GrundgesetzDer 30. Juni 1994 war ein entscheidender Tag für die Menschenrechte und die Gleichstellung behinderter Menschen in Deutschland. Damals hat der Deutsche Bundestag nach anfänglich massiven Widerständen aus der CDU/CSU und FDP der Aufnahme des Benachteiligungsverbotes behinderter Menschen im Rahmen der Reform des Grundgesetzes nach der Wiedervereinigung zugestimmt. Am 15. November 1994 trat das geänderte Grundgesetz nach der Zustimmung des Bundesrates schließlich in Kraft. Dieses 25jährige Jubiläum des Bundestagsbeschlusses nimmt der Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter, NETZWERK ARTIKEL 3, zum Anlass, um die konsequente Umsetzung des im Grundgesetz verankerten Satzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ einzufordern.  

„Die Situation behinderter Menschen ist heute, 25 Jahre nach dem Bundestagsbeschluss zur Aufnahme des Benachteiligungsverbotes behinderter Menschen von 1994, immer noch von Barrieren und massiven Benachteiligungen geprägt. Zwar gibt es beispielsweise im Hinblick auf die Barrierefreiheit Fortschritte gegenüber damals, aber die Auswahl von Ärzt*innen, des Films im Kino oder der Kneipe richtet sich für viele Menschen mit Mobilitätsbehinderungen nach wie vor nicht nach der Qualität der Angebote, sondern danach, ob diese barrierefrei genutzt werden können. Und immer wieder kommen neue Barrieren dazu, wie zum Beispiel durch unnötige Barrieren im Internet oder bei der Kommunikation“, stellt Dr. Sigrid Arnade vom Vorstand des NETZWERK ARTIKEL 3 fest. Daher fordert sie, dass das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen vor allem auch von der Politik endlich ernst genommen wird. „Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegen die von der Regierungskoalition lange geduldeten Wahlrechtsausschlüsse behinderter Menschen haben beispielsweise gezeigt, dass die Abgeordneten der Regierungskoalition Nachhilfebedarf in Sachen Benachteiligungsverbot behinderter Menschen haben.“

Für Ottmar Miles-Paul vom NETZWERK ARTIKEL 3, der Anfang der 90er Jahre wie Dr. Sigrid Arnade zusammen mit vielen behinderten Menschen für die Aufnahme des Benachteiligungsverbotes im Grundgesetz gekämpft hat, bedarf es gerade im Zusammenhang mit der 2. Staatenprüfung des UN-Fachausschusses über die Rechte behinderter Menschen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland einer Vielzahl von Initiativen, um den Anforderungen des Grundgesetzes und der Menschenrechtskonvention gerecht zu werden. „Behinderte Menschen müssen ein Recht auf die nötigen Unterstützungen für ein Lernen, Leben und Arbeiten mitten in der Gesellschaft haben, statt in Sondereinrichtungen abgeschoben zu werden“, betont Ottmar Miles-Paul. Hans-Günter Heiden, der die Vertretung der Behindertenverbände bei den Anhörungen zur Verfassungsreform Anfang der 90er Jahre koordiniert hat, plädiert daher für umfassende Reformen zur Umsetzung des Benachteiligungsverbots und der UN-Behindertenrechtskonvention. „Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch, denn das Forum behinderter Jurist*innen hat erst im März diesen Jahres hierzu eine entsprechende Ausarbeitung präsentiert.“

Link zu den Vorschlägen des Forums behinderter Jurist*innen