Ina Zwerger sprach mit Bert Massie, dem Vorsitzenden der » Disability Rights Commission «
(Quelle: Das Interview wurde uns freundlicherweise von » betrifft:integration « aus Österreich zur Verfügung gestellt. Es ist dort in der Ausgabe 2/03 erschienen.)
» Wir wollen schauen, was die Menschen behindert, so zu leben, wie alle anderen auch. Und meist liegt es nicht an ihrer körperlichen Beeinträchtigung, sondern an der Gesellschaft, die sie daran hindert «, so Bert Massie, der Vorsitzende der » Disability Rights Commission « (DRC). Die unabhängige Kommission wurde im Jahr 2000 eingerichtet und sorgt für die Einhaltung des so genannten » Disability Discrimination Act «. Diese Gleichstellungsgesetzgebung wurde in Großbritannien 1995 erlassen.
» Die Tatsache, dass ich in einem Rollstuhl sitze, ist mir kein Problem, ich komme sehr gut damit zurecht, bis ich auf unüberwindbare Stufen stoße. Wer macht diese Stufen? Leute machen sie. Wenn wir dafür eintreten sie zu beseitigen, hilft das nicht nur uns. Jeder kann im Laufe seines Lebens einmal auf einen Rollstuhl angewiesen sein «, so Bert Massie. » Wenn es darum geht Schilder so zu gestalten, dass sie auch Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung lesen können, heißt das, dass alle sie besser lesen können. Wenn sich technische Geräte leichter bedienen lassen, kommt das auch allen zu gute. Das bedeutet also, wenn es uns gelingt Menschen mit Behinderungen besser zu integrieren, wird sich unsere Gesellschaft insgesamt verändern, was für alle gut ist, weil wir offener werden und die unterschiedlichen Bedürfnisse mehr miteinbeziehen. «
Die » Disability Rights Commission « vertritt nicht nur die Interessen von Menschen mit körperlichen Behinderungen oder Sinnesbeeinträchtigungen. Auch Menschen mit Herzkrankheiten, Diabetes, Depressionen, Schizophrenie, Epilepsie, Down-Syndrom oder Lernschwierigkeiten gehören zum Klientel. Laut ‘DRC’ sind in Großbritannien
8,6 Millionen Menschen von einer Behinderung betroffen, also einer von sieben Einwohnern.
Die Gleichstellungskommission ist mit einem jährlichen Budget von rund 13 Millionen Pfund ausgestattet und betreibt Zentren in London, Manchester, Wales und Schottland. Rund 180 Angestellte, darunter viele selbst Betroffene, bieten Beratung an, nehmen Beschwerden auf und leiten rechtliche Schritte ein, wenn gegen das Gesetz verstoßen wird. Die Erfolge können sich sehen lassen. » Wir haben eine Helpline eingerichtet, im Vorjahr hatten wir etwa 100.000 Anrufe, ein Drittel der Anrufer waren keine behinderten Menschen, sondern es waren Leute von Unternehmen, aber auch Arbeitgeber «, berichtet der Leiter der Disability Rights Commission.
Wenn der Anruf einen diskriminierenden Tatbestand zum Inhalt hat, der untersucht werden muss, gehen die Mitarbeiter diesen Fällen nach. Im Vorjahr wurden rund 1800 Untersuchungen durchgeführt. In vielen Fällen konnten die Diskriminierungen durch Gespräche beseitigt werden, erzählt Bert Massie. » Wenn ein Restaurantbesitzer einem Blinden mit Blindenhund den Zutritt verwehrt, ist das laut Gesetz verboten, sie müssen ihn reinlassen und bedienen. Manchmal reicht es aus die Leute zu informieren und zu beraten «. Doch es gibt auch Unternehmen, die die Bestimmungen ignorieren und verletzen, dann greift die » Disability Rights Commission « zu den Rechtsmitteln. » Wir bringen im Durchschnitt pro Woche einen Fall vor’s Gericht. «
Wer von einem behinderten Menschen für sein Service mehr Geld verlangt, macht sich strafbar, dazu zählen auch Versicherungsleistungen. Der Zugang zur Arbeitswelt hat sich durch den » Disability Rights Act « wesentlich verbessert, berichtet Bert Massie. Anders als in Österreich gibt es in Großbritannien keine Quotenregelung und damit auch nicht die Möglichkeit, sich von der Diskriminierung freizukaufen. Wer sich für einen Job bewirbt, muss nach seiner Ausbildung oder beruflichen Qualifikation beurteilt werden. Ist das nicht der Fall, kann die Diskriminierung eingeklagt werden.
Ab nächstem Jahr (gemeint ist 2004, d.Red.), so sieht es das Gesetz vor, müssen alle Dienstleistungsunternehmen und Einrichtungen zugänglich sein, nicht nur staatlich geführte, auch private. Wer sich nicht daran hält, muss angemessene Argumente vorbringen können. Als Beispiel bringt Bert Massie einen kleinen Frisiersalon, der nicht sehr viel Gewinn macht und kann sich keine Rampe und keinen Lift leisten kann. Doch auch dieses Dienstleistungsunternehmen kann sein Angebot zugänglich machen. » Der Friseur kann dem Kunden im Rollstuhl anbieten, dass er abends zu ihm nach Hause kommt und ihm dort die Haare schneidet «, so der Chef des DRC, der im Gesetz gewisse Spielräume ortet, auf Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren. » Doch grundsätzlich geht es schon darum, bauliche Barrieren zu beseitigen, dafür zu sorgen, dass die Leute Zugang zu Jobs haben, dass sie Kinos, Restaurants, Cafes oder was auch immer sie wollen, besuchen können und dass sie in ihrem Leben die gleichen Möglichkeiten vorfinden. « Gerade auch ältere Menschen werden von der Vielzahl an Maßnahmen, die im öffentlichen Bereich gesetzt werden, profitieren. In Großbritannien hat die Regierung auch bereits beschlossen, Gebärdensprache als Amtsprache anzuerkennen. » Wir betrachten Gebärdensprache als ein Menschenrecht «, erklärt Bert Massie von der » Disability Rights Commission «. Für ihn steht fest: » Wir müssen uns von dieser Kultur des Caritativen verabschieden und stattdessen eine Kultur der Bürgerrechte entwickeln. Nur so können Menschen mit Behinderungen in Würde leben. «
Näheres zur Disability Rights Commission finden Sie unter: www.drc-gb.org