Ein Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul
Und es bewegt sich doch! Die Rede ist vom » Bollwerk Bundesjustizministerium «, aus dem in letzter Zeit versöhnlichere Töne in Sachen Aufnahme behinderter Menschen in das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz zu vernehmen waren. Hatte das Ministerium nach dem Wechsel von der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zu Brigitte Zypries eine dreifache Rolle rückwärts in Sachen Antidiskriminierungsgesetz frei nach dem Motto » Was schert mich mein Geschwätz von gestern « vollzogen und den Gesetzesentwurf aus der letzten Legislaturperiode über Bord geworfen, bestehen nun doch noch Chancen, dass behinderte Menschen in das Gesetz mit aufgenommen werden.
Über ein halbes Jahr haben nunmehr hunderte, ja tausende von behinderten und nichtbehinderten Menschen Druck auf das Ministerium, die rot-grüne Bundesregierung und auf die Koalitionspartner gemacht und die Aufnahme behinderter Menschen in das Gesetz gefordert. Unterschriften wurden gesammelt, die Medien über die völlig unverständliche Kehrtwende und den Starrsinn im Justizministerium informiert, das Thema auf die Parteitage der SPD und der Grünen getragen und schließlich bei einem Kanzlergespräch für die Sache gestritten. Und siehe da, plötzlich scheint sich doch etwas zu bewegen. Die Töne werden versöhnlicher, es werde nach einer Lösung gesucht, Diskriminierungen von Behinderten abzubauen. So klingen vermehrt die Töne aus dem Ministerium und der SPD durch. Noch verhalten, noch unklar, ob behinderte Menschen in das allgemeine Gesetz oder in ein » Sondergesetz « kommen sollen und ob des genauen Zeitplans. Die Zeichen werden aber klarer, dass sich das Engagement lohnt und in diesem Bereich noch viel Bewegung drin ist. Jetzt geht’s also erst richtig los. Der 5. Mai mit seinem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung Behinderter steht vor der Tür und viele Wahlen stehen auch an.
Wichtig ist in diesem Prozess jedoch, dass wir der rot-grünen Koalition und der Bundesjustizministerin klar machen, dass wir uns nicht mit einem » Sondergesetz « abspeisen lassen, sondern Teil eines allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes sein wollen, das die Diskriminierungen im Rahmen des Zivilrechts regelt. Wenn auf EU-Ebene die Bekämpfung von rassistischen Diskriminierungen gefordert wird, muss auch für behinderte Menschen das gleiche Niveau des Diskriminierungsschutzes und kein Sondergesetz gelten. Zudem ist es an der Zeit, dass auch im Bundesjustizministerium der Geist der Einbeziehung behinderter Menschen ankommt und behinderte ExpertInnen bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes genau so beteiligt werden, wie beim Bundesgleichstellungsgesetz.
Last but not least ist es nötig, dass behinderte Menschen nicht nur in einzelnen Randbereichen vor Diskriminierungen im Zivilrecht geschützt werden, sondern einen umfassenden Schutz genießen. Es gibt keine guten und schlechten Diskriminierungen. Wir erwarten also von der Bundesregierung, dass sie sich eindeutig hinter behinderte Menschen stellen und nicht den Diskriminierern das Wort redet. Hier wurde in den letzten Monaten viel Porzellan zerschlagen, dass es nun durch eine intensive Beteiligung der Betroffenen wieder zu kitten gilt.
omp