SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG
15. Wahlperiode
Gesetzentwurf
zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Schleswig-
Holstein und zur Änderung anderer Gesetze
Federführend ist das Ministerium für Arbeit, Soziales,
Gesundheit und verbraucherschutz
A.Problem
Das 1994 in das Grundgesetz aufgenommene
Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderung hat
nicht die in diese Verfassungsänderung gesetzten Erwartungen
erfüllt und macht deshalb Konkretisierungen notwendig.
Bundestag und Bundesrat haben das Gesetz zur Gleichstellung
behinderter Menschen beschlossen, das am 01. Mai 2002 in
Kraft treten wird. Dieses Bundesgesetz umfasst nur
bundesrechtliche Regelungen ohne unmittelbare Geltung für
den Landesbereich. Es besteht daher auch die Notwendigkeit,
landesrechtliche Regelungen zu schaffen. Die Landesregierung
hat daher im August 2001 beschlossen, dem Landtag den
Entwurf eines Landesgleichstellungsgesetz so rechtzeitig
vorzulegen, dass es zum 01. Januar 2003 in Kraft treten
kann.
B.Lösung
Mit dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz soll ein
weiterer Schritt zur Beseitigung von Benachteiligungen
behinderter Menschen unternommen werden, um ihnen die
gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und
die Führung eines selbstbestimmten Lebens zu erleichtern.
Der Gesetzesentwurf enthält in Artikel 1 das Landesgesetz
zur Gleichstellung behinderter Menschen, das insbesondere
folgende Maßnahmen vorsieht:
- ein allgemeines Gleichstellungsgebot,
- die Verpflichtung der Träger der öffentlicher Verwaltung,
das Ziel des Gesetzes zu fördern und aktiv zu
unterstützten und ein allgemeines Benachteiligungsverbot
für die Träger der öffentlichen Verwaltung,
- die Berücksichtigung der besonderen Belange behinderter
Frauen,
- Zielvereinbarungen zwischen Behindertenverbänden und
Unternehmen oder Unternehmensverbänden zur Erreichung von
Barrierefreiheit im betreffenden Unternehmensbereich,
- Verbandsklagerecht der Interessenverbände behinderter
Menschen,
- Anerkennung der deutschen Gebärdensprache und
lautsprachbegleitender Gebärden und das Recht zur
Benutzung dieser Kommunikationsformen in
Verwaltungsverfahren,
- Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Bau und
Verkehr,
- Berücksichtigung der besonderen Belange behinderter
Menschen bei der Gestaltung insbesondere von Bescheiden,
Vordrucken und amtlichen Informationen,
- barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik der
Träger der öffentlichen Verwaltung,
- Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Amt und
die Aufgaben einer oder eines Landesbeauftragten für die
Belange behinderter Menschen
Die weiteren Artikel des Gesetzesentwurfes sehen Änderungen
bestehender Landesgesetze und Landesverordnungen zu Gunsten
behinderter Menschen vor. Die Änderungen beziehen sich
schwerpunktmäßig auf eine stärkere Berücksichtigung der
Belange behinderter Menschen im Bildungsbereich sowie der
Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr.
C.Alternativen
Keine.
Das Selbstverständnis behinderter Menschen und die in der
Vergangenheit die Behindertenpolitik beherrschende
Grundauffassung haben sich gewandelt. Behinderte Menschen
wollen und sollen in gleicher Weise wie nicht behinderte
Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben und nicht nur
auf die Fürsorge in der Gesellschaft angewiesen sein.
Bundestag und Bundesrat haben durch Verabschiedung des
Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes, das lediglich für
den Zuständigkeitsbereich des Bundes gilt, diesem
Wertewandel Rechnung getragen. Aus gesellschaftspolitischer
Sicht ist es daher notwendig, diesen Wandel auch auf
Landesebene zu vollziehen.
D. Kosten
Die Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und
Verkehr verursacht keine unmittelbaren Kosten, da sich die
entsprechenden Verpflichtungen auf Neubauten sowie große Um-
und Erweiterungsbauten beziehen, in deren Rahmen die für die
Herstellung der Barrierefreiheit erforderlichen Aufwendungen
gering sind. Im Rahmen des Abschlusses von Zielvereinbarungen
haben es die Beteiligten selbst in der Hand, in welchem Umfang
und zu welchem Zeitpunkt Kosten anfallen.
Mehrausgaben wird die Übernahme der Kosten für den Einsatz von
Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher
verursachen, die derzeit nicht bezifferbar sind, aber
voraussichtlich gering sein werden in Anbetracht der
Beschränkung der Fallgestaltungen für
Kostenübernahmeverpflichtungen.
Ebenfalls geringfügige aber auch nicht bezifferbare
Mehrkosten werden entstehen durch die behindertengerechte
Gestaltung von Bescheiden, etc. und der Gestaltung der
Internetseiten.
Der Verwaltungskostenaufwand ist in allen Fällen gleichfalls
gering, da Barrierefreiheit zum Teil bisher schon beachtet
werden musste. Bei der Übernahme von
Gebärdensprachdolmetscherkosten entsteht zusätzlicher
Verwaltungsaufwand hinsichtlich der Abrechnung. Auf Grund
der geringen Fallzahlen wird aber auch hier der Aufwand
voraussichtlich gering sein.
Soweit der Landeshaushalt von etwaigen Mehrkosten betroffen
ist, sind diese im Rahmen der veranschlagten Mittel zu
tragen.
Artikel 1
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
des Landes Schleswig-Holstein
(Landesbehindertengleichstellungsgesetz)
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gesetzesziel
(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung
behinderter Menschen zu beseitigen und zu verhindern,
gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit für
behinderte Menschen herzustellen, ihnen die
gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu
gewährleisten und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
(2) Die Träger der öffentlichen Verwaltung fördern im
Rahmen ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben aktiv
die Verwirklichung der Ziele gemäß Absatz 1 und ergreifen
insbesondere geeignete Maßnahmen zur Herstellung der
Barrierefreiheit in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Sie
dürfen behinderte Menschen nicht benachteiligen.
(3) Bei der Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen
und Männern sind die besonderen Belange behinderter Frauen
zu berücksichtigen. Dabei sind Maßnahmen zur Förderung der
Gleichstellung behinderter Frauen, die dem Abbau oder dem
Ausgleich bestehender Ungleichheiten dienen, zulässig.
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion,
geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das
Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
(2) Eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes liegt
vor, wenn behinderte und nicht behinderte Menschen ohne
zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und
dadurch behinderte Menschen in der gleichberechtigten
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder
mittelbar beeinträchtigt werden. Eine unterschiedliche
Behandlung ist insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn
sie ausschließlich oder überwiegend auf Umständen beruht,
die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der
Behinderung stehen. Ist eine Benachteiligung aus zwingenden
Gründen nicht zu vermeiden, ist für den Ausgleich ihrer
Folgen Sorge zu tragen, soweit hiermit nicht ein
unverhältnismäßiger Mehraufwand verbunden ist.
(3) Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen,
Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der
Informationsverarbeitung, akustische und visuelle
Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie
andere gestaltende Lebensbereiche, wenn sie für behinderte
Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere
Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich
und nutzbar sind.
§ 3 Zielvereinbarungen
(1) Soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, sollen
zur Herstellung der Barrierefreiheit Zielvereinbarungen
zwischen den auf Landesebene tätigen Interessenverbänden
behinderter Menschen und Unternehmen oder
Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen
für ihren jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations-
und Tätigkeitsbereich abgeschlossen werden. Die
Interessenverbände behinderter Menschen können die Aufnahme
von Verhandlungen verlangen, soweit das Unternehmen oder der
Unternehmensverband über den Verhandlungsgegenstand noch
keine Zielvereinbarung abgeschlossen hat. Mit Zustimmung des
Unternehmens oder des Unternehmensverbandes können weitere
Interessenverbände behinderter Menschen als
Vereinbarungspartner hinzugezogen werden.
(2) Zielvereinbarungen zur Herstellung von Barrierefreiheit
enthalten insbesondere
1.die Bestimmung der Vereinbarungspartner sowie Regelungen
zum Geltungsbereich und zur Geltungsdauer,
2.die Festlegung von Mindestbedingungen darüber, wie
gestaltete Lebensbereiche im Sinne von § 2 Abs. 3 künftig
zu verändern sind, um dem Anspruch behinderter Menschen
auf Zugang und Nutzung zu genügen,
3.den Zeitpunkt oder einen Zeitplan zur Erfüllung der
festgelegten Mindestbedingungen.
(3) Die Zielvereinbarungen sind an das
Zielvereinbarungsregister zu melden, das bei der oder dem
Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung geführt
wird.
§ 4 Klagerecht
(1) Ein Interessenverband behinderter Menschen nach Absatz
3 kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach
Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung erheben auf
Feststellung eines Verstoßes gegen
1.das Benachteiligungsverbot der Träger der öffentlichen
Verwaltung nach § 1 Abs. 2,
2.die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Verwaltung
zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 11 Abs. 1, §
12 Abs. 1 und, hinsichtlich der öffentlich zugänglichen
Verkehrsanlagen, Abs. 2 sowie § 14,
3.die Verpflichtung zur Unterrichtung von gehörlosen
Schülerinnen und Schülern in Deutscher Gebärdensprache
und lautsprachbegleitenden Gebärden nach § 25 Abs. 7 Satz
1 Schulgesetz.
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die
Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt
wird. Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte
durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann
oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1
nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es
sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner
Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt. Für Klagen
nach Absatz 1 gelten die Vorschriften des 8. Abschnittes der
Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe,
dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn die
angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde
erlassen worden ist.
(3) Die Klagebefugnis nach Absatz 1 steht
Interessenverbänden behinderter Menschen zu, die
1.nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die
Belange behinderter Menschen fördern,
2.nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder oder
Mitgliedsvereine und –verbände dazu berufen sind,
Interessen behinderter Menschen auf Landesebene zu
vertreten,
3.mindestens drei Jahre bestehen und in diesem Zeitraum im
Sinne der Nummer 1 tätig gewesen sind und
4.wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1
Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes von der
Körperschaftssteuer befreit sind.
(4) Werden behinderte Menschen in ihren Rechten nach Absatz
1 verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem
Einverständnis Verbände nach Absatz 3, die nicht selbst am
Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen
Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem
Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst
vorliegen. Das Einverständnis ist schriftlich zu erklären.
(5) Macht ein behinderter Mensch oder ein Interessenverband
Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung im Sinne von §
2 Abs. 2 vermuten lassen, trägt die Gegenseite die
Beweislast dafür, dass eine Benachteiligung nicht vorliegt,
die Benachteiligung durch zwingende Gründe geboten ist oder
dass nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe
vorliegen.
Abschnitt 2:
Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für behinderte Menschen
§ 5 Bestellung
(1) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident
bestellt eine Landesbeauftragte oder einen
Landesbeauftragten für behinderte Menschen für die Dauer von
sechs Jahren. Die erneute Bestellung ist möglich. Die oder
der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein.
(2) Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und die
Interessenverbände behinderter Menschen im Sinne von § 4
Abs. 3 können Personen für das Amt der oder des
Landesbeauftragten für behinderte Menschen vorschlagen.
§ 6 Aufgaben
(1) Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist es,
1. die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am
Leben in der Gesellschaft aktiv zu fördern,
2. darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtung des Landes, für
gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne
Behinderung zu sorgen, in allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens erfüllt wird und
3. den Landtag und die Landesregierung in
Grundsatzangelegenheiten behinderter Menschen zu beraten.
(2) Die oder der Landesbeauftragte wirkt aktiv darauf hin,
dass geschlechtsspezifische Benachteiligungen von
behinderten Frauen abgebaut und verhindert werden.
(3) Jede Person, jeder Verband oder jede Institution kann
sich in Angelegenheiten, die die Lebenssituation behinderter
Menschen betreffen, an die Landesbeauftragte oder den
Landesbeauftragten wenden.
§ 7 Weisungsunabhängigkeit
(1) Die oder der Landesbeauftragte handelt
weisungsunabhängig. Dies betrifft insbesondere
Stellungnahmen gegenüber dem Landtag, Behörden, Verbänden
oder der Öffentlichkeit.
2)Die oder der Landesbeauftragte hat, auch nach Beendigung
ihrer oder seiner Tätigkeit, über die ihr oder ihm bei ihrer
oder seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten
Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Tatsachen,
die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner
Geheimhaltung bedürfen.
(3) Die oder der Landesbeauftragte darf ohne
Aussagegenehmigung der Ministerpräsidentin oder des
Ministerpräsidenten über Angelegenheiten nach Absatz 2
Satz 1 weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder
Erklärungen abgeben.
§ 8 Unterstützung durch die Träger der öffentlichen Verwaltung
(1) Die Träger der öffentlichen Verwaltung erteilen der
oder dem Landesbeauftragten zur Situation behinderter
Menschen Auskunft und unterstützen sie oder ihn bei der
Erfüllung der Aufgaben. Die dem Datenschutz dienenden
Vorschriften bleiben hiervon unberührt.
(2) Stellt die oder der Landesbeauftragte Verstöße gegen
das Benachteiligungsverbot des § 1 Abs. 2 fest, fordert sie
oder er eine Stellungnahme an und beanstandet gegebenenfalls
festgestellte Verstöße. Mit der Beanstandung können
Vorschläge zur Beseitigung der Mängel und zur Verbesserung
der Umsetzung des Benachteiligungsverbots verbunden werden.
§ 9 Beteiligung
(1) Die Landesregierung beteiligt die Landesbeauftragte oder
den Landesbeauftragten frühzeitig und umfassend an allen
Gesetzes- oder Verordnungsvorhaben, die die Belange
behinderter Menschen betreffen.
(2) Die oder der Landesbeauftragte ist durch den Landtag bei
Gesetzesvorhaben, die ihren oder seinen Zuständigkeitsbereich
betreffen, anzuhören.
§ 10 Bericht
Die oder der Landesbeauftragte berichtet der Landesregierung
alle zwei Jahre über die Situation der behinderten Menschen in
Schleswig- Holstein sowie über ihre oder seine Tätigkeit. Die
Landesregierung leitet den Bericht dem Landtag zu.
Abschnitt 3: Besondere Vorschriften
§ 11 Gebärdensprache
(1) Die Deutsche Gebärdensprache wird als eigenständige
Sprache anerkannt. Lautsprachbegleitende Gebärden werden als
Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte, hochgradig
Schwerhörige) haben das Recht, in Verwaltungsverfahren in
Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden
Gebärden zu kommunizieren, sofern nicht eine schriftliche
Verständigung möglich ist. Die Träger der öffentlichen
Verwaltung haben dafür auf Wunsch der Berechtigten eine
Gebärdensprachdolmetscherin oder einen
Gebärdensprachdolmetscher hinzuzuziehen, mit deren oder
dessen Hilfe die Verständigung erfolgen kann. Kann eine
Frist nicht eingehalten werden, weil eine
Gebärdensprachdolmetscherin oder ein
Gebärdensprachdolmetscher nicht rechtzeitig zur Verfügung
gestellt werden konnte, ist die Frist angemessen zu
verlängern. Darüber hinaus soll eine
Gebärdensprachdolmetscherin oder ein
Gebärdensprachdolmetscher hinzugezogen werden, wenn dies zur
Wahrnehmung eigener Rechte unerlässlich ist. Die notwendigen
Aufwendungen sind von dem Träger der öffentlichen Verwaltung
zu tragen. Die Entschädigung erfolgt in entsprechender
Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen
§ 12 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau-
und Verkehr
(1) Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten baulicher
Anlagen der Träger der öffentlichen Verwaltung sind
entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik
barrierefrei zu gestalten. Von diesen Anforderungen kann
abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem
Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden
können. Ausnahmen von Satz 1 hinsichtlich großer Um- und
Erweiterungsbauten sind zulässig, wenn die Anforderungen nur
mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden
können. Die Bestimmungen der Landesbauordnung bleiben
unberührt.
(2) Neubauten, große Um- und Erweiterungsbauten öffentlich
zugänglicher Verkehrsanlagen der Träger der öffentlichen
Verwaltung sowie die Beschaffungen neuer Beförderungsmittel
für den öffentlichen Personennahverkehr sind unter
Berücksichtigung der Belange behinderter und älterer
Menschen sowie anderer Personen mit
Mobilitätsbeeinträchtigung zu gestalten oder durchzuführen.
Absatz 1 Satz 2 und 3 gelten entsprechend.
§ 13 Barrierefreie Informationstechnik
Die Träger der öffentlichen Verwaltung gestalten ihre
Internetseiten sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten
grafischen Oberflächen nach Möglichkeit so, dass sie
behinderte Menschen nutzen können.
§ 14 Gestaltung von Bescheiden, amtlichen Informationen und
Vordrucken
Die Träger der öffentlichen Verwaltung haben bei der
Gestaltung von Verwaltungsakten, Allgemeinverfügungen,
öffentlich-rechtlichen Verträgen, Vordrucken und amtlichen
Informationen Behinderungen von Menschen zu berücksichtigen.
Blinde und sehbehinderte Menschen können insbesondere
verlangen, dass ihnen Verwaltungsakte, Vordrucke und amtliche
Informationen in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich
gemacht werden. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.
Artikel 2 Änderung der Landeswahlordnung
Die Landeswahlordnung vom 1. November 1991 (GVOBl. Schl.-H. S.
459), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. Mai 1999
(GVOBl. Schl.-H. S. 153), wird wie folgt geändert:
1.§ 33 wird wie folgt geändert:
a)Folgender neuer Absatz 3 wird eingefügt:
”(4) Muster der Stimmzettel werden unverzüglich nach
ihrer Fertigstellung den Blindenvereinen, die ihre
Bereitschaft zur Herstellung der Stimmzettelschablonen
erklärt haben, zur Verfügung gestellt”.
b)Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden die Absätze 4 und 5.
2.§ 34 Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:
”Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen so
ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen
Wahlberechtigten, insbesondere behinderten und anderen
Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an
der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeindewahlbehörde
teilt frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche
Wahlräume barrierefrei sind.”
3.§ 45 wird folgender Absatz 4 angefügt:
”(4) Eine Wählerin oder ein Wähler, die oder der blind oder
sehbehindert ist, kann sich zur Kennzeichnung des
Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone bedienen.”
Artikel 3
Änderung der Gemeinde- und Kreiswahlordnung
Die Gemeinde- und Kreiswahlordnung vom 19. März 1997 (GVOBl.
Schl.-H. S. 167), zuletzt geändert durch Verordnung vom
(GVOBl. Schl.-H. S. ), wird wie folgt geändert:
1.§ 34 wird wie folgt geändert:
a)Folgender neuer Absatz 4 wird eingefügt:
”(4) Muster der Stimmzettel werden unverzüglich nach
ihrer Fertigstellung den Blindenvereinen, die ihre
Bereitschaft zur Herstellung der Stimmzettelschablonen
erklärt haben, zur Verfügung gestellt.”
b)Die bisherigen Absätze 4 und 5 werden die Absätze 5 und
6.
2.§ 35 Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:
”Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen so
ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen
Wahlberechtigten, insbesondere behinderten und anderen
Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an
der Wahl möglichst erleichtert wird. Die
Gemeindewahlleiterin oder der Gemeindewahlleiter teilt
frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche Wahlräume
barrierefrei sind.”
3.§ 46 wird folgender Absatz 4 angefügt:
”(4) Eine Wählerin oder ein Wähler, die oder der blind oder
sehbehindert ist, kann sich zur Kennzeichnung des
Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone bedienen.”
Artikel 4
Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes
Das Schleswig- Holsteinische Schulgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 2. August 1990 (GVOBl. Schl.-H. S. 451),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2001 (GVOBl.
Schl.-H. S. 365), wird wie folgt geändert:
1.In § 4 wird folgender Absatz angefügt:
”(10) Zur Erreichung der Bildungs- und Erziehungsziele sind
behinderte Schülerinnen und Schüler besonders zu
unterstützen.”
2.In § 25 wird folgender Absatz angefügt:
”(7) An Schulen für Hörgeschädigte wird der Unterricht für
gehörlose Schülerinnen und Schüler neben der Laut- und
Schriftsprache in Deutscher Gebärdensprache und
lautsprachbegleitenden Gebärden erteilt. Werden hörende
und hörbehinderte Schülerinnen und Schüler gemeinsam in
einer Klasse unterrichtet, kann der Unterricht für die
Schülerinnen und Schüler mit Hörbehinderung im Rahmen der
personellen Möglichkeiten auch in Deutscher
Gebärdensprache oder lautsprachbegleitenden Gebärden
erteilt werden.”
Artikel 5
Änderung des Hochschulgesetzes
§ 2 Abs. 5 des Hochschulgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 4. Mai 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 416) wird
wie folgt geändert:
Satz 2 wird durch folgende Sätze ersetzt:
”Sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse behinderter
Studierender insbesondere bei den Studienangeboten, der
Studienorganisation und den Prüfungen. Sie berücksichtigen
ebenfalls die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit
Kindern.”
Artikel 6
Änderung des Bildungsfreistellungs- und
Qualifizierungsgesetzes
Das Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz für das
Land Schleswig- Holstein vom 7.Juni 1990 (GVOBl. Schl.-H. S.
364), geändert durch Gesetz vom 8.Februar 1994 (GVOBl. Schl.-
H. S. 124, 126), Zuständigkeiten und Ressortbezeichnungen
ersetzt durch Verordnung vom 24.Oktober 1996 (GVOBl. Schl.-H.
S. 652,655), wird wie folgt geändert:
1.§ 3 Abs. 1 Satz 2 erhält folgende Fassung:
«Die Weiterbildung soll auch die Gleichstellung von Frauen
und Männern sowie von Menschen mit und ohne Behinderung
fördern.»
2. In § 6 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
«Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des Satzes 2 sind
auch behinderte Menschen im Arbeitsbereich einer anerkannten
Werkstatt für behinderte Menschen.»
Artikel 7 Änderung der Bildungsfreistellungsverordnung
Die Bildungsfreistellungsverordnung vom 2. Juli 1990 (GVOBl.
Schl.-H. S. 427), Zuständigkeiten und Ressortbezeichnungen
ersetzt durch Verordnung vom 24. Oktober 1996 (GVOBl. Schl.-H.
S. 652), wird wie folgt geändert:
§ 3 Abs. 5 Satz 3 erhält folgende Fassung:
”Satz 2 gilt nicht, wenn die Inhalte nach den Nummern 1 bis 3
einem beruflichen oder politischen Bildungsziel, der
Gleichstellung von Mann und Frau sowie von Menschen mit und
ohne Behinderung oder der Vorbereitung auf das Alter dienen.”
Artikel 8 Änderung der Landesbauordnung
§ 19 Abs. 1 Landesbauordnung für das Land Schleswig- Holstein
in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 2000 (GVOBl.
Schl.-H. S. 47, ber. S. 213) wird wie folgt geändert:
In Satz 1 werden der Punkt durch ein Semikolon ersetzt und
folgende Worte angefügt:
”hierbei sind auch die Belange behinderter Menschen zu
berücksichtigen.”
Artikel 9 Änderung des Straßen- und Wegegesetzes
Das Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein in
der Fassung vom 2. April 1996 (GVOBl. Schl-H.S. 413), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 23.Januar 1998 (GVOBl. Schl.-H.S.
37), wird wie folgt geändert:
§ 10 Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
”Den Bedürfnissen sehbehinderter Menschen soll durch
entsprechende Orientierungshilfen, denjenigen mit
beeinträchtigter Mobilität durch barrierefreie
Gehwegübergänge Rechnung getragen werden; die Belange von
älteren Menschen und Kindern sind zu berücksichtigen.”
Artikel 10
Änderung des Gesetzes über den Personennahverkehr
Das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in
Schleswig-Holstein vom 26.Juni 1995 (GVOBL. Schl.-H. S. 262),
angepasst durch Verordnung vom 16. Juni 1998 (GVOBl. Schl.-H.
S. 210), wird wie folgt geändert:
1.§ 4 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 3 wird folgende Nr. 5 a angefügt:
”5 a. Maßnahmen zu Herstellung von Barrierefreiheit,”
2.In Absatz 5 Satz 1 werden die Worte ”Personen mit
Behinderungen” durch ”Menschen mit Behinderung” ersetzt.
3.§ 5 Abs. 2 Nr. 5 wird wie folgt ergänzt:
”g) Barrierefreiheit”
Artikel 11 Änderung des Denkmalschutzgesetzes
§ 9 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 21.November 1996 (GVOBl. Schl.-H. S. 676,
ber. 1997 S. 360) wird wie folgt geändert:
Nach Satz 2 wird folgender Satz eingefügt:
”Betrifft die Genehmigung nach Absatz 1 ein Denkmal eines
Trägers der öffentlichen Verwaltung, das dem allgemeinen
Besucherverkehr dient, berücksichtigt die Denkmalschutzbehörde
die Belange behinderter und anderer in der Mobilität
beeinträchtigter Menschen.”
Artikel 12 Jugendförderungsgesetz
§ 2 Abs. 2 des Jugendförderungsgesetzes vom 5. Februar 1992
(GVOBl. Schl.-H. S. 158, ber. S. 226) zuletzt geändert durch
Gesetz vom 19. Dezember 2000 (GVOBl. Schl.-H. 2001 S. 1),
Zuständigkeiten und Ressortbezeichnungen ersetzt durch
Verordnung vom 13. Februar 2001 (GVOBl. Schl.-H. S. 34),
erhält folgende Fassung:
”Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von
Mädchen und Jungen sowie von behinderten und nichtbehinderten
Kindern und Jugendlichen sind Maßnahmen zu treffen, welche die
Gleichbehandlung der Geschlechter sowie von Menschen mit und
ohne Behinderung zum Ziel haben.”
Artikel 13 Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang
Die auf Artikel 2, 3 und 7 beruhenden Teile der dort
geänderten Verordnungen können auf Grund der jeweils
einschlägigen Ermächtigung durch Rechtsverordnung geändert
werden.
Artikel 14 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am
in Kraft.
Begründung
A.Allgemeiner Teil
I. Notwendigkeit und Ziele des Gesetzes
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll dem gewandelten
Selbstverständnis behinderter Menschen und dem Wandel der in
der Vergangenheit die Behindertenpolitik beherrschende
Grundauffassung Rechnung getragen werden. Behinderte
Menschen wollen in gleicher Weise wie nicht behinderte
Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und nicht
nur auf die Fürsorge in der Gesellschaft angewiesen sein.
Die Landesregierung ist daher bestrebt, möglichst viele
Barrieren zu beseitigen, die behinderte Menschen an einer
gleichen Teilhabe hindern, rechtliche Diskriminierungen
ausschließen und Ursachen für mögliche Benachteiligungen zu
beseitigen.
Mit der Ergänzung des Artikels 3 Abs. 3 Grundgesetz um den
Satz 2: ”Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden” hat der Verfassungsgeber die Verpflichtung deutlich
gemacht, dass benachteiligende und ausgrenzende Bestimmungen
und diskriminierende Bedingungen im Alltag behinderter
Menschen gesellschaftlich nicht zu akzeptieren sind.
Hinsichtlich der sozialrechtlichen Ansprüche auf eine
gleiche Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der
Gesellschaft wurde das Benachteiligungsverbot des
Grundgesetzes im Sozialgesetzbuch – IX. Buch neu geregelt.
Zusätzlich müssen auch weitere Lebensbereiche so gestaltet
werden, dass behinderte Menschen – soweit dies möglich ist –
ohne besondere Erschwernisse gleiche Chancen im Alltag
haben.
Mit der Erarbeitung des Landesgleichstellungsgesetzes für
behinderte Menschen entspricht die Landesregierung vor allem
auch einem Anliegen der Verbände behinderter Menschen.
II. Inhaltliche Schwerpunkte
Der Gesetzesentwurf stellt einen wesentlichen Beitrag zur
rechtlichen Umsetzung des Benachteiligungsverbotes behinderter
Menschen auf Landesebene dar. Er sieht eine Reihe von
Maßnahmen zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen
vor. Art. 1 sieht für die Träger der öffentlichen Verwaltung
allgemeine Vorschriften vor, mit denen die Ziele der
Gleichstellung behinderter Menschen beschrieben und die
Instrumente der Durchsetzung bestimmt werden. Als Gesetzesziel
wird die Beseitigung der Benachteiligung behinderter Frauen
betont. Die Deutsche Gebärdensprache und die
lautsprachbegleitenden Gebärden werden als eigenständige
Sprache bzw. als Kommunikationsform der deutschen Sprache
anerkannt. Ferner sieht das Gesetz ein Verbandsklagerecht und
das Instrument der Zielvereinbarung zur Erreichung von
Barrierefreiheit vor.
Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen
Abschnitt 1 beschreibt als Ziel des Gesetzes die Beseitigung
und Verhinderung der Benachteiligung behinderter Menschen,
die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und
Chancengleichheit und Gewährleistung der gleichberechtigten
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Dieses Ziel sollen
die Träger der öffentlichen Verwaltung aktiv fördern und
entsprechend geeignete Maßnahmen zur Erreichung dieses
Zieles ergreifen. Sie dürfen behinderte Menschen nicht
benachteiligen. Bei der Verwirklichung der Gleichstellung
von Männern und Frauen sind die Belange behinderter Frauen
zu berücksichtigen(vgl. § 1). § 2 definiert die Begriffe
Behinderung, Benachteiligung und Barrierefreiheit. Das
Instrument der Zielvereinbarungen (§ 3) gibt einen Rahmen,
durch vertragliche Regelungen das Ziel der Barrierefreiheit
zu erreichen. § 4 gewährt Behindertenverbänden bei der
Verletzung bestimmter Rechte dieses Gesetzes ein
Verbandsklagerecht und regelt die Umkehr der Beweislast,
wenn glaubhaft gemacht wird, dass Tatsachen eine
Benachteiligung vermuten lassen.
Abschnitt 2: Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für behinderte Menschen
Dieser Abschnitt ( §§ 5 – 10) regelt die Rechtsstellung und
die Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für die Belange
behinderter Menschen. Seit 1986 gibt es eine oder einen
Beauftragten der Landesregierung für die Belange behinderter
Menschen. Das Amt der oder des Beauftragten hat sich bewährt
und erhält eine gesetzliche Grundlage. Geregelt werden
insbesondere ihre oder seine Bestellung, der Aufgabenbereich
sowie ihre oder seine Beteiligung bei Vorhaben der
Landesregierung und des Landtages.
Abschnitt 3 Besondere Vorschriften
Dieser Abschnitt enthält Vorschriften, die der
Gleichstellung behinderter Menschen unmittelbar dienen:
Die Deutsche Gebärdensprache wird als eigenständige
Sprache und die lautsprachbegleitenden Gebärden werden als
Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt (§ 11).
Gleichzeitig erhalten hörbehinderte Menschen das Recht, in
Verwaltungsverfahren in Deutscher Gebärdensprache oder
lautsprachbegleitenden Gebärden zu kommunizieren. Die Kosten
für eine Gebärdensprachdolmetscherin oder einen
Gebärdensprachdolmetscher muss der zuständige Träger der
öffentlichen Verwaltung übernehmen.
Für die Bereiche Bau und Verkehr (§ 12) wird
Barrierefreiheit für Neubauten sowie große Um- und
Erweiterungsbauten der Träger der öffentlichen Verwaltung
vorgesehen. Ferner gilt dies für öffentlich zugängliche
Verkehrsanlagen und für die Beschaffung von
Beförderungsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs.
Allerdings sind auch Ausnahmeregelungen vorgesehen, wenn
Barrierefreiheit nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand
erreicht werden kann. Durch Begrenzung auf Neubauten sowie
große Um- und Erweiterungsbauten wird vermieden, dass
finanziell nicht tragbare Umbauprogramme aufgelegt werden
müssen.
Angesichts immer größerer Bedeutung der Informationstechnik
werden die Träger der öffentlichen Verwaltung verpflichtet,
die entsprechenden Angebote insbesondere ihrer
Internetseiten so zu gestalten, dass sie auch von
behinderten Menschen genutzt werden können (§ 13).
Die Träger der öffentlichen Verwaltung werden ferner
verpflichtet, insbesondere Bescheide, Vordrucke und amtliche
Informationen so zu gestalten, dass sie insbesondere auch
von Blinden und sehbehinderten Menschen wahrgenommen werden
können (§ 14).
Artikel 2 bis 12
In den Artikeln 2 bis 12 werden die in Artikel 1 genannten
Grundsätze in Einzelgesetzen umgesetzt, insbesondere:
- Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei Wahlen
(Artikel 2 und 3),
- Verpflichtung zur Unterrichtung der gehörlosen
Schülerinnen und Schüler in deutscher Gebärdensprache und
lautsprachbegleitenden Gebärden neben der Laut- und
Schriftsprache an Schulen für Hörgeschädigte (Artikel 4),
- Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse behinderter
Studierender insbesondere hinsichtlich
Studienorganisation und Prüfungen (Artikel 5) sowie
Förderung der Gleichstellung von Menschen mit und ohne
Behinderung im Rahmen der Weiterbildung (Artikel 6 u. 7)
sowie im Rahmen der Jugendförderung (Artikel 12).
- Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen im Rahmen
des Brandschutzes (Artikel 8), Präzisierung der Bedürfnisse
sehbehinderter Menschen (Orientierungshilfen) und
mobilitätseingeschränkter Menschen (barrierefreie
Gehwegübergänge) im Straßenverkehr (Artikel 9),
verpflichtende Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei der
Aufstellung von Nahverkehrsplänen (Artikel 10) sowie
Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen bei
Genehmigungen durch die Denkmalschutzbehörde (Artikel 11).
B Besonderer Teil
Zu Artikel 1: Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
des Landes Schleswig-Holstein
(Landesbehindertengleichstellungsgesetz)
Zu Abschnitt 1: Allgemeine Bestimmungen
Zu § 1: Gesetzesziel
Die Vorschrift formuliert in Ausfüllung des
Benachteiligungsverbotes behinderter Menschen in Artikel 3
Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz vier zentrale Ziele dieses
Gesetzes:
1. Beseitigung und Verhinderung von Benachteiligungen, um
2. gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit
herzustellen zur
3. Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe am Leben in
der Gesellschaft und
4. einer selbstbestimmten Lebensführung.
Die Beschreibung des Gesetzeszieles verdeutlicht einen
umfassenden Ansatz. Es geht nicht nur um die bloße
Kompensation von Nachteilen durch Behinderungen. Vielmehr
sind die äußeren Lebensbedingungen behinderter Menschen so
zu gestalten, dass sie gleichwertige Lebensbedingungen und
damit Chancengleichheit zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit
vorfinden. Ziel dieses Gesetzes ist es also, alle diejenigen
Barrieren zu beseitigen und das Lebensumfeld so zu
gestalten, dass Menschen mit Behinderung ein Leben in Würde
ermöglicht wird. Eine tatsächliche Gleichstellung wird aber
erst durch die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten
erreicht, die selbstbestimmtes Leben letztlich ermöglichen.
Absatz 2 Satz 1 verpflichtet die Träger der öffentlichen
Verwaltung (im Sinne von § 2 Landesverwaltungsgesetz) die
Ziele gem. Absatz 1 aktiv zu fördern und Maßnahmen zur
Herstellung von Barrierefreiheit zu ergreifen. Darüber
hinaus stellt Satz 2 fest, dass die Träger der öffentlichen
Verwaltung generell behinderte Menschen nicht benachteiligen
dürfen. Der Abbau und die Vermeidung von Benachteiligungen
stellen somit eine ständige Aufgabe der Träger der
öffentlichen Verwaltung dar und sollen vorbildhaft vor allem
dort umgesetzt werden, wo diese unmittelbar durch konkrete
Benachteiligungsgebote sichergestellt werden können.
Behinderte Frauen sind oft in zweifacher Hinsicht
Benachteiligungen ausgesetzt. Sie können einmal gegenüber
nicht behinderten Menschen aufgrund ihrer spezifischen
Behinderung benachteiligt sein. Zum anderen können auch
behinderte Frauen die Benachteiligungen, denen Frauen auch
heute noch trotz rechtlicher Gleichstellung ausgesetzt sind,
erleiden. Beides zusammen führt dann zu einer doppelten
Benachteiligung. Aus den genannten Gründen enthält Absatz 3
die Verpflichtung, im Zuge der Geschlechtergleichstellung
die besonderen Belange behinderter Frauen zu
berücksichtigen.
Soweit Ungleichheiten zu Lasten behinderter Frauen bestehen,
sind nach Satz 2 Maßnahmen zu Förderung der Gleichstellung
behinderter Frauen, die dem Abbau oder dem Ausgleich dieser
Ungleichheiten dienen, zulässig. Satz 2 lässt spezifische
Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung behinderter
Frauen aber dann zu, wenn diese dem Abbau oder dem Ausgleich
bestehender Ungleichheiten gegenüber Männern oder
behinderten Männern dienen. Betreffen Benachteiligungen
behinderter Menschen Männer und Frauen im gleichen Maße, so
sind spezifische Maßnahmen zu Gunsten behinderter Frauen
nicht zulässig.
Zu § 2: Begriffsbestimmungen
§ 2 enthält drei wesentliche Begriffsbestimmungen:
Die Definition der Behinderung (Abs. 1) übernimmt die in § 2
Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – IX. Buch – SGB IX –
festgelegte Bestimmung. Dies wurde vor allem mit dem Ziel
verbunden, den unterschiedlichen Rechtsmaterien einen
einheitlichen Behinderungsbegriff zu Grunde zu legen. Dieser
Behinderungsbegriff wird auch dem
Bundesgleichstellungsgesetz für behinderte Menschen zu
Grunde gelegt. Im Gegensatz zu bisherigen Definitionen wird
auf die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft und nicht mehr auf vermeintliche oder
tatsächliche Defizite abgestellt. Dabei wird eine
Beeinträchtigung erst dann als Behinderung erfasst, wenn sie
voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird, um
Menschen mit nur vorübergehenden Einschränkungen nicht in
diesem Personenkreis einzubeziehen.
Unter dem für ”das jeweilige Lebensalter untypischen
Zustand” ist der Verlust oder die Beeinträchtigung von
normalerweise vorhandenen körperlichen Funktionen, geistigen
Fähigkeiten oder seelischer Gesundheit zu verstehen. Wirkt
sich diese Beeinträchtigung in einem oder mehreren
Lebensbereichen aus, dann liegt die Behinderung in der
Auswirkung der Beeinträchtigung.
Absatz 2 konkretisiert das verfassungsrechtliche
Benachteiligungsverbot des Artikels 3 Abs. 3 Satz 2
Grundgesetz durch eine Definition des Begriffes der
Benachteiligung. Eine unterschiedliche Behandlung von
Menschen mit und ohne Behinderung ist danach verboten,
soweit hierfür nicht ein zwingender Grund vorliegt. Dies
bedeutet, dass die benachteiligenden Auswirkungen
unerlässlich sein müssen, um behinderungsbezogenen
Besonderheiten Rechnung zu tragen. Entsprechend der
Konzeption des verfassungsrechtlichen
Benachteiligungsverbotes wird hierdurch nur eine solche
unterschiedliche Behandlung verboten, die einen behinderten
Menschen in der gleichberechtigten Teilnahme am Leben in der
Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt, d.h.
seine rechtliche oder tatsächliche Position verschlechtert.
Es ist nicht erforderlich, dass die unterschiedliche
Behandlung gerade ”wegen der Behinderung” erfolgte. Satz 2
verdeutlicht jedoch, dass eine Benachteiligung immer dann
vorliegt, wenn sie wegen der Behinderung erfolgt. Dieses
zusätzliche Tatbestandsmerkmal hat allerdings Konsequenzen
für die Beweissituation. Die benachteiligte Klägerin oder
der benachteiligte Kläger muss dann nach den allgemeinen
Beweislastregeln den vollen Beweis führen, dass sie oder er
gerade ”wegen der Behinderung” schlechter behandelt wurde.
Satz 3 stellt klar, dass auch beim Vorliegen zwingender
Gründe dafür Sorge zu tragen ist, die Benachteiligung, d.h.
die Einschränkung in der Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft, durch andere Lösung so gering wie möglich zu
halten. Erst dann, wenn für andere Lösungen übermäßig hohe
Kosten entstehen, ist eine Benachteiligung behinderter
Menschen hinnehmbar. Was hierbei unter unverhältnismäßigem
Mehraufwand zu verstehen ist, ist im Einzelfall zu
beurteilen.
Absatz 3 stellt eine zentrale Bestimmung des Gesetzes dar.
Mit dieser Definition soll deutlich gemacht werden, dass
nicht nur die physischen Barrieren wie Treppen, zu schmale
Gänge, Stolperstufen, ungesicherte Baugruben usw. gemeint
sind, sondern auch die kommunikativen Schranken erfasst
werden, denen beispielsweise hörbehinderte Menschen
ausgesetzt sind, wenn gehörlosen Menschen zur Verständigung
mit hörenden Menschen Gebärdensprachdolmetscher fehlen oder
mit denen Blinde konfrontiert werden, wenn sie in Sitzungen
Schwarzschriftdokumente nicht lesen können und keine
Vorlesekräfte zur Verfügung haben. Auch ist den besonderen
Belangen seelisch- und geistig- sowie lernbehinderter
Menschen Rechnung zu tragen. Die Definition löst die
Begriffe ”behindertengerecht” und ”behindertenfreundlich”
ab, die in der Kombination von ”behindert” und ”gerecht”
oder ”freundlich” falsche Assoziationen der besonderen
Zuwendung zu behinderten Menschen auslösen können. Vielmehr
geht es um eine allgemeine Gestaltung des Lebensumfeldes für
alle Menschen, die möglichst niemanden ausschließt und von
allen gleichermaßen genutzt werden kann. Während
Sonderlösungen häufig mindere Standards bieten,
kostenintensiv zu verwirklichen sind und nur begrenzte
Spielräume eröffnen, ermöglichen allgemeine Lösungen eher
eine gleiche und uneingeschränkte Teilhabe ohne oder mit
geringen zusätzlichen Kosten.
Die in der Vorschrift beispielhaft aufgezählten gestalteten
Lebensbereiche sollen deutlich machen, dass vollständige
Barrierefreiheit grundsätzlich einen umfassenden Zugang und
eine uneingeschränkte Nutzung aller Lebensbereiche
voraussetzt. Welche Anforderungen an die Barrierefreiheit im
Einzelnen gestellt werden, wird in den speziellen
Rechtsvorschriften geregelt und ausgeführt. Dabei ist zwar
auf eine grundsätzlich selbständige Nutzungsmöglichkeit
behinderter Menschen ohne fremde Hilfe abzustellen. Das
schließt aber nicht aus, dass behinderte Menschen dennoch
wegen ihrer Beeinträchtigung auch bei optimaler Gestaltung
der Lebensbereiche auf Hilfen angewiesen sein können.
Auch soll die Gestaltung nicht auf eine spezielle Ausprägung
einer Behinderung, sondern auf eine möglichst allgemeine
Nutzbarkeit abgestimmt werden. Spezielle Lösungen, die eine
Zugänglichkeit nur über Hinter- oder Nebeneingänge, Rampen
oder Treppenlifte zulassen oder längere Umwege erfordern,
ermöglichen die Nutzung nicht in der allgemein üblichen
Weise, stellen besondere Erschwernisse dar und lösen häufig
weiteren Hilfebedarf aus. Solche Gestaltungen sind
grundsätzlich zu vermeiden.
Zu § 3: Zielvereinbarungen
Absatz 1 beschreibt den Anwendungsbereich der
Zielvereinbarung als ergänzendes Instrument der Herstellung
der Barrierefreiheit für die Bereiche, die nicht bereits
durch besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche
Vorgaben hinreichend bestimmt sind (wie z.B. durch
Nahverkehrspläne nach dem Personenbeförderungsgesetz).
Vereinbarungspartner sollen die verpflichteten Unternehmen
oder Unternehmensverbände für ihre Tätigkeitsbereiche oder
ihre Produkte oder Dienstleistungen auf der einen und die
Behindertenverbände auf der anderen Seite sein. Ziel ist es,
Verbände mit einer gewissen Größe und Repräsentanz als
Partner für Zielvereinbarungen zu berechtigten, die auch
Verhandlung nach Satz 2 von den Unternehmen oder
Unternehmensverbänden fordern können. Damit soll
sichergestellt werden, dass Vereinbarungen von kompetenten
Partnern geschlossen werden, die möglichst umfassend die
Erfahrungen und Erkenntnisse der Betroffenen einbeziehen.
Satz 2 gibt allerdings den Unternehmen bzw. dem
Unternehmensverband das Recht, die Aufnahmen von
Verhandlungen zu verweigern, wenn bereits eine
Zielvereinbarung über den betreffenden
Verhandlungsgegenstand vorliegt. Damit soll vermieden
werden, dass Unternehmen oder Unternehmensverbände über den
gleichen Sachverhalt mit jedem Interessenverband neu
verhandeln müssen.
Je nach Reichweite der zu schließenden Zielvereinbarung wird
das Unternehmen oder der Unternehmensverband sowie der
Behindertenverband mit seiner räumlichen Untergliederung die
Vereinbarung schließen, die ihrem sachlichen und räumlichen
Organisations- und Tätigkeitsbereich entspricht. Z.B. soll
ein Blindenverband keine Vereinbarung für den barrierefreien
Zugang für Rollstuhlfahrer schließen. In der Praxis können
aber Zusammenschlüsse von Behindertenverbänden gemeinsam mit
den Unternehmen oder Unternehmensverbänden Vereinbarungen
schließen, die möglichst alle Formen von Beeinträchtigungen
umfassen. Damit würde für die Unternehmen oder
Unternehmensverbände auch mehr Rechts- und
Vertragssicherheit geschaffen.
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts
entfaltet die Zielvereinbarung rechtliche Verbindlichkeit
nur für die am Abschluss beteiligten Parteien. Die
Mitglieder eines Verbandes werden daher nur insoweit
verpflichtet, als der Verband aufgrund Satzung oder
Einzelvollmacht zu ihrer Vertretung berechtigt ist.
Absatz 2 konkretisiert die Anforderungen an eine
Zielvereinbarung, die in einer solchen Vereinbarung
mindestens enthalten sein müssen. Damit wird das Recht auf
Vertragsfreiheit nicht eingeschränkt, sondern durch
bestimmte Mindestinhalte näher konkretisiert. Es sind
mindestens die Vertragspartner und der räumliche und
sachliche Geltungsbereich der Regelung zu bestimmen, die
Standards für die barrierefreie Gestaltung der
Lebensbereiche festzulegen und die zeitlichen Vorgaben für
die Umsetzungsschritte zu setzen. Um eine solche
Vereinbarung auch umsetzungssicher zu machen, können auch
Regelungen für den Fall der Vertragsverletzung getroffen
werden. Als Instrumente freiwilliger Vereinbarungen soll der
Gestaltungswille der potenziellen Vertragspartner nicht
eingeschränkt werden.
Absatz 3 bestimmt, dass beim Landesbeauftragten für die
Belange behinderter Menschen an zentraler Stelle ein
Zielvereinbarungsregister geführt wird, bei dem sich
interessierte Bürgerinnen und Bürger und Verbände über die
Inhalte der abgeschlossenen Zielvereinbarungen informieren
können.
Zu § 4: Klagerecht
Absatz 1 führt den Geltungsbereich dieses Gesetzes ein
öffentlich-rechtliches Verbandsklagerecht zu Gunsten von
Verbänden behinderter Menschen ein. Dabei setzt die
Klagebefugnis nicht voraus, dass der klagende Verband in
eigenen subjektiven Rechten verletzt ist. Vielmehr wird ihm
allgemein die Möglichkeit eingeräumt , die tatsächliche
Anwendung von Vorschriften durchzusetzen, die dem Schutz
behinderter Menschen dienen. Das heißt, er muss geltend
machen, dass durch Maßnahmen eines Trägers der öffentlichen
Verwaltung Rechte behinderter Menschen aus einer der in Abs.
1 genannten Vorschriften verletzt sind.. Dem Verband wird
damit die Möglichkeit eingeräumt, die tatsächliche Anwendung
von Vorschriften dieses Gesetzes durchzusetzen, die dem
Schutz behinderter Menschen dienen. Eine Rechtsverfolgung im
Wege einer Verbandsklage wird vor allem in Betracht kommen,
um eine mit den Vorschriften des
Behindertengleichstellungsgesetzes im Einklang stehende
Verwaltungspraxis herbeizuführen.
Die Befugnis zur Verbandsklage steht nur Verbänden zu, zu
deren satzungsmäßigen Aufgaben die Unterstützung und
Förderung der Interessen behinderter Menschen durch
Aufklärung und Beratung gehört oder die Bekämpfung der
Benachteiligung behinderter Menschen. Die Verbände müssen
seit mindestens drei Jahren auf Landesebene organisiert und
gemeinnützig sein (vgl. Abs. 3). Dies garantiert eine
gewisse Größe der Interessenvertretung. Sie verfügen
aufgrund der Organisationsstruktur über spezielle Kenntnisse
der Sach- und Rechtslage.
Absatz 2 beschränkt die Klagbefugnis der Vereine und
Verbände im Sinne von Abs. 1 dahingehend ein, dass die Klage
nur zulässig ist, wenn sie durch die angegriffene Maßnahme
in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt sind.
Hierdurch soll vermieden werden, dass sich Vereine und
Verbände für Belange behinderter Menschen einsetzen, die für
den von ihnen vertretenen Personenkreis behinderter Menschen
ohne Bedeutung sind.
Eine weitere Einschränkung der Klagbefugnis der Vereine und
Verbände besteht im Falle von Absatz 2 Satz 2. D.h. immer
dann, wenn ein behinderter Mensch in einem subjektiven Recht
verletzt ist und die Verletzung im Wege der Gestaltungs-
oder Leistungsklage verfolgen kann, darf ein Verein oder
Verband nur dann klagen, wenn es sich um einen Fall
allgemeiner Bedeutung handelt, d.h. bei einer Vielzahl
gleichgelagerter Fälle. Um die Belastung der Gerichte so
gering wie möglich zu halten, muss auch bei einer
angegriffenen Maßnahme einer obersten Landesbehörde ein
Vorverfahren nach den Bestimmungen der
Verwaltungsgerichtsordnung durchgeführt werden.
Absatz 4 normiert ein besonderes Klagerecht der Vereine und
Verbände im Sinne von Absatz 1, um durch eine von Ihnen
wahrgenommene Prozessstandschaft die gerichtliche
Geltendmachung von Rechten behinderter Menschen an ihrer
Stelle und in ihrem Einverständnis zu erleichtern. Das
Einverständnis ist gegenüber dem Gericht schriftlich zu
erklären. Da der Verein oder der Verband im Falle einer
Klage nach Absatz 4 lediglich das Recht einer anderen Person
geltend macht, können seine Klagebefugnisse auch nicht über
deren eigene Möglichkeiten hinausgehen. Deshalb müssen die
gleichen Verfahrensvoraussetzungen (z.B. Einhaltung von
Fristen) erfüllt sein wie bei einer Klage durch die
vertretene Person selbst.
Absatz 5 bestimmt, dass im Falle der Geltendmachung
einer Benachteiligung deren Glaubhaftmachung ausreicht. Die
Gegenseite trägt dann die Beweislast, dass eine
Benachteiligung, d. h. eine Ungleichbehandlung gegenüber
nicht behinderten Menschen nicht vorliegt bzw. durch
zwingende Gründe geboten ist oder auf die Behinderung
bezogene sachliche Gründe hierfür nicht vorliegen. Durch die
Umkehr der Beweislast soll erreicht werden, dass sich die
Träger der öffentlichen Verwaltung bei ihrem Handeln mit dem
Gleichstellungsgebot zugunsten behinderter Menschen intensiv
auseinandersetzen und von vornherein nach Lösungen suchen,
die Sonderlösungen für behinderte Menschen nicht
erforderlich machen.
Zu Abschnitt 2: Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter
für behinderte Menschen
Das Amt der oder des Landesbeauftragten für behinderte
Menschen soll gesetzlich verankert werden. Damit erhält ihre
oder seine Stellung das Gleichgewicht wie die Stellung der
oder des Beauftragten für soziale Angelegenheiten, deren
oder dessen Aufgaben und Befugnisse im
Bürgerbeauftragtengesetz – BüG – vom 15. Januar 1992,
geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 1994 (GVOBl. S. 569
f.) geregelt sind.
Zu § 5: Bestellung
Absatz 1 verpflichtet die Landesregierung, eine oder einen
Beauftragte oder Beauftragten für die Belange behinderter
Menschen zu bestellen. Ihre oder seine Amtszeit soll sechs
Jahre betragen. Die erneute Bestellung ist möglich. Eine
befristete Bestellung ermöglicht eine Entlassung aus dem Amt
ohne Angaben von Gründen am Ende der Amtszeit und eröffnet
die Möglichkeit, die Pluralität behinderungspolitischer
Vorstellungen durch die Bestellung einer oder eines neuen
Beauftragten deutlich zu machen.
Satz 2 bestimmt, dass die oder der Beauftragte ein Mensch
mit Behinderung sein soll. Zwar ist für die Wahrnehmung der
Interessen behinderter Menschen die eigene Erfahrung mit den
Auswirkungen einer Behinderung nicht unerlässlich, führt
aber zu einer größeren Akzeptanz der Stellung der oder des
Beauftragten insbesondere bei den Menschen mit Behinderung
selbst.
Absatz 2 bestimmt, dass den Verbänden der freien
Wohlfahrtspflege und den Vereinen und Verbänden auf
Landesebene, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben die
Unterstützung der Interessen behinderter Menschen durch
Aufklärung und Beratung oder Bekämpfung der Benachteiligung
behinderter Menschen gehört, die Möglichkeit eingeräumt
wird, eine geeignete Persönlichkeit vorzuschlagen. Hierdurch
soll die Akzeptanz der Vereine und Verbände hinsichtlich der
Person der oder des Landesbeauftragten erhöht werden.
Zu § 6: Aufgaben
Absatz 1 beschreibt die zentralen Aufgaben der oder des
Landesbeauftragten. Sie oder er soll auf eine Verbesserung
der Lage von behinderten Menschen und die Durchsetzung des
Gleichstellungsgebotes hinwirken, indem sie oder er aktiv
die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen in der
Gesellschaft fördert und darauf hinwirkt, dass die
Verpflichtung des Landes, für gleichwertige
Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderungen zu
sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens
erfüllt werden. Diese Aufgaben erfüllt sie oder er
insbesondere dadurch, dass sie oder er den Landtag und die
Landesregierung in Grundsatzangelegenheiten behinderter
Menschen berät. Die oder der Landesbeauftragte ist aufgrund
ihrer oder seiner fachlichen Kompetenz und der Position als
Schnittstelle für die Wahrnehmung der Interessen behinderter
Menschen die geeignete Stelle, oberste Organe der
Legislative und der Exekutive in grundsätzlichen Fragen, die
behinderte Menschen betreffen, zu beraten.
Nach Absatz 2 gehört es auch zu den Aufgaben der oder des
Landesbeauftragten, aktiv darauf hinzuwirken, dass
geschlechtsspezifische Benachteiligungen von behinderten
Frauen abgebaut und verhindert werden.
Absatz 3 legt fest, dass sich jede Person, jeder Verband
oder jede Institution in Angelegenheiten, die die
Lebenssituation behinderter Menschen betreffen, an die
Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten wenden kann.
Es können sich also nicht nur behinderte Menschen an die
Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten wenden und
auch nicht nur, wenn Rechte behinderter Menschen verletzt
werden. Vielmehr hat jedermann das Recht, sich in allen die
Lebenssituation behinderter Menschen betreffenden
Angelegenheiten – sowohl positiven als auch negativen
Inhalts – an die Landesbeauftragte oder den
Landesbeauftragten zu wenden. Auf diese Weise erhält die
oder der Landesbeauftragte Unterstützung, gleichzeitig
erfährt sie oder er wesentliche Informationen, um politische
Handlungsnotwendigkeiten zur Situation von Menschen mit
Behinderung einschätzen zu können.
Zu § 7: Weisungsunabhängigkeit
Die Weisungsunabhängigkeit der oder des Landesbeauftragten
für Menschen mit Behinderung ist Voraussetzung dafür, dass
sie oder er ihre oder seine Vermittlungsposition zwischen
Regierung, Landtag und Behindertenverbänden unabhängig
wahrnehmen kann. Für die effektive Wahrnehmung ihrer oder
seiner Aufgaben ist ein Handlungsspielraum erforderlich, der
sie oder ihn befähigt, den aus dem Amt resultierenden
Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen und unbeschadet
tagespolitischer Erfordernisse nachzukommen. Die damit
verbundene Eigenverantwortlichkeit verhindert auch, dass
Äußerungen der oder des Landesbeauftragten unmittelbar der
Landesregierung zugerechnet werden.
Die oder der Landesbeauftragte befasst sich mit den
Problemen behinderter Menschen. Hierbei wird sie oder er
auch mit ganz persönlichen Problemen dieser Menschen
konfrontiert. Die Verpflichtung zu Verschwiegenheit ist
daher eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung ihrer
oder seiner Aufgaben. Abs. 2 stellt daher fest, dass die
oder der Landesbeauftragte auch nach Beendigung ihrer oder
seiner Tätigkeit über die ihr oder ihm bei ihrer oder seiner
Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheit Verschwiegenheit
zu bewahren hat und gem. Abs. 3 hierüber vor Gericht oder
außergerichtlich nur mit Genehmigung der Ministerpräsidentin
oder des Ministerpräsidenten Aussagen oder Erklärungen
abgeben darf.
Zu § 8: Unterstützung durch die öffentliche Verwaltung
Absatz 1 stellt die Unterstützung der oder des
Landesbeauftragten zur Situation von behinderten Menschen
durch die Träger der öffentlichen Verwaltung sicher. Um die
Aufgaben des Amtes der oder des Landesbeauftragten effektiv
wahrnehmen zu können, muss dieses Amt mit Befugnissen
ausgestattet werden, die einen Zugriff auf die
Verwaltungsebene ermöglichen. Dieser besteht hauptsächlich
in einem Informationsrecht, im Übrigen auch in einem
Anspruch auf Unterstützung (Amtshilfe). Da hierdurch auch
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert
werden kann, ist klargestellt, dass die Vorschriften des
Datenschutzgesetzes unberührt bleiben.
Absatz 2 bestimmt, dass der Landesbeauftragten oder dem
Landesbeauftragten bei festgestellten Verstößen gegen das
Benachteiligungsverbot im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 ein
Beanstandungsrecht zusteht. Allerdings ist sie oder er
gehalten, zunächst eine Stellungnahme anzufordern. Mit der
Beanstandung kann sie oder er Vorschläge zur Beseitigung der
Mängel und zur Verbesserung der Umsetzung des
Benachteiligungsverbotes verbinden. Alle weitergehenden
Schritte obliegen der für die Ausübung der Rechtsaufsicht
zuständigen Stelle.
Zu § 9: Beteiligung:
Absatz 1 regelt, dass die Landesregierung die oder den
Landesbeauftragten frühzeitig und umfassend an allen
Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, die ihren oder seinen
Zuständigkeitsbereich betreffen, beteiligt. Die oder der
Landesbeauftragte ist nur dann in der Lage, ihre oder seine
Aufgaben zu erfüllen, wenn sie oder er entsprechend
informiert ist.
Absatz 2 bezieht sich auf Gesetzesvorhaben des Landtages.
Eine Verpflichtung des Landtages, die Landesbeauftragte oder
den Landesbeauftragten bei Gesetzesvorhaben, die ihren oder
seinen Zuständigkeitsbereich berühren, zu beteiligen, stellt
sicher, dass die Einbindung der oder des Landesbeauftragten
nicht versäumt wird und jeweils das Vorliegen einer
Stellungnahme sichergestellt ist.
Zu § 10: Bericht
Für die Wahrnehmung der Belange der behinderten Menschen in
Schleswig-Holstein ist das Vorliegen umfassender
Informationen notwendige Voraussetzung. Eine wichtige
Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist daher die
Unterrichtung der Landesregierung, die so in der Lage
versetzt wird, den Prozess der Gleichstellung zu
kontrollieren. Damit die Situation von Menschen mit
Behinderung auch durch den Gesetzgeber Berücksichtigung
findet, wird geregelt, dass die Landesregierung den Bericht
dem Landtag zuleitet.
Zu Abschnitt 3: Besondere Vorschriften
Zu § 11: Gebärdensprache
Absatz 1 Satz 1 erkennt die Deutsche Gebärdensprache als
eigenständige Sprache an. In Umsetzung des Artikels 3 Abs. 3
Satz 2 Grundgesetz soll klargestellt werden, dass die von
hörbehinderten Menschen verwandte Deutsche Gebärdensprache
als eine der Deutschen Lautsprache ebenbürdige Form der
Verständigung zu respektieren ist. Satz 2 erkennt
lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsform der
Deutschen Sprache an.
Absatz 2 bestimmt, dass hörbehinderten Menschen (Gehörlose,
Ertaubte und Schwerhörige) in Verwaltungsverfahren das Recht
zusteht, die Deutsche Gebärdensprache oder
lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. Dies trägt dem
Umstand Rechnung, dass der betroffene Personenkreis die
Amtssprache nicht erlernen oder nicht (mehr) uneingeschränkt
verwenden kann und ihm deshalb diese
Kommunikationsmöglichkeiten mit den Trägern der öffentlichen
Verwaltung zur Verfügung gestellt werden sollen. Dies gilt
allerdings nur, wenn eine schriftliche Verständigung nicht
möglich ist. Die Hinzuziehung einer
Gebärdensprachdolmetscherin oder eines
Gebärdensprachdolmetschers wird insbesondere dann nicht
notwendig sein, wenn nur kurze Erklärungen abzugeben sind.
Letztlich wird es aber auf die Situation im Einzelfall
ankommen, ob eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein
Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen ist.
Der Wunsch auf Hinzuziehung einer
Gebärdensprachdolmetscherin oder eines
Gebärdensprachdolmetschers kann in der Weise umgesetzt
werden, dass die hörbehinderte Person selbst für die
Anwesenheit einer Gebärdensprachdolmetscherin oder eines
Gebärdensprachdolmetschers sorgt, oder den Träger der
öffentlichen Verwaltung darum bittet. Der Träger der
öffentlichen Verwaltung ist aber nicht verpflichtet ständig
Dolmetscherkapazität vorzuhalten.
Satz 3 bestimmt, dass eine Frist angemessen zu
verlängern ist, wenn eine Gebärdensprachdolmetscherin oder
ein Gebärdensprachdolmetscher nicht rechtzeitig zur
Verfügung steht. Voraussetzung ist allerdings, dass die
hörbehinderte Person den Wunsch auf Hinzuziehung einer
Gebärdensprachdolmetscherin oder eines
Gebärdensprachdolmetschers so frühzeitig gegenüber dem
Träger der öffentlichen Verwaltung äußert, dass letzterer
hierfür ausreichend Zeit hat.
Neben Verwaltungsverfahren im engeren Sinne gibt es
Situationen, in denen hörgeschädigte Menschen ihre Rechte
nur wahrnehmen können, wenn ihnen eine
Gebärdensprachdolmetscherin oder ein
Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung steht (z.B. für die
Teilnahme gehörloser Eltern an einer Elternversammlung in
der Schule mit hörenden Eltern). Auch in derartigen Fällen
soll eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein
Gebärdensprachdolmetscher hinzugezogen werden, wenn dies zur
Wahrnehmung eigener Rechte unerlässlich ist. Der Begriff
”unerlässlich” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es
keine andere Möglichkeit gibt, das eigene Recht
wahrzunehmen.
Satz 4 und 5 bestimmen, dass die Träger der öffentlichen
Verwaltung die notwendigen Kosten zu übernehmen haben und
sich deren Höhe nach den Vorschriften des Gesetzes über die
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen richtet.
Zu § 12 Herstellung von Barrierefreiheit in den
Bereichen Bau und Verkehr
Diese Vorschrift trifft Bestimmungen zu der in § 2 Abs.
3 definierten Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und
Verkehr. Neben den bereits bestehenden Vorschriften wird den
Trägern der öffentlichen Verwaltung und des ÖPNV eine
besondere Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit
im Wege der Vorbildfunktion auferlegt. Wegen der Begrenzung
der zur Verfügung stehenden Mittel und der Vielzahl der
öffentlichen Einrichtungen kann Barrierefreiheit allerdings
nur innerhalb des in dieser Vorschrift vorgegebenen Rahmens
erreicht werden.
Absatz 1 verpflichtet die Träger der öffentlichen Gewalt
zum barrierefreien Bauen. Dies gilt sowohl für Neubauten als
auch für größere Um- oder Erweiterungsbauten baulicher
Anlagen. Dies bedeutet, dass Bauunterhaltungsmaßnahmen nicht
erfasst sind und den Trägern der öffentlichen Verwaltung
nicht die Verpflichtung auferlegt wird, alle baulichen
Anlagen barrierefrei umzubauen. Zur Auslegung des unbe-
stimmten Rechtsbegriffs ”groß” hinsichtlich der Um- und
Erweiterungsbauten kann auf die einschlägigen
Verwaltungsvorschriften.der öffentlichen Bauverwaltung
zurückgegriffen werden. Zur barrierefreien Gestaltung sind
die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu
berücksichtigen. Hierunter fallen z. B. die entsprechenden
DIN-Normen zur Barrierefreiheit. Von diesen Anforderungen
kann allerdings dann abgewichen werden, wenn eine andere
Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die
Barrierefreiheit erfüllt, oder wenn bei Um- oder
Erweiterungsbauten die Herstellung der Barrierefreiheit nur
mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erreicht werden könnte.
Absatz 2 beinhaltet für die Träger der öffentlichen
Verwaltung die weitere Verpflichtung, auch bei der Neuanlage
sowie bei großen Umbau und Erweiterungsmaßnahmen öffentlich
zugänglicher Verkehrsanlagen die Belange behinderter und
älterer Menschen sowie anderer Personen mit
Mobilitätsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Die
entsprechende Verpflichtung obliegt den Trägern des
öffentlichen Personennahverkehrs bei der Beschaffung neuer
Beförderungsmittel. Die Einschränkungen des Absatzes 1 Satz
2 und 3 gelten sinngemäß auch bei der Neuanlage sowie großen
Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen öffentlich zugänglicher
Verkehrsanlagen sowie bei der Beschaffung neuer
Verkehrsmittel.
Zu § 13: Barrierefreie Informationstechnik
Die Vorschrift findet Anwendung auf das Rechtsverhältnis der
Verwaltung zu Bürgerinnen und Bürgern als Nutzer des dort
beschriebenen IT-Angebotes. Die technische Gestaltung von
Internetseiten sowie graphischen Programmoberflächen, die
mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden,
erlauben insbesondere Blinden und sehbehinderten Menschen
häufig nicht eine Nutzung in vollem Umfang. Hierzu bereits
entwickelte Standards finden bislang nicht hinreichend
Beachtung. Sowohl auf nationaler als auch auf
internationaler Ebene laufen daher zahlreiche Aktivitäten,
um den Zugang blinder und sehbehinderter Menschen zu IT zu
fördern (Erarbeitung und Verbreitung entsprechender
technischer Standards, Forschungsvorhaben etc.).
Der vom Europäischen Rat im Juni 2000 angenommene
Aktionsplan der Kommission ”iEurope 2000 – eine
Informationsgesellschaft für alle”, der ganz allgemein die
Nutzung von Informationstechnologien fördern will, enthält
zur Frage des IT-Zugangs von behinderten Menschen die
Vorgabe, dass behinderte Menschen die Informationen auf
allen Web-Seiten des öffentlichen Sektors der
Mitgliedsstaaten und der europäischen Institutionen
erreichen und voll von den Möglichkeiten der ”Regierung am
Netz” profitieren können. Hierfür ist in dem Programm als
konkretisierende Maßnahme vorgesehen, dass bereits
existierende technische Standards für die öffentlichen Web-
Seiten übernommen werden.
Diese politische Selbstverpflichtung der EU-Mitgliedstaaten
setzt die Bundesregierung für den Bereich der
Bundesverwaltung in § 11 Abs. 1 des
Bundesgleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen um und
enthält seine Entsprechung in § 13 dieses Gesetzes. Während
die Bundesregierung ermächtigt wird, hinsichtlich der
Ausgestaltung dieses Angebotes eine Rechtsverordnung zu
erlassen, verbleibt es auf Landesebene bei dem Appell an die
Verwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene.
Zu § 14: Gestaltung von Bescheiden, amtlichen Informationen
und Vordrucken
In Satz 1 werden die Träger der öffentlichen Verwaltung
verpflichtet, bei Erlass von Verwaltungsakten,
Allgemeinverfügungen, Abschluss von öffentlichen Verträgen
und Fertigung von Vordrucken die Belange behinderter
Menschen zu berücksichtigen. Dies gilt nicht nur für
sehbehinderte Menschen, sondern stellt auch Anforderungen an
die Verständlichkeit für Menschen mit kognitiven
Einschränkungen. Dass das Verwaltungshandeln für die
Betroffenen verständlich und nachvollziehbar sein soll,
bekommt hier zusätzlich seine behinderungsspezifische
Ausprägung. Die Träger der öffentlichen Verwaltung sollen
den individuellen Wahrnehmungsfähigkeiten behinderter
Menschen nach Möglichkeit Rechnung tragen. Mit der
generellen Verpflichtung soll die Verwaltung angeregt
werden, bereits bei der Gestaltung solcher Schriftstücke
spezifische Einschränkungen von behinderten Menschen zu
berücksichtigen.
Satz 2 konstituiert einen Anspruch für blinde und
sehbehinderte Menschen, auf Anforderung Bescheide,
öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke zusätzlich auch
in einer für sie wahrnehmbaren Form zu erhalten. Der Umfang
des Anspruchs bestimmt sich dabei nach den individuellen
Fähigkeiten zur Wahrnehmung. So ist es z.B. ohne Probleme
möglich, einem sehbehinderten Menschen ein Schriftstück in
Großbuchstaben zu übermitteln, anstatt in der üblichen
Schriftgröße. Die moderne elektronische
Informationsverarbeitung macht es auch möglich, die
Informationen diesem Personenkreis als elektronische Mail
zuzusenden, sofern er einen Internetzugang und einen
Computer mit Braille-Zeile oder Sprachausgabe hat oder auch
als Diskette oder als Braille-Druck zugänglich zu machen.
Wenn die in Rede stehenden Schriftstücke nach den
einschlägigen Vorschriften kosten- bzw. gebührenpflichtig
sind, gilt dies auch für behinderte Menschen. Es dürfen aber
keine zusätzlichen Gebühren und Auslagen sondern nur
diejenigen erhoben werden, die auch bei nichtbehinderten
Menschen anfallen.
Zu Art. 2 Änderung der Landeswahlordnung
Zu Nummern 1 und 3:
Blinde und sehbehinderte Wählerinnen und Wähler sind
bislang beim Ausfüllen des Stimmzettels auf die Hilfe einer
Vertrauensperson angewiesen, die den Stimmzettel nach ihren
Angaben ausfüllt. Diese nimmt zwangsläufig Kenntnis von der
Wahlentscheidung des Wählers bzw. der Wählerin. Mit den
nunmehr in den Nrn. 1 und 3 vorgesehenen Regelungen wird
einer bzw. einem blinden oder sehbehinderten Wählerin bzw.
Wähler die Möglichkeit eröffnet, sich einer
Stimmzettelschablone zu bedienen, um damit den Stimmzettel
unbeobachtet eigenständig ausfüllen zu können.
Die Regelung erfolgt in der Landeswahlordnung, da § 58 Abs. 1
Satz 2 Nr. 11 Landeswahlgesetz schon bisher die Möglichkeit
gibt, in der Landeswahlordnung Rechtsvorschriften über die
Stimmabgabe, auch soweit besondere Verhältnisse besondere
Regelungen erfordern, zu treffen.
Der neue § 33 Abs. 3 stellt sicher, dass die Blindenvereine
möglichst früh mit der Herstellung der Stimmzettelschablonen
beginnen können. Damit die Stimmzettelschablonen auf die
jeweiligen Stimmzettel der 45 Wahlkreise abgestimmt werden
können, bedarf es bei ihrer Herstellung der Unterstützung
der jeweils zuständigen Wahlorganisation. Da bei den
Vereinen der blinden und sehbehinderten Menschen die
notwendigen Kenntnisse für eine an den Bedürfnissen der
blinden und sehbehinderten Menschen ausgerichteten
Gestaltung vorhanden ist, soll die Federführung für die
Herstellung und Verteilung an alle Interessenten bei ihnen
liegen.
Zu Nummer 2:
Mit der Ergänzung des § 34 werden die
Gemeindewahlbehörden dazu angehalten, bei der Auswahl der
Wahlräume alle Aspekte einzubeziehen und gegeneinander
abzuwägen, damit allen Wahlberechtigten die Teilnahme an der
Wahl möglichst erleichtert wird. Zugunsten von behinderten
Menschen oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkten
Wahlberechtigten bedeutet dies, möglichst barrierefreie
Wahlräume zu finden, auszuwählen und so einzurichten, dass
z. B. Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer die Wahlräume
ohne fremde Hilfe erreichen oder der Tisch mindestens einer
Wahlkabine, auf dem der Stimmzettel ausgefüllt wird,
unterfahren werden kann.
Durch die frühzeitige und geeignete Unterrichtung wird
sichergestellt, dass behinderte Menschen von ihrem Recht
Gebrauch machen können, barrierefreie Wahlräume aufzusuchen.
Die Unterrichtung erfolgt frühzeitig, indem sie z. B. in die
Wahlbenachrichtigung aufgenommen wird, die alle
Wahlberechtigten erhalten.
Zu Art. 3 Änderung der Gemeinde- und Kreiswahlordnung
Die Ausführungen zu Artikel 2 (Änderung der
Landeswahlordnung) gelten entsprechend für die
Parallelvorschriften in der Gemeinde- und Kreiswahlordnung.
Diese entspricht weitgehend der Landeswahlordnung.
Zu Art. 4 Änderung des Schulgesetzes
Zu Nummer 1
Eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am
Leben in der Gesellschaft lässt sich durch eine möglichst
frühzeitige und intensive Förderung besonders günstig
beeinflussen. Die Aufgabe der Schule, die jungen behinderten
Menschen hierbei besonders zu unterstützen, wird daher
ausdrücklich hervorgehoben.
Zu Nummer 2
Die Ergänzung von § 25 um einen neuen Absatz 7 ist eine
Folgeänderung zu Art. 1 § 11, wonach die Deutsche
Gebärdensprache als eigenständige Sprache anerkannt wird und
lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsform der
deutschen Sprache anerkannt werden, und hörbehinderte
Menschen das Recht haben, in Verwaltungsverfahren (sofern
nicht eine schriftliche Verständigung möglich ist) oder wenn
dies zur Wahrnehmung eigener Rechte unerlässlich ist, in
Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden
Gebärden zu kommunizieren. Diese Menschen müssen daher auch
die Möglichkeit erhalten, die Deutsche Gebärdensprache und
lautsprachbegleitende Gebärden zu erlernen. An Schulen für
Hörgeschädigte wird daher der Unterricht neben der Laut- und
Schriftsprache auch in Deutscher Gebärdensprache und
lautsprachbegleitenden Gebärden erteilt. Da es bisher nicht
genügend Lehrerinnen und Lehrer gibt, die die Deutsche
Gebärdensprache und lautsprachbegleitende Gebärden
beherrschen, ist die Erteilung des Unterrichtes in Deutscher
Gebärdensprache und lautsprachbegleitenden Gebärden bei der
gemeinsamen Unterrichtung hörender und nicht hörender
Schülerinnen und Schüler nur in dem Rahmen möglich, wie
entsprechend ausgebildetes Lehrpersonal zur Verfügung steht.
Zu Art. 5 Hochschulgesetz
Mit der Ergänzung von § 2 Abs. 5 Satz 2 des
Hochschulgesetzes wird die bisher allgemein formulierte
Aufgabe der Hochschule, die besonderen Bedürfnisse
behinderter Studierender zu berücksichtigen, insbesondere
für zwei wesentliche Bereiche des Studiums konkretisiert:
die Studienorganisation und die Prüfungen. Unter
Studienorganisation ist der Ablauf des Studiums zu
verstehen. D. h. dass die Hochschule darauf achten muss,
dass behinderte Studierende auch die Möglichkeit haben,
sowohl die notwendigen Einzelveranstaltungen so weit wie
möglich selbständig und in der vorgegebenen Zeit erreichen
zu können und auch das Studium insgesamt. Es kann aber auch
bedeuten, dass im konkreten Einzelfall wegen der Behinderung
eine Studienverlängerung zu gewähren ist.
Der besondere Hinweis auf die Prüfungen soll
verdeutlichen, dass gegebenenfalls auf Grund einer
Behinderung eine Prüfungserleichterung zum Ausgleich
behinderungsbedingter Nachteile zu gewähren ist. Die
Formulierung schließt andererseits aber auch nicht aus,
einen entsprechenden Hinweis in die Prüfungsordnung
aufzunehmen. Welche Erleichterung gegebenenfalls zu gewähren
ist, hängt von den Umständen im Einzelfall ab.
Zu Art. 6 Bildungsfreistellungs- und
Qualifizierungsgesetz
Zu Nummer 1
§ 3 Abs. 1. Satz 2 sieht in seiner bisherigen Fassung
vor, dass die Weiterbildung auch die Gleichstellung von
Frauen und Männern fördern soll. Einen Hinweis auf die
Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten
Menschen als Förderziel enthält das Gesetz nicht. Die
Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten
Menschen ist jedoch ein bedeutendes gesellschaftspolitisches
Anliegen, das seinen Niederschlag im Benachteiligungsverbot
des Grundgesetzes gefunden hat. § 3 Abs. 2 Satz 1 sieht
daher vor, dass im Rahmen der Weiterbildung auch die
Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten
Menschen gefördert werden soll.
Zu Nummer 2
§ 6 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass als Beschäftigte, die
einen Anspruch auf Bildungsurlaub haben, u. a. auch Personen
gelten, die als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen
sind. Zur Klarstellung wird Abs. 1 dahingehend ergänzt, dass
Beschäftigte im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt
für behinderte Menschen zu diesem Personenkreis gehören. Sie
stehen gemäß § 138 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch –
(SGB IX) zu den Werkstätten in einem ”arbeitnehmerähnlichen
Rechtsverhältnis”, wenn sie im Arbeitsbereich der Werkstatt
beschäftigt sind und nicht Arbeitnehmer sind.
Zu Art. 7 Bildungsfreistellungsverordnung
Nach § 3 Abs. 5 können Weiterbildungsveranstaltungen,
die zu mehr als einem Zehntel der Erholung, der eigenen
privaten Lebensführung oder der eigenen Freizeitgestaltung
dienen, nicht anerkannt werden. Dies gilt nicht, wenn die
Inhalte der Veranstaltungen einem beruflichem oder
politischen Bildungsziel, der Gleichstellung von Mann und
Frau oder der Vorbereitung auf das Alter dienen. Diese
Ausnahmetatbestände werden erweitert um Veranstaltungen, die
die Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten
Menschen zum Inhalt haben. Damit soll erreicht werden, dass
das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes auch in der
Weiterbildung umgesetzt werden kann. Durch die Ergänzung ist
nunmehr auch sichergestellt, dass z. B. Veranstaltungen für
hörende und nicht hörende Arbeitskolleginnen und –kollegen
zur besseren Verständigung am Arbeitsplatz anerkannt werden
können.
Zu Art. 8 Landesbauordnung
§ 19 Abs. 1 Satz 1 in seiner derzeitigen Fassung
bestimmt, dass baulichen Anlagen so beschaffen sein müssen,
dass der Entstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch
vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen
und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.
Mobilitätsbeeinträchtigte Menschen sind im Brandfall vor
besondere Probleme gestellt, da sie nicht selten fremde
Hilfe benötigen. Die Ergänzung von Absatz. 1 Satz 1 macht
daher deutlich, dass bei der Planung baulicher Anlagen auf
diese Problemlage besondere Sorgfalt verwendet werden muss.
Zu Art. 9 Straßen- und Wegegesetz
§ 10 Abs. 2 Satz 2 schreibt in der derzeitigen Fassung
vor, dass die Belange von behinderten und älteren Menschen
und von Kindern zu berücksichtigen sind. Die neue Fassung
präzisiert demgegenüber die Bedürfnisse von seh- und in der
Mobilität beeinträchtigten Menschen. Hierdurch soll erreicht
werden, dass bei der Planung und Durchführung entsprechender
Maßnahmen die Bedürfnisse dieser Menschen stärker in das
Bewusstsein gerückt werden. Die Formulierung ”soll Rechnung
getragen werden” bedeutet nicht, dass alle anderen beim Bau
und der Unterhaltung von Straßen, Wegen und Plätzen zu
beachtenden öffentlichen Belange insbesondere die
Verkehrssicherheit zurücktreten müssen. Vielmehr wird
dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Belange dieser
Menschen einen hohen Stellenwert haben und keine
vernachlässigbare Größenordnung darstellen. Ferner wird
durch diese Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass
Orientierungshilfen für sehbehinderte Menschen und
barrierefreie Gehwegübergänge für mobilitätsbeeinträchtigte
Menschen nicht in jedem Fall installiert werden müssen
sondern ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. U. a. wird
zu berücksichtigen sein, ob es sich z. B. um eine große
Kreuzung in der Innenstadt mit hohem Verkehrsaufkommen
handelt oder um einen Überweg in der Nähe einer Einrichtung
für ältere und blinde Menschen oder um einen Überweg in
einem Außenbezirk, in dem keine sehbehinderten Menschen
leben.
Zu Art. 10 Gesetz über den öffentlichen
Personennahverkehr
Der Entwurf eines
Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes sieht vor, dass § 8
Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes dahingehend geändert
wird, dass der Nahverkehrsplan die Belange behinderter und
anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel
zu berücksichtigen hat, für die Nutzung des öffentlichen
Personennahverkehrs eine möglichst weitreichende
Barrierefreiheit zu erreichen und im Nahverkehrsplan
Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen
getroffen werden. Diese Bestimmung wird aufgenommen und in
der Weise im Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr
umgesetzt, dass sowohl in dem landesweiten Nahverkehrsplan
als auch in den regionalen Nahverkehrsplänen Aussagen zur
Barrierefreiheit zu machen sind. Hiermit soll erreicht
werden, dass diese Zielsetzung bei der Aufstellung der Pläne
fester Bestandteil ist und schrittweise eine möglichst
weitreichende Barrierefreiheit für die ÖPNV-Nutzung durch
diese Personengruppe erreicht wird.
Zu Art. 11 Denkmalschutzgesetz
Denkmäler sind in der Regel ältere bzw. alte Gebäude,
die häufig für mobilitätsbehinderte Menschen nicht
zugänglich sind. Aber auch mobilitätsbehinderte Menschen
müssen die Möglichkeit erhalten, Denkmäler zu erleben. § 9
Abs. 2 Satz 2 sieht daher vor, dass die Denkmalschutzbehörde
bei genehmigungspflichtigen Maßnahmen im Sinne von § 9 Abs.
1 die Belange behinderter und anderer in der Mobilität
beeinträchtigter Menschen berücksichtigt. Durch diese
Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass die
Genehmigung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass
auch Barrierefreiheit erreicht wird.
Darüber hinaus sieht die Formulierung vor, dass die
Regelung nur für Denkmäler gilt, die sich in der
Trägerschaft eines Trägers der öffentlichen Verwaltung
befinden und die dem allgemeinen Besucherverkehr dienen.
Denkmäler in privater Hand sind häufig nicht für den
allgemeinen Besucherverkehr bestimmt. Ist dies dennoch der
Fall, steht das Instrument der Zielvereinbarung nach § 3
Landesbehindertengleichstellungsgesetz zur Verfügung, um
Barrierefreiheit zu erreichen.
Die Verpflichtung der Denkmalschutzbehörde, auf die
Barrierefreiheit zu achten, erstreckt sich auf alle
Genehmigungstatbestände des Absatz 1, da in allen Fällen
Barrierefreiheit eine Rolle spielen kann, mit Ausnahme der
Vernichtung eines Kulturdenkmals nach Nummer 1. In diesem
Fall ist aber selbstverständlich, dass die Frage der
Barrierefreiheit nicht zu prüfen ist.
Zu Art. 12 Jugendförderungsgesetz
§ 2 Abs. 2 bestimmt, dass im Rahmen der Aufgaben der
Jugendhilfe nicht nur auf die Gleichstellung der
Geschlechter sondern in Zukunft auch auf die Gleichstellung
von behinderten und nicht behinderten Menschen hingewirkt
werden soll, um dem veränderten Verständnis in der
Gesellschaft hinsichtlich der gleichberechtigten Teilhabe
behinderter Menschen Rechnung tragen zu können.
Zu Art. 13 Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang
Durch diese Formulierung wird bewirkt, dass künftige
Veränderungen an den Teilen der genannten Verordnungen, die
durch dieses Gesetz geändert wurden, wieder durch den
jeweils zuständigen Verordnungsgeber erfolgen können.