Schutz 0811

Kassel, 28. September 2025: Die gut 200.000 Einwohner zählende Stadt Kassel wurde am 27. September 2025 durch eine bunte und vielfältige Disability Pride Demonstration mit Kundgebungen vor dem Rathaus und auf dem Friedrichsplatz bereichert. Gut 150 Teilnehmende zogen nach übereinstimmenden Angaben von Kilian Pauthner vom Organisationsteam und den kobinet-nachrichten durch die Kasseler Innenstadt und machten auf die Belange behinderter Menschen aufmerksam. Bereichert wurde die Kasseler Szene durch Angereiste aus verschiedenen Teilen Deutschlands von Berlin bis München. Eine Reihe der Redner waren direkt von einer Empowermentschulung im Kasseler Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen, die ebenfalls an diesem Wochenende stattfand, zur Demo gestoßen und brachten ihre Expertise ein.

Bereits bei der Auftaktkundgebung vor dem Kasseler Rathaus machte beispielsweise Nancy Frind aus Thüringen deutlich, wie wichtig es ist, dass behinderte Menschen eine Chance bekommen, aus der Werkstatt für behinderte Menschen herauszukommen und richtige Jobs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen. Ihr selbst gelang dies mit Hilfe des Budget für Arbeit. Dieses müsse endlich bekannter gemacht werden. Sie mahnte jedoch auch Arbeitgeber, entsprechende Bedingungen für die Beschäftigung behinderter Menschen zu schaffen.

In ihrer Rede auf dem Friedrichsplatz machte Claudia Buntzel, die die von Mandy Müller entworfene Rede vortrug, darauf aufmerksam, welche Gefahr von der AfD für behinderte Menschen droht. Von der Abwertung schulischer Inklusion als Ideologieprojekt über das Festhalten am aussondernden Werkstättensystem bis zur Abschiebung der Verantwortung für die Pflege an Angehörige hätten behinderte Menschen von deren Politik nichts Gutes zu erwarten. Mandy Müller hatte sich in ihrer Bachelorarbeit mit den Positionen der AfD und vor allem deren Haltung und Aktivitäten zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit befasst.

Ein Highlight bei der Abschlusskundgebung war definitiv die Rede von Lukas Hernicht. Er sprach nicht nur für viele junge Menschen mit Behinderungen und entwarf in seiner Rede eine Welt, in der Inklusion auf gleicher Augenhöhe auch für Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf möglich ist. Er hielt seine Rede mit einem Talker, den er für die Kommunikation nutzt. Dies dürfte eine Premiere in der Kasseler Demonstrationsgeschichte behinderter Menschen gewesen sein, dass eine Rede mit einem Talker gehalten wurde.

Birger Höhn aus Dresden berichtete in seinem Beitrag über die Situation autistischer Menschen und kritisierte neben dem weiteren Rechtsruck in unserer Gesellschaft die Politik von Donald Trump, der vor Kurzem die Einnahme des Medikaments Paracetamol für Autismus verantwortlich zu machen versuchte. Dies sei absoluter Quatsch und ein weiteres Beispiel dafür, wie über autistische Menschen gesprochen wird. Birger Höhn engagiert sich auch in der Initiative Krüppel gegen Rechts und in der Gedenkarbeit zu den Verbrechen der Nationalsozialisten an behinderten Menschen.

Mit dabei war auch die Kletteraktivistin Cécile Lecomte aus Lüneburg. Sie hatte ursprünglich geplant, ihre Rede von einem Baum aus zu halten. Dies verweigerte ihr die Polizei, was sie natürlich ärgerte. So berichtete sie über ihre Kletteraktionen und die Notwendigkeit des Widerstands gegen Barrieren und Ausgrenzung.