In Frankreich ist am 11. Februar 2005 erstmals ein Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft getreten (Loi pour l’égalité des droits et des chances, la participation et la citoyenneté des personnes handicapées). Sein Ziel ist es, die Selbstbestimmung sowie die volle Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Das neue Gesetz beinhaltet sowohl sozialversicherungsrechtliche als auch gleichstellungsrechtliche Elemente. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichstellungsrechts müssen insbesondere folgende Aspekte hervorgehoben werden:
Der öffentliche Verkehr sowie öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen müssen innerhalb von zehn Jahren zugänglich gemacht werden. Fristerstreckungen aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind möglich, jedoch müssen dann Ersatzlösungen angeboten werden. Für Verstöße sind insbesondere auch strafrechtliche Bestimmungen vorgesehen.
Als Folge der EU-Richtlinie besteht nun auch in Frankreich ein gesetzlicher Schutz von Menschen mit Behinderungen im Erwerbsleben. Arbeitgeber werden gezwungen, Anpassungen des Arbeitsumfeldes vorzunehmen, damit Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden und entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten können. Parallel dazu sind unterschiedliche Bestimmungen zur Förderung der Anstellung von Menschen mit Behinderungen vorgesehen.
Das Gesetz will die Integration behinderter Kinder in die Regelschule fördern und verlangt, dass die Kinder in der Schule ihres Wohnviertels eingeschult werden. Es sei denn, dies widerspreche ihrem Wohl.
Das neue Gesetz anerkennt ausdrücklich die französische Gebärdensprache als ganzheitliche Sprache und sieht in diesem Zusammenhang zahlreiche Rechte von Menschen mit Hörbehinderungen vor, insbesondere in der Schule und bei Gerichtsverfahren. Weiter sind auch wichtige Vorschriften im Hinblick auf die Zugänglichkeit von Internet und Fernsehen für sinnesbehinderte Menschen vorgesehen.
Ab Januar 2006 ist vorgesehen, dass in jedem Departement "Häuser der Menschen mit Behinderungen" eröffnet werden. Sie allein werden zuständig sein, um Fragen rund um die Behinderung zu beantworten. Zudem werden diese Stellen auch Mediationen anbieten.
Quelle: Auszug aus: Dr. iur. Caroline Hess-Klein, Leiterin der DOK-Fachstelle Égalité Handicap: "Behindertengleichstellung: Die Rechtsentwicklung in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Österreich" agile - Behinderung und Politik, Ausgabe 2/05