Logo: Gute Nachrichten zur Inklusion Copyright: Marleen Soetandi

Logo des bifos-Projektes Empowerment zur SelbstvertretungMainz: Das Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) hat sich zum Ziel gesetzt, die Selbstvertretung behinderter Menschen zu stärken. Im Rahmen dieses Enpowerments ist vieles möglich: auch mit Kunst und Literatur lässt sich etwas verändern. "Ich habe mir zum Ziel gesetzt, das Thema Behinderung durch künstlerische und literarische Mittel in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagte die Schriftstellerin Marcella Berger, die am ersten von insgesamt drei von der Aktion Mensch geförderten Weiterbildungskursen zum Enpowerment zur Selbstvertretung behinderter Menschen teilnimmt. Noch bis zum 31. Oktober 2023 sind noch Bewerbungen für den zweiten Weiterbildungskurz möglich. Das Projekt Gute Nachrichten zur Inklusion begleitet die Weiterbildung und vor allem die Projekte der einzelnen Teilnehmenden, so auch das Engagement von Marcella Berger, das für das NETZWERK ARTIKEL 3 eine gute Nachricht zur Inklusion darstellt. 

„Seit Beginn der Weiterbildung habe ich eine ganze Reihe von Initiativen ergriffen und hatte auch einigen Erfolg damit: Ich habe im Saarländischen Künstlerhaus in Saarbrücken ein Kunstobjekt in Braille-Schrift ausgestellt (der Ausstellungskatalog wird in Kürze publiziert). Das Motto der Austellung heißt ‚Jambouret‘, ein Wort aus der Pfadfindersprache. Auf deutsch bedeutet der Ausstellungstitel: ‚Seinen Weg finden'“, berichtet Marcella Berger. Die Schriftstellerin erklärt augenzwinkernd: „seinen Weg finden – das ist natürlich eine allgemein menschliche Aufgabe, doch für Blinde und Sehbehinderte ist diese Aufgabe oft sehr konkret. Mein künstlerischer Beitrag nimmt das Motto spielerisch auf und fokussiert auf meine persönliche Situation, wenn über die Länge und Breite eines Zollstocks ein Punktschrifttext zu lesen sein wird. Das Kunstobjekt wird ein Menetekel an der Wand, das wahrscheinlich keiner lesen kann … Eine Auflösung erfolgt durch den Titel des Kunstwerks: Das musste ja so kommen“.

„Im künstlerischen Kontext das Thema Behinderung aufzugreifen, ist für eine Schriftstellerin und Künstlerin eine reizvolle Aufgabe“, sagt Marcella Berger, „und ich möchte mich befähigen, auch im Bereich der Kultur die Inklusion voranzubringen und eine sich gegen alle Widerstände behauptende humanistische Gesellschaft zu stärken“. Es reize sie sehr, in künstlerischen Kontexten das Thema Behinderung zur Sprache zu bringen, um Stigmata und unbewusste Vorbehalte aufzulösen. „Literatur vermag Einfühlungsvermögen zu wecken, fiktionale Texte bringen der Leserin und dem Leser Lebenssituationen nahe, die nicht die eigenen sind und wecken Empathie – und das frei von Betroffenheitsrhetorik! Die Welt aus und mit den Augen der handelnden Personen zu sehen – behindert oder nicht – erweitert den Horizont und wird so auch zur Quelle der Zuversicht“, erläutert sie.

Die angeborene Netzhauterkrankung von Marcella Berger zeigte schon in der Kindheit erste Symptome, die aber niemand zu deuten verstand. „In der Pubertät begann ich zu ahnen, dass etwas nicht in Ordnung war, denn es kam immer wieder zu merkwürdigen Situationen, weil ich Hände übersah, die mir zur Begrüßung gereicht wurden, oder als ich bei Nachtwanderungen – im Gegensatz zu meinen Freunden – komplett orientierungslos war“, berichtet sie. Kurz vor dem Abitur wurde dann die Diagnose gestellt: Retinitis Pigmentosa, eine seltene, erblich bedingte Netzhautdegeneration. „Um weiter meinen Weg gehen zu können, musste ich die schlimme Prognose – ich würde erblinden, aber wann, konnte keiner vorhersagen – zunächst verdrängen und so gut es ging ausblenden. Das Wort Zukunft löste jedoch stets Herzrasen und Schweißausbrüche aus. Ich versuchte dennoch, ein normales Leben zu führen, mich nicht einschränken zu lassen und mich nicht zu schonen“, berichtet Marcella Berger.

Heute betrachte sie die Diagnose als einen Wendepunkt, der ihr Leben veränderte und sie zur Schriftstellerin machte. „Anders zu sein als die Anderen stellt für mich den Königsweg zur Kreativität dar“, meint sie und lächelt. Die zentrale Frage war also: Wie kann man in die Zukunft gehen, wenn diese Zukunft unter einem Damoklesschwert steht?

„Die Erfahrung, dass meine Stimme zählt und ich trotz meiner zunehmenden Seheinschränkung (ich sehe nur noch hell und dunkel) viel bewegen kann, inspiriert mich weiterhin. Bislang konnte ich fünf Erzählbände und eben so viele Sachbücher zum Teil in mehrfacher Auflage, sowie zahllose literarische Beiträge in Kult- und Literaturzeitschriften veröffentlichen“, so Marcella Berger.

Link zum Wikipedia-Eintrag zu Marcella Berger

Das Projekt „Empowerment zur Selbstvertretung“ des Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) ist gut gestartet und der erste Weiterbildungskurs, an dem auch Marcella Berger teilnimmt, läuft auf Hochtouren. Für die nächste Weiterbildung, die im Jahr 2024 durchgeführt wird, können sich behinderte Menschen, die sich in der Politik, in Parlamenten oder in Beiräten und Gremien bereits einbringen oder verstärkt einbringen wollen, bis zum 31. Oktober 2023 bewerben.

Auf der Internetseite www.empowerment-zur-selbstvertretung,de gibt’s Informationen zu den Bewerbungsvoraussetzungen, Hinweise zu den Präsenzteilen und zu den Kosten. Die Anmeldung für die Weiterbildung 2024 richten Sie bitte direkt an Ellen Kubica unter folgender Mailadresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Für Fragen zu dem von der Aktion Mensch geförderten Projekt steht Ellen Kubica gerne auch telefonisch zur Verfügung unter: 0160/ 12 80 4 88.