Die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger hat Anfang Juni den Entwurf für ein Hessisches Gleichstellungsgesetz vorgelegt, mit dem das im Grundgesetz verankerte Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen auf Landesebene umgesetzt und Gleichstellungsbestimmungen im Landesrecht verankert werden sollen.
» Es ist ein wichtiger Schritt, um die Lebenssituation der Behinderten und ihre Integration zu verbessern «, erklärte sie in einer Presseerklärung. Das Kabinett hat demnach die Vorlage gebilligt und beauftragte die Ministerin, die Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände, der Hessischen Organisationen und Verbände behinderter Menschen sowie der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und des Hessischen Rundfunks durchzuführen.
» Ziel ist, dass jeder Mensch mit Behinderung in Hessen genauso leben kann wie jeder Mensch ohne Behinderung. Es ist das Leitbild dieser Landesregierung, dass den Betroffenen Gleichstellung zuteil, eine Teilhabe ermöglicht wird und sie ihr Leben selbst bestimmt führen können «, führte Silke Lautenschläger aus. Nicht ausgrenzende Fürsorge, Mitleid und wohlmeinende Bevormundung seien gefragt, sondern gesamtgesellschaftliche Integration.
Die Lebenswirklichkeit vieler behinderter Menschen entspreche noch nicht den Vorgaben der Verfassung. Das Land werde mit dem Gesetz seiner Vorbildfunktion gerecht. Den Kommunen in Hessen wird empfohlen, von den Zielen dieses Gesetzes bei ihren Planungen und Maßnahmen Gebrauch zu machen. Sie haben zu prüfen, ob sie im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten die Ziele dieses Gesetzes umsetzen können.
» Wir wollen den Alltag behinderter Menschen positiv verändern - durch konkrete Maßnahmen «, formulierte Silke Lautenschläger. Die Gleichstellung behinderter Menschen sei kein einmaliger Akt, sondern ein stetiger, sich weiter entwickelnder gesellschaftlicher Prozess. Das Gleichstellungsgesetz vermittele für diesen Prozess Werte und treffe Richtung gebende Entscheidungen. Der Gesetzentwurf formuliert ein allgemeines Benachteiligungsverbot und verpflichtet das Land, seine Behörden und Dienststellen - die so genannten Träger öffentlicher Gewalt, das Ziel des Gesetzes aktiv zu fördern und zu unterstützen. » Es geht nicht nur um die Abwehr erkannter Benachteiligungen, sondern auch um das Ergreifen positiver Maßnahmen, um Chancengleichheit zu verwirklichen «, stellte die Ministerin klar.
Der Entwurf des Gleichstellungsgesetzes enthält die gesetzliche Zielbestimmung der Schaffung einer möglichst barrierefreien Umwelt. » Es ist ein wesentliches Anliegen, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen herzustellen. Dies gilt nicht nur für die so genannten räumlichen Bereiche, sondern auch für Gebrauchsgegenstände und Informationen «, so die Ministerin. Das Lebensumfeld sei so zu gestalten, dass möglichst niemand ausgeschlossen werde.
Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte oder sonstige öffentliche Stellen des Landes Hessen sollen barrierefrei gestaltet werden. Bereits bestehende Bauten seien entsprechend schrittweise mit dem Ziel einer möglichst weit reichenden Barrierefreiheit zu gestalten. Silke Lautenschläger wies darauf hin, dass im Bereich der baurechtlichen Vorschriften Hessen bereits eine Spitzenstellung einnehme.
Barrierefreiheit ist auch die Anforderung, die an die Informationstechnik gestellt wird. Die Dienststellen des Landes sollen ihre Internetangebote so gestalten, dass sie von behinderten Menschen uneingeschränkt genutzt werden können.
Das Recht auf die Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen spielt im Gesetz ebenfalls eine Rolle. Hör- oder sprachbehinderten Menschen wird das Recht eingeräumt, mit Behörden und Dienststellen des Landes in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Gesamtkosten hierfür werden innerhalb der Landesverwaltung auf ca. 500.000 Euro pro Jahr geschätzt.
Die Behörden und Dienststellen des Landes haben bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung von Menschen zu berücksichtigen. Blinde und sehbehinderte Menschen können zukünftig verlangen, dass diese Bescheide und Vordrucke ihnen ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Übernehmen Blindenvereine die Herstellung oder Verteilung von Stimmzettelschablonen bei Landtagswahlen oder Volksabstimmungen, so ist die Erstattung der dadurch veranlassten Ausgaben vorgesehen.
Der Gesetzentwurf sieht nach Informationen der Ministerin ein Verbandsklagerecht vor. Er legt fest, dass die besonderen Belange behinderter Frauen zu berücksichtigen und besondere Maßnahmen zur Förderung behinderter Frauen zulässig sind. Weiter wird verankert, dass die Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung gemeinsam in Tageseinrichtungen erfolgen soll. Auch bei wachsendem Hilfebedarf im Alter soll den Menschen mit Behinderung die Möglichkeit gegeben werden, im vertrauten Wohnumfeld zu bleiben.
Für das Amt des Behindertenbeauftragten der Hessischen Landesregierung werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. » Seine Aufgabe ist die Wahrung der Belange behinderter Menschen auf Landesebene. Er berät die Landesregierung bei der Fortentwicklung und Umsetzung der Behindertenpolitik, ist unabhängig, weisungsungebunden, ressortübergreifend und ehrenamtlich tätig «, skizzierte Silke Lautenschläger.
Weiterhin sieht die Vorlage eine Änderung der Landes- und Kommunalwahlordnung vor. Wahlräume sollen zukünftig so ausgewählt und eingerichtet werden, dass Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen die Teilnahme an der Wahl erleichtert wird. Die Gemeinde hat frühzeitig mitzuteilen, welche Wahlräume barrierefrei sind.
Siehe auch die Informationen und Dokumente unter Gleichstellungsgesetz in Hessen, NETZWERK ARTIKEL 3 e.V.