Berlin: Nachdem immer wieder von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert wurde, durchzugreifen und bundesweit einheitliche Regelungen sicherzustellen, hat sie sich nun Luft verschafft und nach langen Beratungen verkündet, dass Deutschland endlich ein gutes Barrierefreiheitsrecht bekommt. "Deutschland wird barrierefrei", teilte sie in den frühen Morgenstunden des heutigen 1. April mit. Nun verbleiben den Bundestagsabgeordneten noch 86 Tage um den als unveränderlich eingeschätzten Gesetzentwurf der Kanzlerin für ein gutes Barrierefreiheitsrecht in dieser Legislaturperiode zu beschließen.
Bei der auf allen Kanälen übertragenen Pressekonferenz von Angela Merkel in den frühen Morgenstunden des heutigen 1. April, die natürlich mit Gebärdensprache, Untertiteln und einer Übersetzung in Leichter Sprache gesendet wurde, merkte man förmlich, wie es in der Kanzlerin ob des Jahrzehnte langen zögerlichen Handelns des Bundes und der Länder in Sachen Barrierefreiheit gegärt haben muss. Zuletzt hatte sie in einem Gespräch mit dem Deutschen Behindertenrat am 18. März nur noch mit Kopfschütteln und Unverständnis reagiert, als sie erfuhr, dass beispielsweise für die barrierefreie Gestaltung der Bankautomaten im sogenannten Barrierefreiheitsstärkungsgesetz der Bundesregierung Übergangsfristen bis 2035 und darüber hinaus gelten sollen. Wie diejenigen, die die Kanzlerin näher kennen, wissen, ist die eher bedachte Wissenschaftlerin keine Freundin einer Basta-Politik, wie sie ihr Vorgänger Gerhard Schröder zuweilen raushängen ließ, aber nun muss der Kanzlerin wohl der Kragen geplatzt sein. Mit ihrer klaren Ansage: "Deutschland wird nun barrierefrei - und das aber schnell" dürfte nun auch den letzten Abgeordneten der Fraktion von CDU/CSU klar sein, dass an diesem Kanzlerin-Wort kein Weg mehr vorbeifährt. Auch vonseiten des Koalitionspartners SPD dürfte es nach Einschätzung von Expert*innen keine Einwendungen mehr geben, denn die Kanzlerin habe die Sozialdemokrat*innen hier wieder einmal links überholt und jegliches Zaudern der Genossen würde ihnen an dieser Stelle nur schaden. In der spontan einberufenen nächtlichen, natürlich barrierefreien, Online-Konferenz mit den Sprecher*innen des Deutschen Behindertenrates hatte diese der Kanzlerin ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesagt. Und auch vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen, das die Kanzlerin ebenfalls im Sinne einer vorbildlichen Partizipation konsultiert hatte, wurde bescheinigt, dass der Vorschlag der Kanzlerin juristisch und behindertenpolitisch fundiert ist.
Nach stundenlangen Beratungen mit verschiedenen Akteur*innen der Bundestagsfraktionen und der Länder präsentierte die Kanzlerin in der weltweit übertragenen Pressekonferenz einen geänderten Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein "Barrierefreiheitsgesetz". Es kam bisher nicht oft in der Geschichte der Bundesrepublik vor, dass ein Gesetzenwurf, der bereits vom Bundeskabinett - in diesem Fall am 24. März - beschlossen und an den Bundestag weitergeleitet wurde, noch einmal von der Bundesregierung verändert wird. Diese Möglichkeit hat die Kanzlerin nun aber genutzt und aus dem vorigen "Barrierefreiheitsstärkungsgesetz" ein unmissverständliches "Barrierefreiheitsgesetz" gemacht, das nach ihren Worten diesen Namen auch verdient. "Ich bin das Herumgeiere in Sachen Barrierefreiheit leid. An dieser Stelle muss ich einfach durchgreifen, denn es kann nicht sein, dass wir in Deutschland aus dem Lockdown mit vielen Barrieren herausgehen, die einem Teil der Bevölkerung weiterhin die Teilhabe verwehren. Hier muss jetzt gehandelt werden, damit wir Teilhabe für die Zukunft für alle sicherstellen können", machte die Kanzlerin deutlich.
Im neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung steht nun, dass auch private Anbieter von der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Dienstleistungen und Produkten ihre Angebote barrierefrei zur Verfügung zu stellen haben. "Wir wollen damit niemanden in die Pleite treiben, aber klar machen, dass jede*r seiner Verantwortung gerecht werden muss, für alle Menschen da zu sein", erklärte die Kanzlerin. "Wir haben in der Pandemie die Wirtschaft gestützt, nun muss die Wirtschaft auch diejenigen stützen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind." Eine Überforderungsklausel soll sicherstellen, dass dadurch niemand in die Pleite getrieben wird, aber dafür verantwortlich ist, seinen Beitrag zu leisten und auch angemessene Vorkehrungen vorzusehen, wie dies in der UN-Behindertenrechtskonvention geregelt ist. Nach ersten Einschätzungen ist die Kanzlerin dabei weitgehend dem Vorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen gefolgt, der sich weitgehend an der schon lange in Österreich gelebten Praxis orientiert. Aus internen Kreisen sickerte durch, dass die Kanzlerin davon genervt war, dass die Österreicher*innen uns hier etwas vormachen. Ein weiterer Grund des schnellen Handelns der Kanzlerin und der Präsentation der Beschlüsse in den frühen Morgenstunden des 1. April könnte auch darin bestehen, dass sie von der Mediendominanz der USA genervt war. Der neu gewählte Präsident der USA Joe Biden glänze derzeit nicht nur mit sehr guten Impfzahlen in den USA ständig in den Medien, am Abend des 31. März hat dieser nun auch ein 2 Billionen Dollar Programm für die Wiederbelebung der Wirtschaft medienwirksam inszeniert. Dem setzte die Kanzlerin nun das ebenfalls milliardenschwere Barrierefreiheitsförderprogramm Deutschlands entgegen, was ihr bereits weltweite Glückwünsche einbrachte.
Anscheinend spielte auch ein gewisses Eigeninteresse der Kanzlerin eine gewichtige Rolle in ihrem Beschluss. Denn am Rande der Pressekonferenz hatte sie den Ausspruch fallen lassen. "Ich will auch im Alter ohne Barrieren in die Sauna gehen können. Deshalb müssen die Saunen zukünftig natürlich auch barrierefrei sein". Spekuliert wird noch, ob auch von anderen Akteur*innen, wie nicht mehr zur nächsten Wahl antretenden Bundestagsabgeordneten Impulse kamen, dass sie ihre Rente barrierefrei genießen wollen.
Im Hinblick auf den partizipativen Ansatz der Kanzlerin äußerte sie auf eine Nachfrage während der Pressekonferenz, dass es für sie selbstverständlich sei, behinderte Menschen und ihre Verbände auf Augenhöhe in Entscheidungsprozesse mit einzubinden. "Im Gegensatz zu meinem Vorgänger Gerhard Schröder, unter dessen Kanzlerschaft nur Regelungen für die Zuständigkeit des Bundes im Behindertengleichstellungsgesetz aufgenommen wurden, habe ich dem Forum behinderter Juristinnen und Juristen richtig zugehört und die zukünftige Zuständigkeit des Gesetzes auch auf die Privatwirtschaft ausgeweitet", stellte die Kanzlerin nicht ohne Stolz klar. Damit scheint nun wohl auch klar zu sein, dass Deutschland und vor allem die CDU/CSU den Widerstand gegen eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie der EU aufgibt.
Eine Parallele zu früheren Beschlüssen wurde bei einer Nachfrage eines Journalisten deutlich, als dieser meinte, dass das doch alles gar nicht so schnell gehen könne und ob die Wirtschaft dadurch nicht über Gebühr belastet werde, worauf Angela Merkel kurz aber klar antwortete "Wir machen das!"
Nachtrag vom 3. April
Da der 1. April mittlerweile vorbei ist und die Zeit der mehr oder weniger gelungenen April-Scherze hinter uns liegt, werden wir wohl oder übel nicht umhin kommen, uns weiter für ein gutes Barrierefreiheitsrecht einzusetzen. Die Hoffnung, dass die Probleme in Sachen Barrieren durch ein klares Kanzlerin-Wort gelöst werden, darf man zwar weiterhin hegen, aber ohne Engagement und Druck auf die Bundestagsabgeordneten, entsprechende Regelungen für ein gutes Barrierefreiheitsrecht zu verabschieden, wird dies wohl nicht vonstatten gehen. Daher müssen wir leider die Kampagne für ein gutes Barrierefreiheitsrecht fortsetzen.