Berlin (kobinet) Nachdem die neue Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sich Mitte Dezember 2002 mit einigen InteressenvertreterInnen behinderter Frauen getroffen hat, um mit ihnen über die notwendige Sexualstrafrechtsreform zu sprechen, gibt es nun berechtigte Hoffnungen auf einen frischen Wind aus dem Bundesjustizministerium. Für die Gleichbehandlung von Sexualstraftätern bei sexuellen Vergehen an behinderten und nichtbehinderten Frauen hatte das Hessische Koordinationsbüro für behinderte Frauen innerhalb von zwei Monaten ca. 1.500 Unterschriften für eine Reform des § 179 StGB gesammelt.
Die Unterschriftenlisten nahm die Ministerin mit großem Interesse für das Thema entgegen. «Die Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt», erklärte Brigitte Zypries damals. Deshalb plane sie für den Sommer 2003 eine Strafmaßanpassung im § 179 StGB (vgl. dazu auch nachstehende Meldung). Die vorbereitenden Gespräche für die Gesetzesänderung sollen gleich zu Beginn des Jahres geführt werden. «Endlich haben unsere Forderungen Gehör gefunden», freuen sich die Interessenvertreterinnen behinderter Frauen und hoffen nun besonders im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen auf einen frischen Wind aus dem Ministerium mit Beschlüssen für notwendige Reformen.
Bezüglich des Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes (ZAG) kündigte Justizministerin Zypries zudem eine Wiederaufnahme der Gespräche für die erste Jahreshälfte an, was vom NETZWERK ARTIKEL 3 sehr begrüßt wurde.
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Auf ein geteiltes Echo stieß der am 29. Januar 2003 von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts beim NETZWERK ARTIKEL 3. Vorstandsfrau Sigrid Arnade begrüßte, dass die Vergewaltigung widerstandsunfähiger Opfer jetzt mit demselben Strafrahmen geahndet werden soll wie eine Vergewaltigung anderer Opfer. Damit sei eine langjährige Forderung der Behindertenverbände endlich umgesetzt worden.
«Es ist aber absolut unverständlich, warum die sexuelle Nötigung widerstandsunfähiger Opfer erst im Wiederholungsfall genauso hart bestraft werden soll wie eine sexuelle Nötigung anderer Opfer,» kritisierte Arnade. Unter sexueller Nötigung werden dabei Handlungen des sexuellen Missbrauchs unterhalb der Vergewaltigungsschwelle verstanden. Arnade befürchtet, dass den Behindertenorganisationen nun wieder jahrelange Kämpfe bevorstehen, bevor auch diese Ungerechtigkeit ausgeräumt wird.
Auch das Urteil der Juristin bei der Bundesorganisationsstelle behinderte Frauen in Kassel, Julia
Zinsmeister, war geteilt: «Es ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber ich hätte mir eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechts gewünscht, in der bei fehlender Einwilligung von einer Ablehnung der sexuellen Handlung ausgegangen wird. Der Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht steht noch aus,» fasste Zinsmeister ihre Einschätzung zusammen.
hjr