Nun sind sie da, die ersten Landesgleichstellungsgesetze nach der Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) auf Bundesebene. Aber ist das wirklich für alle ein Grund zum Jubeln? Positiv zu bewerten ist, dass sowohl in dem Gesetz von Rheinland-Pfalz als auch in dem von Schleswig-Holstein vieles aus dem Bundesgesetz übernommen wurde, was insbesondere der Durchsetzung einer umfassenden Barrierefreiheit als auch den Anliegen behinderter Frauen zugute kommt. In Rheinland-Pfalz soll sogar der Landesbeirat möglichst paritätisch mit Frauen und Männern besetzt werden, eine Regelung, die selbst über den Entwurf der behinderten JuristInnen hinausgeht. In Schleswig-Holstein allerdings fehlt die geschlechtsdifferenzierte Berichtspflicht.
Aber das, was viele von einem Landesgleichstellungsgesetz erhofft und erwartet haben, nämlich das Elternwahlrecht hinsichtlich der Unterrichtsform ihrer behinderten Kinder, ist nicht einmal im rot-grün regierten Schleswig-Holstein realisiert worden.
Wie oft muss die Bundesrepublik bei PISA-Studien eigentlich noch miserabel abschneiden, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass behinderte Kinder im gemeinsamen Unterricht meistens besser gefördert werden als in Sonderschulen und dass so das Leistungsniveau insgesamt zu heben ist? Da fahren unsere BildungspolitikerInnen zum PISA-Spitzenreiter nach Finnland, aber warum bringen sie keine Erkenntnisse mit? Sind sie fortbildungsresistent, oder fürchten sie sich etwa vor der Sonderschullobby oder vor umfassenden Schulreformen?
Anscheinend sind Selektieren und Separieren typisch deutsche Eigenschaften. Und vielleicht sind unsere Lehrkräfte überfordert, wenn sie in einer Klasse nicht nur Durchschnittskinder, sondern gleichzeitig
SchülerInnen mit Hochbegabungen und solche mit Lernschwierigkeiten haben. Aber wie man mit dieser Vielfalt umgehen und gleichzeitig die einzelnen Kinder optimal fördern kann, wäre auch bei einem Blick ins europäische Ausland zu erfahren.
Letztlich ist die Bundesrepublik hinsichtlich der schulischen Integration seit der Grundgesetzergänzung von 1994 noch keinen Schritt weiter gekommen. Lediglich in dem Entwurf der Berliner Behindertenverbände und -initiativen für ein Landesgleichstellungsgesetz von 1998 wurde die Gleichstellung auch im Schulgesetz umgesetzt. Davon fand sich jedoch in dem letztlich verabschiedeten Gesetz nichts wieder. Vermutlich wird sich in dieser Frage erst dann etwas bewegen, wenn einflussreiche Leute vom gemeinsamen Unterricht überzeugt sind und wenigstens ein Bundesland zu entsprechenden Gesetzesänderungen bewegen. Bis dahin helfen offensichtlich selbst wissenschaftliche Belege über den Nutzen gemeinsamen Unterrichts oder dessen Kostenneutralität nicht weiter. Mit unglaublicher Beharrlichkeit halten die Verantwortlichen wider besseren Wissens an der schlechteren und teureren Variante fest. Mit den neuen Landesgleichstellungsgesetzen ist nun leider eine weitere Chance vertan worden, an dem Stillstand bei der schulischen Integration etwas zu ändern.
Si