NETZWERK ARTIKEL 3
Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V.

informiert über

Die Notwendigkeit für eine UN- Konvention zum Schutz der Menschenrechte behinderter Menschen

Vortrag von Prof. Dr. Theresia Degener, LL.M. (Ev. Fachhochschule Bochum)
auf der Tagung «Gleich richtig stellen» Gleichstellung für Behinderte von der Kommune bis zur UN am 26./ 27. Juli 2003 in Bremen

Foto: Prof. Dr. Theresia Degener

Nachdem ich nun in meiner Begrüßungsansprache die Redner und Rednerinnen dieser Tagung aufgefordert habe, in einfacher Sprache zu reden, werde ich versuchen, mich nun selbst daran zu halten. Ich möchte in den nächsten 15 Minuten über eine Menschenrechtskonvention für Behinderte reden. Ich werde erklären was das ist und wer sie macht. Ich möchte außerdem erklären, warum wir so eine Menschenrechtskonvention für behinderte Menschen brauchen, nicht nur weltweit sondern gerade auch in Deutschland.

1. Was ist eine UN- Menschenrechtskonvention und von wem wird sie gemacht?

Eine Menschenrechtskonvention ist ein internationaler Vertrag, in dem steht, was Menschenrechte sind und wie sie im Alltag umgesetzt werden müssen.

Menschenrechte sind z.B. das Recht auf Leben, oder das Recht nicht gefoltert oder grausam behandelt zu werden. Ein Menschenrecht ist auch das Recht zu sagen, was man denkt ohne dafür ins Gefängnis zu kommen. Zu den Menschenrechten gehört auch das Recht Politiker und Politikerinnen zu wählen oder sich selbst als Politiker oder Politikerin wählen zu lassen. Ein anderes Beispiel für ein Menschenrecht ist das Recht auf medizinische Behandlung, wenn man einen Arzt oder eine Ärztin braucht. Weitere Menschenrechte sind z.B. das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, oder das Recht auf Bildung oder das Recht darauf, selbst zu bestimmen, was man werden möchte und welche Arbeit man machen möchte. Es gibt noch viele weitere Menschenrechte.

Menschenrechtsverträge werden von Staaten auf internationaler Ebene gemacht. Dazu haben sich die Staaten auf dieser Welt zu einer internationalen Organisation zusammengeschlossen, die sich Vereinte Nationen, oder auf englisch United Nations (UN) nennt. Der englische Name ist am bekanntesten, weshalb die Verträge kurz UN-Konventionen genannt werden. Andere Wörter hierfür sind Menschenrechtsübereinkommen oder Menschenrechtspakte. Staaten entscheiden freiwillig, ob sie Mitglied bei der UN werden. Heute hat die UN 191 Mitgliedsstaaten. Staaten entscheiden auch freiwillig, ob sie einen Menschenrechtsvertrag unterschreiben. Wenn sie das tun, müssen sie ihn allerdings auch in ihrem eigenen Land umsetzen. Menschenrechtsverträge werden nicht zum Schutz von Regierungen gemacht, sondern zum Schutz der Menschen, die regiert werden. Menschenrechtsverletzungen werden meistens auch von Regierungen begangen. In den Menschenrechtsverträgen verpflichten sich die Staaten, das nicht mehr zu tun und dafür zu sorgen, dass es den Menschen in ihrem Land besser geht. Darüber wacht dann ein besonderer Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen. Eine ganz wichtige Rolle bei dieser Überwachung spielen aber auch noch andere, die gar nicht offiziell zu den Vereinten Nationen gehören. Das sind sogenannte Nichtregierungsorganisationen, also Gruppen von Menschen, die keine Regierungsleute sind. Diese Nichtregierungsorganisationen helfen bei der Überwachung, indem sie möglichst viel Krach machen, wenn ein Staat Menschenrechte in seinem Land verletzt. Die meisten von uns kennen z.B. Amnesty International, eine Nichtregierungsorganisation, die sich besonders für Gefangene einsetzt. Es gibt Hunderte von anderen Nichtregierungsorganisationen. Einige davon, wie z.B. Disabled Peoples‘ International setzen sich speziell für Behinderte ein.

Im Dezember 2001 entschieden die Vereinten Nationen, dass geprüft werden soll, ob es eine UN – Menschenrechtskonvention für Behinderte geben soll. Verschiedene Länder, wie Mexiko und Irland hatten sich dafür stark gemacht. Dazu wurde dann ein Ad Hoc -ausschuss eingerichtet. Ad-Hoc Ausschuss bedeutet, dass dieser Ausschuss nur für eine bestimmte Zeit und für eine bestimmte Aufgabe bestehen soll. An diesem Ad Hoc Ausschuss können alle Mitgliedsstaaten der UN aber auch bestimmte Nichtregierungsorganisationen teilnehmen. Der Ad-Hoc Ausschuss hat nun zwei Mal getagt. Bei seiner letzten Sitzung im Juni dieses Jahres wurde entschieden, dass es eine UN-Menschenrechtskonvention für Behinderte geben soll. Das war ein großer Erfolg, denn nicht alle Staaten sind dafür. Weil so eine Entscheidung einstimmig entschieden werden muss, war es im Juni sehr brenzlig. Nur eine Gegenstimme hätte genügt, um das ganze Vorhaben zu stoppen. Einige von uns hier Anwesenden waren dabei, wie der Behindertenbeauftragte Herr Haack und Frau Ullrich vom Bundesgesundheitsministerium und ich. Ich denke, uns allen läuft es immer noch kalt den Nacken herunter, wenn wir daran denken, wie knapp die Entscheidung im Juni war.
Bis so eine Menschenrechtskonvention geschrieben und verabschiedet ist, vergehen einige Jahre. Dann müssen die einzelnen Staaten noch jeder für sich entscheiden, ob sie dem Vertrag beitreten wollen oder nicht.

2. Warum brauchen wir eine UN – Menschenrechtskonvention für behinderte Menschen?

Meiner Meinung nach gibt es fünf wichtige Gründe, warum wir einen solchen Menschenrechtsvertrag brauchen.

2.1. Behindertenrechte sind Menschenrechte

Eine UN Menschenrechtskonvention für behinderte Menschen würde deutlich machen, dass behinderte Menschen keine Probleme sondern Personen mit Menschenrechten sind. Das ist noch lange nicht selbstverständlich. Auch auf internationaler Ebene herrscht noch das medizinische Modell von Behinderung vor, nachdem Behinderung vor allem als krankhafte Störung gesehen wird, die ein Fehler der Behinderten selbst ist. Behinderung ist aber vor allem ein Problem das von der Gesellschaft künstlich gemacht wird, indem Behinderten Rechte verwehrt werden. Eine Menschenrechtskonvention für Behinderte würde daher auch auf internationaler Ebene eine Wende vom medizinischen hin zum sozialen – und d.h. hier menschenrechtlichen - Modell von Behinderung einläuten. Außerdem würde deutlich werden, dass Behinderte keine Sonderrechte brauchen, für die Sonderrechtsexperten zuständig sein müssen. Die UN und ihre Mitgliedsstaaten dürften Behinderte nicht länger in ihrer Menschenrechtsarbeit vergessen. Dass dieses lange der Fall war, habe ich zusammen mit meinem irischen Kollegen Gerard Quinn in einer Studie nachgewiesen. Diese Studie haben wir vor einem Jahr im Auftrag der UN geschrieben. Sie ist bisher leider nur auf Englisch erschienen. Sie kann jedoch bei der UN oder über  Internet  (/www.unhchr.ch/disability/study.htm) bestellt werden.

2.2. Vorhandene Menschenrechtskonventionen bieten keinen ausreichenden Schutz

In der besagten Studie haben wir auch untersucht, ob die vorhandenen Menschenrechtsverträge nicht ausreichen, um Behinderte zu schützen. Dazu haben wir uns die damals sechs (heute sind es schon sieben) bestehenden Menschenrechtskonventionen angeschaut und ihre Umsetzung auf der Welt untersucht. Das waren folgende Verträge: der Bürgerrechtspakt, der Sozialpakt, die Antirassismuskonvention, die Antifolterkonvention, die Frauenkonvention und die Kinderkonvention. Das Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass Behinderte durch diese Menschenrechtsverträge nicht ausreichend geschützt werden.

2.3. UN- Behindertenrecht ist zu schwach

In unserer Studie haben wir uns nicht nur mit den Menschenrechtsverträgen beschäftigt, sondern wir haben auch noch das UN-Behindertenrecht untersucht. Das sind Regeln, die speziell für Behinderte von der UN erlassen wurden. Einige davon enthalten auch Menschenrechte für Behinderte. Es gibt aber zwei Probleme im Zusammenhang mit dem UN-Behindertenrecht. Erstens ist es kein verbindliches sondern sogenanntes weiches UN – Recht. Weiches UN-Recht nennt man Regeln, die nicht als Verträge geschrieben werden oder aus anderen Gründen kein verbindliches Recht sind. D.h. die Staaten können, müssen sich aber nicht an sie halten. Das bedeutet aber, dass es ein sehr schwacher Rechtsschutz für Behinderte ist. Zweitens ist dieses weiche UN- Behindertenrecht noch sehr am medizinischen Modell von Behinderung orientiert. Das hat zur Folge, dass Behinderten nur ganz bestimmte Sonderrechte gewährt werden. Behinderte brauchen aber keine Sonderrechte, sondern wir brauchen die ganz normalen Menschenrechte, die allen Menschen gewährt werden. Die Umsetzung dieser Menschenrechte für Behinderte sieht vielleicht anders aus, als bei Nichtbehinderten. Die Rechte aber sind dieselben.

2.4. Gleichstellungsrecht reicht nicht aus

Wir haben uns in Deutschland wie auch in Europa in letzter Zeit besonders mit der Diskriminierung behinderter Menschen beschäftigt. Das ist wichtig, weil wir erkannt haben, dass die ungerechte Behandlung die behinderte Menschen erfahren, oft das eigentliche Problem ist und nicht der Arm der fehlt, die Beine, die nicht laufen, oder der Kopf, der langsamer lernt. Hier haben wir in den letzten Jahren auch schon viel erreicht, wie wir gerade gehört haben. Gleichbehandlung ist aber nicht das einzige Menschenrecht, das wir brauchen. Behinderte brauchen auch Schutz vor Gewalt und grausamer Behandlung. Gerade Behinderte, die in Heimen leben, erleben oft Menschenrechtsverletzungen, die mit Gleichbehandlung nur wenig zu tun haben. Behinderte werden oft grausam bestraft, wenn sie sich nicht an die Heimordnung halten. Behinderte Frauen und Mädchen werden vergewaltigt. Behinderte Babies werden manchmal getötet, weil sie behindert sind. Diese Menschenrechtsverletzungen müssen aufhören und dazu brauchen wir mehr als Antidiskriminierungsrechte.

2.5. Behinderte auf der ganzen Welt brauchen Menschenrechtsschutz

Mit deutschem oder europäischem Recht können wir die Welt nicht verändern. Wenn wir nicht möchten, dass Behinderte in Deutschland für medizinische Forschung missbraucht werden, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die Forscherinnen und Forscher sich nicht in irgendeinem anderen Land dieser Welt Behinderte als Versuchskaninchen nehmen können. Menschenrechtsschutz ist universal, heisst es. Das bedeutet, dass Menschenrechte für alle und weltweit gelten. Wenn wir Menschenrechtsschutz für Behinderte wollen, dann brauchen wir eine UN – Menschenrechtskonvention für Behinderte, die weltweit gelten muss.


Ihr E-Mail-Kontakt an das Tagungsbüro  ottmar.miles-paul@bifos.de

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Rolf Barthel   am 26.07.03

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