Berlin, 23. September 2025: Mit einem heute am 23. September 2025 verkündeten Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die gesetzliche Altersgrenze für Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Zu dieser Entscheidung in Sachen Altersdiskriminierung hat sich die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, zu Wort gemeldet. "Das Bundesverfassungsgericht sendet mit dieser Entscheidung ein ganz wichtiges Signal gegen Altersdiskriminierung. Pauschale Altersgrenzen im Arbeitsleben müssen nun generell auf den Prüfstand. Es kommt darauf an, was Menschen draufhaben – und nicht, wie alt sie sind."
Und weiter betonte Ferda Ataman: „Wenn man mit 70 Jahren als Bundeskanzler für 83 Millionen Menschen Verantwortung tragen kann, dann kann man auch mit 70 als Notar arbeiten. Die Bundesregierung sollte jetzt ihre Ankündigungen wahr machen, mehr gegen Altersdiskriminierung zu unternehmen. Vor allem sollte sie endlich den Schutz vor Diskriminierung wegen des Alters ins Grundgesetz aufnehmen.“ Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes war an dem Verfahren des Bundesverfassungsgerichts als sachkundige Dritte beteiligt und hat in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme abgegeben, wie es im Statement von Ferda Ataman heißt.
In der Presseinformation des Bundesverfassungsgerichts zur am 23. September 2025 verkündeten Entscheidung heißt es zum Sachverhalt: „Der Beschwerdeführer – ein Anwaltsnotar aus Nordrhein-Westfalen – wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde mittelbar gegen die gesetzlichen Regelungen der § 47 Nr. 2 Variante 1, § 48a Bundesnotarordnung (BNotO), nach denen das Notaramt sowohl der hauptberuflichen als auch der Anwaltsnotare mit Erreichen der Altersgrenze des vollendeten 70. Lebensjahres erlischt. Unmittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde vor allem gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs, mit dem dieser eine Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Fortdauer des Notaramtes über diese Altersgrenze hinaus letztinstanzlich abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, er werde durch die Altersgrenze in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt.“
Und weiter betont das Bundesverfassungsgericht: „Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit sie sich mittelbar gegen die Regelung der Altersgrenze wendet. Die Altersgrenze erreicht die mit ihr verfolgten legitimen Ziele wegen eines nachhaltigen Bewerbermangels im Anwaltsnotariat und nach den heutigen Erkenntnissen zur Bedeutung des Alters für die Berufstüchtigkeit nur noch zu einem geringen Grad. Sie greift unverhältnismäßig in beide Schutzrichtungen der Berufsfreiheit – die Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage und die Persönlichkeitsentfaltung – ein.“
Link zur Presseinformation des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung
Für das NETZWERK ARTIKEL 3 ist die Entscheidung ein weiterer Beleg für den dringenden Handlungsbedarf, die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) endlich weiterzuentwickeln. Die bereits in der Ampelkoalition vorgesehene AGG-Reform müsse nun endlich und umfassend auf den Weg gebracht werden, um Altersdiskriminierungen stärker zu ahnden und die Regelungen zu verbessern – unter anderem auch zur Barrierefreiheit und Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen.