Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und
sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren Zugänglichmachungsverordnung
Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV)
Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem
Behindertengleichstellungsgesetz (Kommunikationshilfenverordnung - KHV)
V. v. 26.02.2007 BGBl. I S. 215; Geltung ab 01.06.2007
Eingangsformel
§ 1 Anwendungsbereich
§ 2 Gegenstand der Zugänglichmachung
§ 3 Formen der Zugänglichmachung
§ 4 Umfang des Anspruchs
§ 5 Mitwirkung der berechtigten Person
§ 6 Ausführung der Zugänglichmachung
§ 7 Zeitpunkt der Zugänglichmachung
§ 8 Organisation
§ 9 Inkrafttreten
Schlussformel
Auf Grund des § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077),
der durch Artikel 20 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) eingefügt und durch Artikel 15c Nr. 2 des Gesetzes
vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) geändert worden ist, auch in Verbindung mit § 46 Abs. 8 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), der durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2002
(BGBl. I S. 2864, 3516) eingefügt worden ist, verordnet das Bundesministerium der Justiz:
Nach oben
(1) Diese Verordnung regelt die Anforderungen und das Verfahren für die Zugänglichmachung von Dokumenten im gerichtlichen
Verfahren an eine blinde oder sehbehinderte Person (berechtigte Person) in einer für sie wahrnehmbaren Form.
(2) Die Verordnung gilt für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungs- und Vollstreckungsverfahren sowie für das behördliche
Bußgeldverfahren entsprechend, wenn blinde oder sehbehinderte Personen beteiligt sind.
(3) Der Anspruch auf Zugänglichmachung besteht nach Maßgabe dieser Verordnung im gerichtlichen Verfahren gegenüber dem
Gericht, im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft, im behördlichen Bußgeldverfahren
gegenüber der Verfolgungsbehörde und in den mit diesen Verfahren in Zusammenhang stehenden Vollstreckungsverfahren gegenüber
der jeweils zuständigen Vollstreckungsbehörde.
Nach oben
(1) Der Anspruch auf Zugänglichmachung nach § 191a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes, auch in
Verbindung mit § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, umfasst Dokumente, die einer berechtigten Person
zuzustellen oder formlos bekannt zu geben sind. Diesen Dokumenten als Anlagen beigefügte Zeichnungen und andere Darstellungen,
die nicht in Schriftzeichen wiedergegeben werden können, sowie von einer Behörde vorgelegte Akten werden von der
Verordnung nicht erfasst.
(2) Die Vorschriften über die Zustellung oder formlose Mitteilung von Dokumenten bleiben unberührt.
(3) Weitergehende Ansprüche auf Zugänglichmachung, die sich für berechtigte Personen aus anderen Rechtsvorschriften ergeben,
bleiben unberührt.
Nach oben
(1) Die Dokumente können der berechtigten Person schriftlich, elektronisch, akustisch, mündlich, fernmündlich oder in anderer
geeigneter Weise zugänglich gemacht werden.
(2) Die schriftliche Zugänglichmachung erfolgt in Blindenschrift oder in Großdruck. Bei Großdruck sind ein Schriftbild, eine
Kontrastierung und eine Papierqualität zu wählen, die die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit der berechtigten Person
ausreichend berücksichtigen.
(3) Die elektronische Zugänglichmachung erfolgt durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments. Dabei sind die Standards
von § 3 der Barrierefreie Informationstechnikverordnung maßgebend. Das Dokument ist gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.
Nach oben
(1) Der Anspruch auf Zugänglichmachung besteht, soweit der berechtigten Person dadurch der Zugang zu den ihr zugestellten
oder formlos mitgeteilten Dokumenten erleichtert und sie in die Lage versetzt wird, eigene Rechte im Verfahren wahrzunehmen.
(2) Die Zugänglichmachung erfolgt auf Verlangen der berechtigten Person. Die nach § 1 Abs. 3 verpflichtete Stelle hat die
berechtigte Person auf ihren Anspruch hinzuweisen.
(3) Das Verlangen auf Zugänglichmachung kann in jedem Abschnitt des Verfahrens geltend gemacht werden. Es ist aktenkundig zu
machen und im weiteren Verfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
Nach oben
Die berechtigte Person ist verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihres Anspruchs auf Zugänglichmachung im Rahmen ihrer
individuellen Fähigkeiten und ihrer technischen Möglichkeiten mitzuwirken. Sie soll die nach § 1 Abs. 3 verpflichtete Stelle
unverzüglich über ihre Blindheit oder Sehbehinderung in Kenntnis setzen und mitteilen, in welcher Form ihr die Dokumente
zugänglich gemacht werden können.
Nach oben
Die berechtigte Person hat ein Wahlrecht zwischen den in § 3 genannten Formen der Zugänglichmachung.
Die nach § 1 Abs. 3 verpflichtete Stelle hat die Zugänglichmachung in der von der berechtigten Person gewählten Form auszuführen.
Nach oben
Die Zugänglichmachung soll im zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der für die berechtigte
Person bestimmten Dokumente erfolgen, es sei denn, die damit verbundene Verzögerung ist unter Berücksichtigung der
berechtigten Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten oder des Verfahrenszwecks nicht hinnehmbar.
Nach oben
Die nach § 1 Abs. 3 verpflichtete Stelle kann die Übertragung der Dokumente in eine Form, die die berechtigte Person
wahrnehmen kann, und die Übermittlung der Dokumente an diese Person einer anderen Stelle übertragen.
Nach oben
Die Verordnung tritt am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft.
Nach oben
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Eingangsformel
Auf Grund des § 11 Abs. 1 Satz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) verordnet das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung:
Inhalt
§ 1 Sachlicher Geltungsbereich
§ 2 Einzubeziehende Gruppen behinderter Menschen
§ 3 Anzuwendende Standards
§ 4 Umsetzungsfristen für die Standards
§ 5 Folgenabschätzung
§ 6 Inkrafttreten
§ 1 Sachlicher Geltungsbereich
Die Verordnung gilt für:
1. Internetauftritte und -angebote,
2. Intranetauftritte und -angebote, die öffentlich zugänglich sind, und
3. mittels Informationstechnik realisierte grafische Programmoberflächen, die öffentlich zugänglich sind,
der Behörden der Bundesverwaltung.
Nach oben
Die Gestaltung von Angeboten der Informationstechnik (§ 1) nach dieser Verordnung ist dazu bestimmt, behinderten Menschen im
Sinne des § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes, denen ohne die Erfüllung zusätzlicher Bedingungen die Nutzung der
Informationstechnik nur eingeschränkt möglich ist, den Zugang dazu zu eröffnen.
Nach oben
Die Angebote der Informationstechnik (§ 1) sind gemäß der Anlage zu dieser Verordnung so zu gestalten, dass
1. alle Angebote die unter Priorität I aufgeführten Anforderungen und Bedingungen erfüllen und
2. zentrale Navigations- und Einstiegsangebote zusätzlich die unter Priorität II aufgeführten Anforderungen und Bedingungen
berücksichtigen.
Nach oben
(1) 1Die in § 1 dieser Verordnung genannten Angebote, die nach Inkrafttreten dieser Verordnung neu gestaltet oder in
wesentlichen Bestandteilen oder größerem Umfang verändert oder angepasst werden, sind gemäß § 3 dieser Verordnung zu
erstellen. 2Mindestens ein Zugangspfad zu den genannten Angeboten soll mit der Freischaltung dieser Angebote die
Anforderungen und Bedingungen der Priorität I der Anlage zu dieser Verordnung erfüllen. 3Spätestens bis zum 31. Dezember 2005
müssen alle Zugangspfade zu den genannten Angeboten die Anforderungen und Bedingungen der Priorität I der Anlage dieser
Verordnung erfüllen.
(2) Angebote, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung im Internet oder im Intranet (§ 1 Nr. 2) veröffentlicht wurden, sind
bis zum 31. Dezember 2003 gemäß § 3 dieser Verordnung zu gestalten, wenn diese Angebote sich speziell an behinderte Menschen
im Sinne des § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes richten.
(3) Soweit nicht Absatz 2 gilt, sind die Angebote, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung im Internet oder im
Intranet (§ 1 Nr. 2) veröffentlicht wurden, bis zum 31. Dezember 2005 gemäß § 3 dieser Verordnung zu gestalten.
Nach oben
1Die Verordnung ist unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung regelmäßig zu überprüfen. 2Sie wird spätestens nach
Ablauf von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten auf ihre Wirkung überprüft.
Nach oben
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Nach oben
Eingangsformel
Auf Grund des § 9 Abs. 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) verordnet das
Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung:
Inhalt
§ 1 Anwendungsbereich und Anlass
§ 2 Umfang des Anspruchs
§ 3 Kommunikationshilfen
§ 4 Art und Weise der Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen
§ 5 Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder Erstattung
§ 6 Folgenabschätzung
§ 7 Inkrafttreten
(1) Die Verordnung gilt für alle natürlichen Personen, die als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens wegen einer Hör- oder
Sprachbehinderung nach Maßgabe von § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes zur Wahrnehmung eigener Rechte für die mündliche
Kommunikation im Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Bereitstellung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers für die
Deutsche Gebärdensprache, für lautsprachbegleitende Gebärden oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen haben (Berechtigte).
(2) Die Berechtigten können ihren Anspruch nach § 9 Abs. 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes gegenüber jeder Behörde der
Bundesverwaltung geltend machen.
Nach oben
(1) 1Der Anspruch auf Bereitstellung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers für die Deutsche Gebärdensprache oder für
lautsprachbegleitende Gebärden (Gebärdensprachdolmetscher) oder einer anderen geeigneten Kommunikationshilfe besteht, soweit
eine solche Kommunikationshilfe zur Wahrnehmung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren erforderlich ist, in dem dafür
notwendigen Umfang. 2Der notwendige Umfang bestimmt sich insbesondere nach dem individuellen Bedarf der Berechtigten.
(2) 1Die Berechtigten haben nach Maßgabe des Absatzes 1 ein Wahlrecht hinsichtlich der zu benutzenden Kommunikationshilfe. 2Dies
umfasst auch das Recht, einen Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe selbst
bereitzustellen. 3Die Berechtigten haben der Behörde rechtzeitig mitzuteilen, inwieweit sie von ihrem Wahlrecht nach Satz 1 und 2
Gebrauch machen. 4Die Behörde kann den ausgewählten Gebärdensprachdolmetscher oder die ausgewählte andere Kommunikationshilfe
zurückweisen, wenn sie ungeeignet sind oder in sonstiger Weise den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entsprechen. 5Die
Hör- oder Sprachbehinderung sowie die Wahlentscheidung nach Satz 1 sind aktenkundig zu machen und im weiteren
Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
(3) Erhält die Behörde Kenntnis von der Hör- oder Sprachbehinderung von Berechtigten im Verwaltungsverfahren, hat sie diese
auf ihr Recht auf barrierefreie Kommunikation und auf ihr Wahlrecht nach Absatz 2 hinzuweisen.
(4) Zur Abwehr von unmittelbar bevorstehenden Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter, wie etwa Leben, Gesundheit, Freiheit oder
nicht unwesentliche Vermögenswerte, kann im Einzelfall von dem Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern oder anderer
Kommunikationshilfen abgesehen werden.
Nach oben
(1) Die Kommunikation mittels eines Gebärdensprachdolmetschers oder einer anderen Kommunikationshilfe ist als geeignete
Kommunikationsform anzusehen, wenn sie im konkreten Fall eine für die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren
erforderliche Verständigung sicherstellt.
(2) Als andere Kommunikationshilfen kommen Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer, Kommunikationsmethoden und
Kommunikationsmittel in Betracht:
1. Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer sind insbesondere
a) Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher;
b) Simultanschriftdolmetscherinnen und Simultanschriftdolmetscher;
c) Oraldolmetscherinnen und Oraldolmetscher oder
d) Kommunikationsassistentinnen und Kommunikationsassistenten.
2. Kommunikationsmethoden sind insbesondere
a) Lormen und taktil wahrnehmbare Gebärden oder
b) gestützte Kommunikation für Menschen mit autistischer Störung.
3. Kommunikationsmittel sind insbesondere
a) akustisch-technische Hilfen oder
b) grafische Symbol-Systeme.
Nach oben
(1) Gebärdensprachdolmetscher und andere geeignete Kommunikationshilfen werden von der Behörde bereitgestellt, es sei denn,
die Berechtigten machen von ihrem Wahlrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Gebrauch.
(2) Das Bundesverwaltungsamt berät und unterstützt die Behörde bei ihrer Aufgabe nach Absatz 1.
Nach oben
(1) 1Die Behörde entschädigt Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer in entsprechender Anwendung des
Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes. 2Für den Einsatz sonstiger Kommunikationshilfen trägt sie die entstandenen
Aufwendungen.
(2) 1Die Behörde vergütet die Leistungen unmittelbar denjenigen, die sie erbracht haben. 2Stellen die Berechtigten den
Gebärdensprachdolmetscher oder die sonstige Kommunikationshilfe selbst bereit, trägt die Behörde die Kosten nach Absatz 1 nur,
soweit sie nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 erforderlich sind. 3In diesem Fall dürfen die Berechtigten nicht auf eine Erstattung
verwiesen werden, es sei denn, sie wünschen dies oder es liegt ein sonstiger besonderer Grund vor.
Nach oben
Diese Verordnung wird spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten auf ihre Wirkung überprüft.
Nach oben
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
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