Nach Aussage von Alfred Hartenbach, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz, hat die Bundesministerin der Justiz klar gemacht, dass neben der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierungen auch die Rechte behinderter Menschen gegen Diskriminierungen gestärkt werden sollen. Dies erklärte Hartenbach am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen am 5. Mai vor über 70 TeilnehmerInnen einer Aktion unter Federführung des Deutschen Behindertenrates im Bundesjustizministerium in Berlin. Für behinderte Menschen solle daher im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen ein Diskriminierungsschutz im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert werden. Näheres müsse nun in der Ressort-Abstimmung und im parlamentarischen Prozess geklärt werden. Ein Entwurf für das Antidiskriminierungsgesetz solle in Kürze vorgelegt werden.
» Mit dieser Zusicherung für die Aufnahme behinderter Menschen in das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz ist uns endlich ein wichtiger Durchbruch gelungen. Wir müssen jetzt wenigstens nicht mehr darüber streiten, ob wir überhaupt diskriminiert werden, sondern können uns nun endlich auf die inhaltliche Auseinandersetzung stürzen, wie gegen diese Diskriminierungen gesetzlich vorgegangen werden soll «, so Ottmar Miles-Paul, Koordinator der Kampagne » Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz « nach dem Ministeriumsbesuch.
Horst Frehe hatte während der Veranstaltung für den Deutschen Behindertenrat klar gemacht, dass drei Bedingungen für ein Antidiskriminierungsgesetz erfüllt werden müssen:
Hartenbach sicherte angesichts dieser Forderungen ein intensives Gespräch mit den Betroffenen zu, sobald der Gesetzesentwurf vorliege und versprach eine Beteiligung der Behindertenverbände bei den Anhörungen im Parlament. Er appellierte jedoch auch an die Verbände, diesen Prozess unterstützend zu begleiten, um das Ziel der Verbesserung eines Diskriminierungsschutzes für behinderte Menschen zu erreichen.
Heftig kritisiert wurde, dass sich das Ministerium nach wie vor weigere, einen Schutz vor Diskriminierungen, wie zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Alters, zu verankern. Ilja Seifert vom Berliner Behindertenverband kritisierte dies heftig und brachte seinen Ärger darüber zum Ausdruck, dass hier verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt würden. Deutschland brauche eine umfassende Antidiskriminierungskultur und kein Stückwerk für verschiedene Gruppen.
Für den Deutschen Behindertenrat (DBR) ist die Aussage des Bundesjustizministeriums, dass behinderte Menschen ins zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden sollen, ein Schritt in die richtige Richtung. Horst Frehe begrüßte diese Entwicklung, machte jedoch auch deutlich, dass der Deutsche Behindertenrat für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz streite. Deutschland brauche eine umfassende und gruppenübergreifende Antidiskriminierungskultur.
Nun sei es vor allem wichtig, dass der Entwurf für das Gesetz möglichst schnell auf den Tisch komme und die Behindertenverbände bei der weiteren Entwicklung konsequent beteiligt werden. » Bei der Entwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes ist es gelungen, eine gute Beteiligung der Behindertenverbände zu leisten. Warum soll dies nun beim zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz nicht gehen «, so Frehe.
» Dies ist ein Durchbruch «, so der Bundesvorsitzende der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V., Robert Antretter, und der Präsident des VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, in einer gemeinsamen Presseerklärung. » Seit fast sechs Jahren kämpfen wir darum, dass Menschen mit Behinderung im Bereich des Zivilrechts nicht länger benachteiligt werden dürfen. Mehrfach haben wir darauf hingewiesen, dass gerade geistig behinderten Menschen immer wieder die Aufnahme in Hotels, das Betreten von Gaststätten und der Abschluss von Haftpflichtversicherungen, Unfallversicherungen usw. verweigert wird, und die betroffenen Menschen kaum eine Handhabe besitzen, sich vor einem Zivilgericht zur Wehr zu setzen. «
Das Bürgerliche Recht soll jetzt so geändert werden, dass Verträge, die Menschen aus Gründen der Rasse, ethnischer Herkunft oder wegen einer Behinderung benachteiligen, für unzulässig erklärt werden. Dies ist der rechtliche Grundsatz, von dem es allerdings auch zulässige Abweichungen geben soll. » Da wird man genau hinschauen müssen «, so die beiden Verbandsvorsitzenden Hirrlinger und Antretter. » Wir müssen darauf drängen, dass das Gesetz ’wasserdicht’ gestaltet wird. Dazu müssen wir die Vorlage abwarten, die dem Bundeskabinett zur endgültigen Entscheidung vorgelegt wird. «
Mitte Mai hat nun auch der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering ein Gesetz gegen Diskriminierung angekündigt. » Die Diskussion um rassistische und ethische Diskriminierung sowie die Gleichbehandlung der Geschlechter muss in einem Gesetz zusammengefasst werden «, sagte demnach Müntefering in Leipzig zum Abschluss der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Die Ankündigung des SPD-Chefs steht im Zusammenhang mit der derzeit laufenden Umsetzung einer Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU. Diese soll in Deutschland nicht nur eins zu eins umgesetzt, sondern noch erweitert werden.
Das Antidiskriminierungsgesetz soll Müntefering zufolge auch Benachteiligungen von Alter, Religion, Behinderung und Geschlecht einbeziehen. Zur Frage der Gleichstellung der Geschlechter sagte er: » Wir müssen endlich erreichen, dass wir nicht nur auf Parteitagen über Quoten reden, sondern dass die Chancen von Männern und Frauen im realen Leben gleich sind. « Die Schaffung einer Gleichbehandlungsstelle sei daher unverzichtbar.
Das NETZWERK ARTIKEL 3 wertet es positiv, dass es nun anscheinend kein Zurück mehr in Sachen Aufnahme Behinderter ins Antidiskriminierungsgesetz zu geben scheint. Bedauerlich sei jedoch, dass sich die SPD mit Klauen und Zähnen dagegen wehre, auch einen Schutz für Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung - also für Homosexuelle - zu schaffen. Damit werde eine wichtige Chance für eine umfassende Antidiskriminierungskultur vertan.
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