Ein Kommentar von Ottmar Miles-Paul
Heute vor einem Jahr hat kaum jemand noch daran geglaubt, dass es der Behindertenbewegung noch gelingen könnte, zu erreichen, dass behinderte Menschen in das zu schaffende zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden. Die Sterne im Bundesjustizministerium standen damals so schlecht, dass dort sogar in dreistester Form angezweifelt wurde, dass behinderte Menschen im zivilrechtlichen Bereich überhaupt diskriminiert werden. Die Behindertenbewegung biss bei einer als äusserst unbeweglich scheinenden Justizministerin Brigitte Zypries schlichtweg auf Granit.
Ein Jahr später sieht die Sache nun schon ganz anders aus. Die Töne aus dem Bundesjustizministerium klingen jetzt plötzlich versöhnlicher, so dass sich dessen Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach sogar zum Versprechen durchringen konnte, dass behinderte Menschen ins Antidiskriminierungsgesetz kommen. Zwar mit Widerwillen, aber immerhin, wurde sogar eine gewisse Einbeziehung der Verbände in die weitere Entwicklung des Gesetzes zugesichert. Welch großen Schritt die Behindertenbewegung hier geschafft hat, wird daran deutlich, wenn man den Staatssekretär darüber reden hört, warum andere Gruppen nicht in das Gesetz einbezogen werden sollen. Man habe bei den Verbänden angefragt und es gäbe keine konkreten Fälle für Diskriminierungen, die einen Handlungsbedarf erforderten. Deshalb würde man diese Gruppen auch nicht ins Gesetz mit aufnehmen.
Wenn die Behindertenbewegung in Sachen Antidiskriminierungsgesetz nun also einen wichtigen Schritt voran gekommen ist, ist dies also weniger auf einen plötzlichen Sinneswandel im Bundesjustizministerium zurückzuführen, sondern vielmehr auf das engagierte Wirken für die Rechte behinderter Menschen des letzten Jahres. Die weithin kritisierte Arroganz und Weltfremdheit des Ministeriums in diesem Bereich ist geblieben und der Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik dort noch längst nicht angekommen. Die Behindertenbewegung ist jedoch gewachsen und hat eine weitere Hürde genommen. Jetzt gilt es dran zu bleiben, den Druck aufrecht zu erhalten und zu erhöhen, um das Ziel zu erreichen. Es gilt ein möglichst gutes Gesetz zu bekommen und auch andere benachteiligte Gruppen auf diesem Wege mitzunehmen.