Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt)

Kostenauswirkungen sind nicht zu erwarten, zumal das Benachteiligungsverbot bereits jetzt gem. Art. 118a BV Verfassungsrang genießt.

c.       Zu § 1 Art. 11 (Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen)

Im Rahmen der Regelung kommen Kosten auf den Staat zu, deren Höhe von der noch zu erlassenden Rechtsvorschrift abhängt.
Als Beispiel kann die mit AMS vom 13.12.01 erlassene Regelung zur Vergütung von Gebärdensprachdolmetschern durch die Integrationsämter dienen, die folgende Sätze vorsieht:

·       Hauptberufliche und/oder staatlich geprüfte Dolmetscher: 40 € je 60 Minuten, je angefangene weitere halbe Stunde 20 €

·       nebenberufliche, nicht staatlich geprüfte Dolmetscher: 35 € je 60 Min/ 17,5 €  jede weitere 1/2 Stunde

·       Reise-/Wartezeit: ab mehr als 15 Minuten 30€ pro halbe Stunde;

·       Fahrtkosten: 30 Cent/km oder Fahrkarte 2. Klasse; Übernachtungs- und Tagegelder BayRKG, Stufe B).

Wenn man diese Regelung zugrundelegt und alle rund 8.000 in Bayern lebenden Gehörlosen pro Jahr jeweils 3 Behördenbesuche mit einer Dauer von einer Stunde absolvieren, würden damit insgesamt ca. 960.000€  (plus evtl. Fahrtkosten) an Kostenerstattung anfallen.

d.       Zu § 1 Art. 12 (Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken)

Der Personenkreis der Blinden ist auf die Darstellung mittels Blindenschrift (Braille-Schrift) bzw. den Einsatz von Hörkassetten angewiesen.
Eine DIN-A 4-Druckseite ergibt umgesetzt in Braille-Schrift 3 Seiten. Eine Seite in Braille-Schrift wird mit 0,35€ veranschlagt; damit würde ein 1-seitiger Bescheid Kosten in Höhe von 1,05€ verursachen.
Das Besprechen einer Hörkassette kosten 5€ je angefangene Kassette (Spieldauer 2 x 90 Minuten). Der Einsatz der Hörkassette ist daher nur bei längeren Bescheiden und Vordrucken geboten.

 

e.       Zu § 1 Art. 13 (Barrierefreies Internet und Intranet)

Die Kosten der barrierefreien Gestaltung eines Internet-/Intranetauftritts sind abhängig vom Seitenumfang des Auftritts und von der vorhandenen technischen Gestaltung. Sie liegen zwischen 8.000€ und 20.000€. Wird Barrierefreiheit von Anfang an berücksichtigt, liegen die Kosten deutlich niedriger.

f.         Zu § 1 Art. 16 (Verbandsklagerecht)

Belastungen für die öffentliche Haushalte würden sich durch die Einführung des Verbandsklagerechts nur ergeben, wenn in einer großen Anzahl von Streitverfahren die öffentliche Hand unterliegen würde. Die Staatsregierung geht jedoch davon aus, dass sich die Behörden beim Vollzug der Gesetze im Hinblick auf die Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Behinderten nicht rechtswidrig verhalten und sich deshalb die Haushaltsbelastungen im äußerst geringen Umfang halten werden. Ferner schützen auch die engen Voraussetzungen für die Erhebung einer Verbandsklage und das vorgeschaltete Verwaltungsverfahren vor einer Klageflut.

 

g.       Zu § 1 Art. 10, § 7 (Barrierefreies Bauen)

Bei der Berücksichtigung von Maßnahmen der Barrierefreiheit bei Neubauten fallen meist nur geringe Planungsmehrkosten an (Forschungsbericht des Instituts für Bauforschung e.V. 1995 F 753). Im Übrigen wird bei öffentlichen Neubauten bereits seit längerem der Barrierefreiheit überobligatorisch Rechnung getragen; dies gilt auch für Tageseinrichtungen für Kinder und Schulen.

h.       Zu § 2 (Landeswahlgesetz)


Die Mehrkosten für die nächsten Landtagswahlen werden auf ca. 114.000€ beziffert.
Diese Kostenschätzung (1% der Gesamtkosten der Wahl als Mehrkosten, für die letzten Landtagswahlen in Bayern sind Gesamtkosten von 22,2 Mio. DM angefallen [aufgerundet 11,4 Mio. €]) ergibt sich aus der Begründung des BGG (BR-Drs. 928/01, Teil C II - zu Art. 2 BGG). Der Bundesgesetzgeber hat diesen Schätzwert u.a. auch unter Zugrundelegung der Erfahrungen des Landes Berlin, welches bereits Wahlschablonen verwendet, errechnet.
 

i.         Zu § 9 (Denkmalschutzgesetz)

Es entstehen keine Kosten.

j.         Zu § 10 (Bayer. Straßen- und Wegegesetz)

Mit der Regelung wird ein Planungsziel geschaffen, die Belange behinderter Menschen zu berücksichtigen. In den einschlägigen Verordnungen und Richtlinien für Staats- und Gemeindestraßen ist dies zum Teil bereits verankert. Dem Ziel wird bereits bisher weitgehend Rechnung getragen. Mehrkosten fallen nicht an.

k.       Zu § 11 (BayÖPNVG)

Mit der Regelung in Art. 4 Abs. 3 Satz 3 des BayÖPNVG, Fahrzeuge bei Neubeschaffung und Neuherstellung, bauliche Anlagen bei Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten barrierefrei zu gestalten können Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte entstehen, diese sind jedoch nicht zwingend. Für die Umrüstung besteht ferner ein Haushaltsvorbehalt.

 

2. Kosten der Kommunen

 

a.       Zu §§ 3 mit 5 (Gesetzliche Verankerung von kommunalen Behindertenbeauftragten)


Die Kosten für die Kommunen hängen von der konkreten Ausgestaltung ab. Bei der Ausgestaltung als Ehrenamt wird auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 21.12.2000 (AllMBl Nr. 1/2001) verwiesen. Konkrete Aussagen sind aufgrund der Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung durch die Kommunen im Wege des Satzungserlasses nicht möglich.

 

b.       Zu §6 (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz)

 

Auch hier ist für den Fall, dass eine Abstimmung mittels Wahlschablone durchführbar ist, mit einer Kostensteigerung von 1% der Wahlkosten zu rechnen (vgl. Ausführungen zu 1h).

 

c.       Die Ausführungen zu 1c, 1d, 1e, 1f, 1g, 1i, 1j, gelten entsprechend.

 

3. Kosten der sonstigen mittelbaren Staatsverwaltung

 

a.       Zu § 1 Art. 14 (Barrierefreie Medien)

 

Das Einwirken auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann mittelbar zu geringen Mehrkosten führen, wenn als Folge des Hinwirkens bspw. Nachrichten mit einem Gebärdensprachdolmetscher übersetzt werden. Zwingende Mehrkosten entstehen jedoch nicht.

 

 

 

b.       Zu § 8 (Bayer. Hochschulgesetz)

Mit den Änderungen zum Bayer. Hochschulgesetz wird der sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz für Behinderte für den Freistaat Bayern ergebenden Umsetzungspflicht Rechnung getragen. Der im geringen Umfang anfallende Mehraufwand kann nach Auffassung der Staatsregierung im Rahmen der Haushaltsbewirtschaftung der jeweiligen Fachbereiche, Fakultäten usw. der Universitäten aufgefangen werden.

 

c.       Die Ausführungen zu 1c, 1d, 1e, 1f, 1g, 1i, 1j, 1k gelten entsprechend

 

4. Kosten für die Wirtschaft

 

a.       Zu § 1 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 (Benachteiligungsverbot)

 

Die dort genannten Unternehmen sollen die Ziele des Art. 1 berücksichtigen. Direkte Kostenauswirkungen sind davon nicht zu erwarten, zumal auch jetzt bereits von einer überobligatorischen Erfüllung durch die sich überwiegend in öffentlicher Hand befindlichen Unternehmen auszugehen ist.

 

b.       Zu § 7 (Barrierefreies Bauen)

 

Hinsichtlich der Änderungen auf dem Gebiet des privaten Wohnungsbaues (vgl. Art. 46 Abs. 2 BayBO) wird bemerkt, dass bei Berücksichtigung von Barrierefreiheit meist nur geringe Planungskosten anfallen. Im Übrigen kann der behindertengerechte Ausbau auch im Erdgeschoss erfolgen und damit die Erforderlichkeit eines kostenträchtigen behindertengerechten Aufzuges ausgeschlossen werden. Ferner erhöht die Barrierefreiheit auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung den Wohnwert.

Gleiches gilt für die Änderungen des Art. 51 BayBO (vgl. Ausführungen zu 1g).

Betreffend die auch von privaten Trägern getragenen Tageseinrichtungen für Kinder und Schulen ist festzuhalten, dass bei Neubauten meist nur geringe (Planungs-)Mehrkosten entstehen und im Übrigen der Bestandsschutz greift.

c.       Zu § 11 (BayÖPNVG)


Die Regelungen zum ÖPNV kann bei der Wirtschaft zu Mehrkosten führen. Da die Regelung unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Machbarkeit steht, entstehen diese jedoch nicht zwingend.

 

5. Kosten für den Bürger

 

Die Ausführungen zu 4b geltend entsprechend. Weiter Mehrkosten sind nicht zu erwarten.