Anlässlich des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens hat die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer (SPD), in Berlin noch einmal eine schnelle Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien gefordert. "Ein entsprechender Gesetzentwurf muss noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden", so Evers-Meyer.
Die Beauftragte legte darüber hinaus noch einmal die aus ihrer Sicht zentralen Punkte eines solchen Gesetzesentwurfs dar. "Wir wollen weder ein Bürokratiemonster noch eine Sammlung von gut gemeinten Absichtserklärungen. Ich will einen Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen, der praxistauglich ist und der den Diskriminierungsalltag behinderter Menschen zumindest in den zentralen Bereichen abdeckt", so die Beauftragte.
Sie freue sich, dass offensichtlich Einigkeit darüber bestehe, behinderte und ältere Menschen in das neue Gesetz aufzunehmen. Es dürfe aber nicht bei Überschriften bleiben. Damit würde sich die Politik vor den Augen der 6,7 Millionen behinderten Menschen in Deutschland und deren Familien lächerlich machen. Nach vielen Jahren Kampf für die zivilrechtliche Gleichstellung sind nicht wenige ohnehin müde geworden. Die Erwartungen an und die Hoffnung in die Politik sind in dieser Zeit sicher nicht gewachsen. Um so wichtiger sei es nach Ansicht von Karin Evers-Meyer, jetzt zu einer schnellen Einigung zu kommen.
"Ich denke, wir haben jetzt die Chance mit einer Koalition der Vernunft die wichtigen Punkte zu vereinbaren. Jedem muss eigentlich klar sein, dass ein behinderter Mensch einen Kredit bekommen muss, dass er eine Wohnung anmieten und mit einer Lebensversicherung private Vorsorge betreiben kann. Ich habe gerade den Fall, dass eine Mutter für ihre autistische Tochter keine private Zahnzusatzversicherung bekommt. Ich weiß, was eine Zahnspange kostet und ich weiß, wie viel Geld einer durchschnittlichen Familie in Deutschland zur Verfügung steht. Das können die meisten schlichtweg nicht bezahlen. Da frage ich mich schon, in was für einer Gesellschaft ich lebe und ich frage mich, auf welchen zynischen Kurs Politik sich begibt, wenn den Menschen in allen Bereichen mehr Eigenvorsorge empfohlen wird, gleichzeitig aber nicht sichergestellt ist, dass auch jeder privat vorsorgen kann."
Schließlich appelliert die Beauftragte noch einmal an die Abgeordneten der Regierungsfraktionen: "Ich wäre sehr dankbar, wenn wir jetzt eine sachliche Debatte führen. Ich möchte keinen ideologischen Schlagabtausch, sondern ich möchte die Frage klären, wie wir mit alltäglicher Diskriminierung in unserem Land umgehen."
(PM vom 31. März 2006)