Logo: Gute Nachrichten zur Inklusion Copyright: Marleen Soetandi

Deckblatt: Inklusionsbarometer Mobilität - Foto: Aktion MenschBonn: Für Menschen mit Beeinträchtigungen ist die Mobilität in Deutschland immer noch stark eingeschränkt. Sie haben weniger oder schlechtere Möglichkeiten, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, als Menschen ohne Beeinträchtigungen. Das sind zentrale Ergebnisse des Inklusionsbarometers Mobilität der Aktion Mensch, das erstmals einen repräsentativen Überblick über den Stand der inklusiven Mobilität in Deutschland liefert. Die Studie, die am 2. November 2022 im Rahmen einer Onlineveranstaltung vorgestellt wurde, vergleicht das Mobilitätsverhalten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und zeigt, dass immer noch zahlreiche Barrieren die Zugänglichkeit erschweren: Defekte Fahrstühle, schlechter Straßenbelag, fehlende Schilder, schlecht lesbare Fahrpläne, unübersichtliche Apps oder komplizierte Fahrkarten-Automaten – die Beispiele sind vielfältig. Für das NETZWERK ARTIKEL 3 ist es nicht nur eine gute Nachricht zur Inklusion, dass das Inklusionsbarometer Mobilität nun erschienen ist, sondern vor allem auch, weil dieses in einem partizipativen Forschungsansatz erarbeitet wurde.

„Jeder vierte Mensch mit Beeinträchtigung (26 Prozent) empfindet zudem den Zeitaufwand für Wege als zu hoch. Betrachtet man die sozialen Aspekte von Mobilität, ist die Schere zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung am größten. Fast doppelt so viele Menschen mit Beeinträchtigung (29 Prozent vs. 16 Prozent) fühlen sich in manchen Situationen unsicher und alleingelassen. Sie machen auch häufiger negative Erfahrungen mit anderen Fahrgästen sowie Servicepersonal“, heißt es in der Presseinformation der Aktion Mensch.

Für die Online-Befragung untersuchte die Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos, einer Ko-Forschenden-Gruppe sowie Mobilitäts- und Inklusions-Expert*innen die Aussagen von 1.000 Menschen mit und 500 Menschen ohne Beeinträchtigung. "Die Aktion Mensch und Ipsos verfolgten im Rahmen des Projekts einen partizipativen Ansatz. Ziel war es, die Studie mit einer möglichst großen Bandbreite an Stakeholder*innen, die maßgeblich an der Umsetzung und Weiterentwicklung von Mobilität beteiligt sind, durchzuführen. Dementsprechend wirkten einerseits Ko-Forschende, andererseits Mobilitäts-Expert*innen am Projekt mit. Als Expert*innen wurden Menschen hinzugezogen, die sich aufgrund ihrer beruflichen Position mit dem Thema Mobilität auseinandersetzen. Daneben wurden Menschen, die wegen einer Beeinträchtigung in ihrer Teilhabe an aktuell möglicher Mobilität eingeschränkt sind, als sogenannte Laien- oder Ko-Forscher*innen angefragt. Die partizipative Anlage des Projekts sah es vor, neben Projektteam-Mitgliedern von der Aktion Mensch sowie Ipsos solche Menschen als Forschungs-Partner*innen zu gewinnen, die eine Beeinträchtigung aufweisen und am generellen Fortbewegen nicht gleichberechtigt teilhaben können. Sie und ihre Alltagserfahrungen gestalteten den Forschungsprozess maßgeblich mit. Durch ihre Mitwirkung konnte beispielsweise der Fragebogen passgenauer entwickelt werden. Außerdem war es möglich, die Ergebnisse aus der Perspektive von Beeinträchtigungen auszudifferenzieren", heißt es u.a. im Inklusionsbarometer Aktion Mensch.

Klare Unterschiede im Mobilitätsverhalten

Das Barometer offenbart klare Unterschiede im Mobilitätsverhalten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und macht deutlich, wo Menschen mit Beeinträchtigung benachteiligt werden. Gründe hierfür sind neben der mangelnden Barrierefreiheit ein höherer Zeit- und Kostenaufwand oder schlicht fehlende Angebote.

„Wir brauchen dringend eine Mobilitätswende, die den gleichberechtigten Zugang zu Angeboten für alle Menschen sicherstellt. Damit diese gelingt, müssen Menschen mit Beeinträchtigung von Anfang an in Planung und Umsetzung neuer Verkehrskonzepte einbezogen werden“, erklärte Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch.

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, betont, wie wichtig es ist, Barrierefreiheit mitzudenken, nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch in der Umsetzung – egal, ob im öffentlichen oder im privaten Sektor: „Barrierefreiheit ist kein Bonbon für gute Zeiten. Eine barrierefreie und damit moderne Mobilitäts-Infrastruktur wird darüber entscheiden, ob wir in einem fortschrittlichen und zukunftsfähigen Land leben werden – oder eben nicht.“

Die Studie offenbart auch, wie wichtig nachhaltige Mobilität für alle Menschen ist: Zwei Drittel der Deutschen wollen klimafreundlich unterwegs sein und wünschen sich, dass es in Städten mehr Rad- und Fußwege gibt. Für Menschen mit Behinderung ist es jedoch häufig deutlich schwieriger nachhaltig mobil zu sein, da sie aufgrund fehlender Barrierefreiheit in öffentlichen Verkehrsmitteln auf weniger klimafreundliche und zudem teurere Verkehrsmittel, wie zum Beispiel das Taxi, angewiesen sind.

Mobilitäts-Steckbriefe zu acht Metropolregionen

Für die Studie wurden sechs Dimensionen von Mobilität beleuchtet: Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Zeit und Kosten, Soziale Aspekte, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Neben den Befragungsergebnissen bietet das Inklusionsbarometer auch Mobilitätsportraits von Personen mit Beeinträchtigung sowie ausführliche Steckbriefe zu inklusiver Mobilität in den Metropolregionen Hamburg, Berlin, Ruhrgebiet, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München. Ergänzt wird das Angebot durch vier Gastbeiträge von ausgewiesenen Expert*innen zu einzelnen Aspekten der Studie sowie konkrete Handlungsempfehlungen für verantwortliche Akteure wie Kommunen und Verkehrsbetriebe, etwa dass Vielfalt und Barrierefreiheit in der Mobilitätsplanung zukünftig viel stärker berücksichtigt und Menschen mit Beeinträchtigung in Planungsprozesse vor Ort einbezogen werden müssen.

Link zu weiteren Infos

Link zum Inklusionsbarometer Mobilität