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Sabrina Smits - Foto: Perspektiva gGmbHFulda: Im Zuge des Projektes "Geh(t) doch!" konnten zum Ausbildungsjahr 2021/2022 fünf Jugendliche aus Fulda und Umgebung in eine Ausbildung über das im Bundesteilhabegesetz verankerte Budget für Ausbildung vermittelt werden. Da es bisher nur sehr wenige behinderte Menschen gibt, die das Budget für Ausbildung nutzen und dabei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützt werden, hat Ottmar Miles-Paul bei Sabrina Smits von der Perspektiva gGmbH, die das Projektes "Geh(t) doch!“ leitet, nachgefragt, was geht und wo es hakt. Denn in Fulda wurde ein konkreter Anfang zur Nutzung des Budget für Ausbildung als Alternative zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen gemacht. Dieses Beispiel ist für das NETZWERK ARTIKEL 3 eine gute Nachricht zur Inklusion, dem hoffentlich noch viele weitere Budgets für Ausbildung folgen werden.

Das Projekt "Geh(t) doch! – Berufswege in den allgemeinen Arbeitsmarkt“, welches vom Hessischen Sozialministerium und dem Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen gefördert wird, hat unter anderem die Zielsetzung, neben dem Budget für Arbeit das Budget für Ausbildung in der Region Fulda zu initiieren und zu etablieren. Durchgeführt wird es durch die gemeinnützige Perspektiva GmbH aus Fulda. Dort erfolgen die konkrete Beratung und ggf. die Antragstellung interessierter Personen und Betriebe. Des Weiteren bietet Perspektiva personenzentrierte Assistenzleistungen in der Berufsschule und im Betrieb an. Im Zuge des Projektes konnten zum Ausbildungsjahr 2021/2022 fünf Jugendliche aus Fulda und Umgebung in eine Ausbildung über das Budget für Ausbildung vermittelt werden. Sabrina Smits ist Sozialarbeiterin bei der Perspektiva gGmbH und die Projektleiterin des Projektes "Geh(t) doch!“.

Ottmar Miles-Paul: Die Verbesserung der Ausbildungschancen für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegt Ihnen am Herzen und bestimmt Ihre berufliche Tätigkeit. Was machen Sie genau und bei welchem Träger?

Sabrina Smits: Ich bin tätig als pädagogische Mitarbeiterin und Projektleiterin bei der Perspektiva gGmbH in Fulda. Unser Ziel ist es, Jugendliche und junge Erwachsene mit Beeinträchtigung individuell und ganzheitlich zu fördern, um eine echte Lebensperspektive zu erarbeiten und zu verwirklichen. Die Möglichkeit für ein selbstbestimmtes Leben unabhängig von Transferleistungen soll eröffnet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, baut Perspektiva von Beginn an Brücken zwischen Jugendlichen und Unternehmer*innen. Der Weg in ein nachhaltiges und festes sozialversicherungs­pflichtiges Arbeitsverhältnis wird gemeinsam gegangen.

Im Zuge der Projektleitung informiere und berate ich konkret Betriebe und potentielle Budgetnehmende über die neue Fördermöglichkeit. Ich unterstütze bei der Antragstellung, vernetze zwischen Kostenträgern, Budgetnehmenden, Unternehmen, Kammern und der Berufsschule. Des Weiteren informiere ich allgemein über die neuen Fördermöglichkeiten z.B. in Schulen und arbeite an deren Bekanntmachung. Unabhängig von dem Projekt bietet die Perspektiva gGmbH auch Assistenzleistung in der Berufsschule und in den Betrieben an, so dass wir bereits viele Erfahrungen bezüglich der Umsetzung sammeln konnten.

Ottmar Miles-Paul: Das Budget für Ausbildung wurde mittlerweile gesetzlich verankert. Welche Möglichkeiten bieten die gesetzlichen Regelungen genau in der Praxis?

Sabrina Smits: Durch das Budget für Ausbildung erhalten Menschen, die vorher keine Alternative zu einem Werkstatt Arbeitsplatz hatten die Möglichkeit, eine anerkannte Berufsausbildung abzuschließen. Bisher betrifft das die Personen, die die Feststellung für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich erhalten haben. Seit diesem Jahr können auch Menschen, die bereits in einer Werkstatt beschäftigt sind, das Budget für Ausbildung beantragen. Besonders hervorzuheben und bedeutsam sind dabei die personenzentrierten Assistenzleistungen, die den Budgetnehmenden zustehen. Dadurch erhalten sie die Unterstützung in der Berufsschule und dem Betrieb, die sie brauchen. Gleichzeitig verdienen sie ein reguläres Ausbildungsgehalt, welches ihnen mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ermöglicht.

Auch für die Betriebe ist es eine tolle Möglichkeit, sie können dem Fachkräftemangel durch die Ausbildung von jungen Menschen entgegenwirken und fördern die Diversität in ihren Betrieben. Dabei entstehen ihnen keine Kosten, da der Lohn und die Lohnnebenkosten vom Kostenträger refinanziert werden. Gleichzeitig profitiert auch der Betrieb von der arbeitspädagogischen Begleitung der Budgetnehmenden, da sie eine*n festen Ansprechpartner*in haben, der*die bei Problemen unterstützen kann.

Ottmar Miles-Paul: Mir scheint, dass zwar sehr viel über das Budget für Ausbildung gesprochen wird, man aber kaum welche findet. Ist das bei Ihrem Angebot anders und wenn warum?

Sabrina Smits: Durch das Projekt „Geh(t) doch!“ haben wir die Ressourcen, uns ausgiebig mit der Thematik auseinanderzusetzen. Damit das Budget für Ausbildung gelingen kann, benötigt es dieses "Kümmerer-Systems“. Die Fördermöglichkeit ist noch sehr neu und unbekannt, da braucht es Zeit für die Information und Beratung der Unternehmen, der Budgetnehmenden und der Schulen bzw. der Lehrkräfte und die direkten Ansprechpartner*innen der möglichen Budgetnehmenden. Auch die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern und die Aufklärung der entsprechenden Kammern und Berufsschulen ist hierbei ein wichtiger Faktor. Wir sind mit unserem Projekt im Mai 2021 gestartet, seitdem ist es uns gelungen fünf junge Menschen über das Budget in Ausbildung zu vermitteln.

Ottmar Miles-Paul: Mittlerweile wurde gesetzlich nachgebessert, dass auch behinderte Menschen, die bereits im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, das Budget für Ausbildung nutzen können, wenn sie einen entsprechenden Ausbildungsplatz finden. Hilft das bei der Vermittlung bei Ihnen oder spielt das noch keine Rolle?

Sabrina Smits: Die Gesetzeserweiterung ist erst dieses Jahr in Kraft getreten und die Ausbildungen 2022/2023 sind noch nicht gestartet, insofern konnten wir von diesem Personenkreis noch niemanden über das Budget in Ausbildung bringen. Grundsätzlich bewerte ich diese Erweiterung jedoch als positiv und denke auch, dass es bei der Vermittlung helfen kann. Viele Werkstattmitarbeiter*innen arbeiten auf einem Außenarbeitsplatz und sind bereits in einem Betrieb etabliert, ich kann mir vorstellen, dass dies ein guter Ausgangspunkt ist. Des Weiteren verschafft es allen Beteiligten Zeit, der Mensch entwickelt sich sein Leben lang weiter, so können auch Personen die erst später den Wunsch entwickeln oder ihre Fähigkeiten erweitern, noch eine Ausbildung machen.

Ottmar Miles-Paul: Welche Menschen konnten Sie bereits in ein Budget für Ausbildung vermitteln?

Sabrina Smits: Bisher konnten wir fünf junge Menschen mit einer Lernbeeinträchtigung vermitteln. Drei befanden sich bereits im Berufsbildungsbereich und zwei haben zum Ausbildungsstart die Schulzeit beendet.

Ottmar Miles-Paul: Und welche Hürden erleben Sie?

Sabrina Smits: Wie bereits erwähnt, ist die Fördermöglichkeit bisher unzureichend bekannt. Es gibt zu wenige Stellen, die gezielt beraten und bei der Antragstellung unterstützen können. Anders als beim Budget für Arbeit gibt es noch keine allgemeingültigen Vorlagen für die Antragstellung etc., der bürokratische Aufwand ist entsprechend hoch und zum Teil undurchsichtig. Hinzu kommt, dass für einen Großteil des berechtigten Personenkreises eine theoriereduzierte, sogenannte Fachpraktiker Ausbildung in Frage kommt. Hier ist das Problem, dass diese bisher durch die länderrechtlichen und regionalen Regelungen der einzelnen Kammern bestimmt werden und nicht überall gleich zugänglich sind. Eine weitere Hürde erlebe ich aktuell im schulischen Teil der Berufsausbildung. Die Auszubildenden nehmen trotz Theoriereduzierung oft am Unterricht der Vollausbildung teil. Differenzierter Unterricht oder angepasstes Lernmaterial findet keinen Einsatz. Die Lehrkräfte wirken hier oft überfordert und zu wenig über die Inhalte bzw. Anforderung einer "Fachpraktiker-Ausbildung“ informiert.

Ottmar Miles-Paul: Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, welche wären dies zur Verbesserung der Beschäftigung behinderter Menschen?

Sabrina Smits: Mein erster Wunsch wäre die Zusammenführung des allgemeinen und des zweiten Arbeitsmarktes zu einem inklusiven Arbeitsmarkt, so dass alle Menschen unabhängig von Beeinträchtigungen die Möglichkeit haben, einen für sie passenden Platz auf dem Arbeitsmarkt zu finden und weitestgehend unabhängig von Transferleistungen leben zu können. Bezogen auf die neuen Fördermöglichkeiten würde ich mir wünschen, dass mehr Personen die Leistungen in Anspruch nehmen können. Wünschenswert wäre auch, dass die Förderung Menschen, die sich in einer unterstützten Beschäftigung oder einer Berufsvorbereitungsmaßnahme befinden, Zugang zum Budget für Ausbildung bietet, so dass hier keine Benachteiligung entsteht. Ich hoffe, dass hier noch nachjustiert wird und es zu weiteren Ergänzungen des Gesetzes kommt.

Ottmar Miles-Paul: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

Bei Fragen und Interesse am Budget für Ausbildung und Budget für Arbeit können Sie sich gerne an Sabrina Smits wenden: E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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