München ( kobinet-nachrichten 14.06.2004 )
Nach inzwischen amtlich bestätigten Plänen will die Bundesregierung Behinderte zur Sanierung des Bundeshaushalts diskriminieren. Behinderte sollen künftig Fahrkarten für U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse kaufen, wenn sie den näheren Umkreis ihres Wohnorts verlassen. «Dadurch werden Behinderte von der Teilhabe am normalen Leben ausgeschlossen. Sie werden gezwungen, entweder schwarz zu fahren oder zu Hause zu bleiben», erklärte heute Rainer Engel, Rechtsreferent des Fahrgastverbandes PRO BAHN. «In ganz Deutschland gibt es nämlich keine behindertengerechten Fahrscheinautomaten. Uns wundert, dass die Diskriminierung der Behinderten beim Fahrscheinkauf völlig übersehen wurde. Während Fahrzeuge und Stationen von Bahnen und Bussen immer barrierefreier werden und Behinderte daher immer leichter selbständig reisen können wie normale Bürger, will die Bundesregierung die Behinderten kriminalisieren, wenn sie den Umkreis ihres Wohnorts verlassen.»
Die Verkehrsunternehmen in Deutschland waren bisher nicht genötigt, barrierefreie Fahrkartenautomaten aufzustellen, weil alle Behinderten, die Automaten nicht bedienen können, den öffentlichen Verkehr gegen eine pauschale Zahlung von 5 Euro monatlich barrierefrei benutzen können. Es sei auch völlig unsinnig, barrierefreie Fahrkartenautomaten zu entwickeln, meinte Engel. «Das kostet viel mehr als die wenigen Millionen, die die Regierung jetzt einsparen will. Blinde brauchen eine Sprachausgabe, Sehbehinderte eine vergrößerte Schrift, Rollstuhlfahrer und Kleinwüchsige benötigen alle Elemente tief angeordnet. Elektronische Displays können nur unter optimalen Bedingungen von den Betroffenen erkannt werden. Zehntausende von Automaten müssten ersetzt werden. Lernbehinderte verstehen den Inhalt der komplizierten Tarife dennoch nicht und landen als notorische Schwarzfahrer vor dem Strafrichter», befürchtet Engel.
«Wir sind gerne bereit, vor laufender Kamera zu demonstrieren, wie die beabsichtigte Diskriminierung Behinderter am Fahrkartenautomaten aussieht», erklärte Engel. «Wir haben Sozialministerin Ulla Schmidt daher um ein persönliches Gespräch und Gelegenheit zur Demonstration gebeten.» Der Fahrgastverband PRO BAHN hat heute der Sozialministerin eine Denkschrift zum barrierefreien Zugang Behinderter zum Vertriebssystem des öffentlichen Verkehrs zugeleitet. Darin zeigt der Verbraucherverband auf, wie umfangreich die Barrieren sind, die Blinde, Sehbehinderte, Rollstuhlfahrer und andere Behinderte überwinden müssen, um einen Fahrschein kaufen zu können. Bekanntlich werden Bahnen und Busse, in denen Fahrscheine durch Personal verkauft werden, immer seltener. sch
Denkschrift unter www.fahrgast-rechte.de